M.M.
»Richard Strauß im Rundfunk. Mit Jupiter-Sinfonie und ›Don Juan‹«
in: Vossische Zeitung, Montag, 2. Mai 1932

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan
Richard Strauß im Rundfunk
Mit Jupiter-Sinfonie und »Don Juan«

Im Haus des Rundfunks gibt es seit kurzer Zeit einen großen Saal. Ich sah ihn gestern zum erstenmal und freute mich an der reinen Zweckmäßigkeit seiner »Architektur«. Er ist ganz elfenbeinfarbig und wird nur durch indirektes, diffuses Licht erleuchtet. Das und seine riesenhaften Dimensionen geben ihm einen gewissen magischen Reiz. Das Orchester sitzt – aus akustischen Gründen – unter schlicht und beinahe kunstlose angeordneten Draperien. Das Kunstlose ist ein Vorzug: die Phantasie des Tapeziers entbehren wir gern.

Es haben sich viele eingefunden, um Meister Richard Strauß zu begrüßen, der zum ersten Male für die Funkstunde Berlin dirigiert. Er beginnt mit der Jupiter-Sinfonie von Mozart. Gilt er nicht von jeher als der Mozart-Dirigent par excellence? Wie er am Pult sitzt, mit kürzesten und schlichtesten Bewegungen sein Bekenntnis zu Mozart abgelegt, wie er den Musikern sein Bekenntnis aufzwingt, indem er sie gleichsam nur mit den Augen leitet: es ist das altgewohnte, liebgewonnene Bild. Wir erinnern uns an das jahrelange Wirken des Meisters an der Staatsoper Unter den Linden; und wir gedenken mit Wehmut fast der Sinfonie-Konzerte, die noch in voller Blüte standen, als er sie leitete.

Auf die ideale Aufführung der Jupiter-Sinfonie folgte eine Aufführung der sinfonischen Dichtung »Don Juan«. Hier wandelt sich mozartscher Geist in straußischen; hier tritt der Meister so chevaleresk, wie nur er es kann, für sein eigenes Werk ein, das unter seinen reinen Orchesterwerken vielleicht das liebenswerteste ist. Diese süße Oboenmelodie im ruhigen Mittelteil – sie ist schon eine herrliche Eingebung.

Richard Strauß sieht übrigens glänzend aus. Er ist nicht mehr so hager wie früher; sein schlohweißes Haar steht gut gegen die braune Gesichtsfarbe. Kein anderer Dirigent bewegt sich mit so natürlicher Eleganz auf dem Podium. Und wenn er sich für lebhaften Beifall leise lächelnd bedankt, so ist das elegant und nonchalant in einem…

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b43917 (Version 2018‑07‑09).