B. J. K.
[ohne Titel]
in: , Bd. 97, Jg. 68, Heft 9, Mittwoch, 27. Februar 1901, Rubrik »Vermischtes«, S. 133

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien
München.

Die vortreffliche »Bürger-Sänger-Zunft« gab zur Feier ihres 60 jährigen Bestehens ein Vokal- und Instrumental-Concert im dichtgefüllten Großen Kaimsaale. Als die musikalisch werthvollste Nummer der gebotenen Chorvorträge dürfte Hugo Jüngst’s »Deutscher Wahlspruch« Op. 36 zu bezeichnen sein, bei dessen ausgezeichneter Wiedergabe das kräftige, hohe C der Tenöre zu prächtiger Wirkung gelangte. Besondere Anerkennung gebührt ferner dem stimmbegabten Bariton Emanuel Kraupa. Leider war die Wahl seiner Vorträge von Friedr. Schaffer, L. Schiedermaier, Karl Kovarovic und Friedr. Smetana eine wenig ergötzliche. Eine Meisterleistung, ausgezeichnet durch überaus kräftigen, dabei wohlklingenden Anschlag, virtuose Technik und schöne Phrasierung bot der Chorlenker Heinrich Schwarz am Klavier mit Liszt’s Ungarischer Rhapsodie Nr. 1. Die schwierige Begleitung wurde vom Kaim-Orchester unter der Führung Herrn Dr. Georg Dohrn mit gutem Gelingen ausgeführt, dagegen »Der Einzug der Gäste auf der Wartburg« aus Wagner’s Tannhäuser in einem geradezu unfaßlichen Zeitmaße durchgejagt. – Der Organist Herr Adolf Hempel hätte wohl gethan, als Einleitung zu dem vergnüglichen Concerte seiner Improvisation ein interessantes Musikstück, eventuell auch seine eigene schöne Fuge in Cmoll zu Grunde zu legen. Der allgemein mit Recht geschätzte Herr Otto Neitzel, Journalist, Klavierist und Componist aus Köln huldigt in seinem, in der »Musikalischen Akademie« aufgeführten neuen Klavierconcerte Op. 26 der Macht des Bizarren, des haarstreubend Häßlichen, vielleicht in der Suche nach Eigenart, vielleicht absichtlich, worauf schon die chromatischen Eingangsnoten hinzudeuten scheinen. Die Cantilene tritt nur sehr spärlich auf und selbst dann durch Mißtöne entstellt. Der enorme schwierige Klavierpart (vom Componisten mit höchster Bravour gespielt) beschränkte sich zumeist auf Skalen, Arabesken, Guirlanden, die vom Orchester gebrachten Phrasen umwindend und die Instrumentirung ist zum großen Theil schon durch die häufige hohe Lage der Geigen wirkungslos. Daß es dabei an interessanten Einzelheiten nicht fehlt, ist von dem Werke eines so kundigen Musikers als selbstverständlich vorauszusetzen. B. Stavenhagen führte die Schaar des Königl. Orchesters durch’s heiße Treffen, ohne Schaden zu nehmen. Dagegen hätte die reizende Haydn’sche »Symphonie mit dem Paukenschlag« eine anregendere Aufführung verdient. Richard Strauß’ viersätzige Symphonie »Aus Italien« Op. 16 mußte, kraft ihrer fließenden, wenn auch nicht besonders edlen Melodik neuerdings lebhaftes Bedauern über die späteren componistischen Ausschweifungen des begabten Künstlers erwecken. Ein Glanzpunkt des Concertes war die solisitsche Betheiligung der Leipziger Sopranistin Helene Stägemann, welche durch ihre anmuthige Erscheinung, äußerst sympathische Stimme und gediegene Vortragsweise in der lieblichen, aber schwierigen Arie mit Violinbegleitung (Concertmeister Benno Walter) aus Mozart’s »Il rè pastore«, sowie in Gesängen von Cornelius und Carl Löwe die Herzen des Publikums eroberte. – […]

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b44039 (Version 2021‑04‑12).

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