I. A.
[ohne Titel]
in: Neue Zeitschrift für Musik, Bd. 92, Jg. 63, Heft 25, Mittwoch, 17. Juni 1896, S. 305–306

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan
Düsseldorf, Pfingsten 1896
37. Niederrheinisches Musikfest.

Das 73. der Niederrheinischen Musikfeste wurde am Pfingstsonntag unter Andrang einer, die schönen Räume der städt. Tonhalle überfluthenden Zuhörermenge mit den feierlichen Klängen der beiden »Krönungshymnen« (Coronation-Anthems) I und IV von Händel eröffnet. […]

Wenden wir uns nun zum zweiten Festconcert. Das Programm umfaßte folgenden Inhalt: »Don Juan«, Tondichtung nach Nic. Lenau. für großes Orchester von Richard Strauß. Clavier-Concert in Adur von Fr. Liszt vorgetragen von Herrn Ferruccio R. Busoni. Das Paradies und die Peri von R. Schumann. Hofcapellmeister R. Strauß aus München war eingeladen worden, mehrere seiner interessanten Compositionen unter eigner Leitung aufzuführen. Auch seine Gattin, die Sängerin Pauline Strauß-de-Ahna, sollte unter den Solisten erscheinen, wurde aber kurz vor dem Feste durch Unpäßlichkeit verhindert. Ueber die technische Meisterchaft, welche R. Strauß in seinen Compositionen in Bezug auf Orchesterbehandlung, Form- und Stylsicherheit beweist, ist auch in dieser Zeitung des öfteren die Rede gewesen. Wenn man einmal zugiebt, daß die modernen musikalischen Kunstproducte, namentlich die »symphonische Dichtungen« einer neuen, freieren Form bedürfen in der allein der Ausdruck maßgebend sein soll, so kann man nicht anstehen, den Schöpfungen die R. Strauß auf diesem Gebiete hingestellt hat, höchste Anerkennung zu zollen. Diese Anerkennung ist denn auch, sowohl der Tondichtung Don Juan als zwei anderen Werken des Componisten die am dritten Festtage zur Aufführung kamen, der humoreske »Till Eulenspiegel« und dem Chrostück »Wandrers Sturmlied«, in glänzender Weise zu Theil geworden. Wer nie ein Musikfest in diesem Theil Deutschlands besucht hat, kann sich kaum eine Vorstellung machen von dem Grade der Erregung, mit welcher sich hier der Beifall äußert. Daß der wahrhaft einem Idealziele zustrebenden Künstler derartiger Beifall nicht als das Höchste gelten kann, läßt sich wohl denken, es ist aber auch nicht zu unterschätzen und die herzlichen, schlichten und gewinnenden Worte, mit welchen der junge bayrische Tonpoet sich am Abende des dritten Festtages nach den stürmischen Ovationen, die ihm zu Theil wurden, vom Publikum verabschiedete, bewiesen, daß er dieselben freudigen Herzens aufnahm und auch wohl nicht leicht vergeßen wird.

[…] [306] […]

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b44012 (Version 2018‑01‑26).

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