Pottgiesser, Karl
[ohne Titel]
in: Neue Zeitschrift für Musik, Bd. 98, Jg. 69, Heft 11, Mittwoch, 12. März 1902, Rubrik »Correspondenzen«, S. 165–167

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien
München, Ende Februar.

Eine übergroße Fülle von musikalischen Veranstaltungen wird jetzt nach Schluß des Carnevals geboten. […]

[166] […]

Ein Concert des Kaim-Orchesters gewann erhöhtes Interesse dadurch, daß ein Dirigent von spanischer Geburt, der bisher in Kopenhagen und Petersburg eine erfolgreiche Thätigkeit entfaltete, Herr Alonso Cor-de-Las, den Taktstock führte. Zur Aufführung gelangte die Suite Nr. 3 von Tschaikowsky, »La Jota Aragonesa«, capriccio brillante von Michael Glinka und »Aus Italien«, symphonische Phantasie von Richard Strauß. Der Dirigent hat sichtlich die Fähigkeit, seinen impulsiven Willen auf das von ihm geleitete Orchester zu übertragen, Energie und Schwung sind seiner Direktionskunst eigen; dabei enthält er sich durchaus der Mätzchen, die man sonst wohl bei Dirigenten romanischer Abkunft wahrzunehmen hat. Zu bedauern war nur, daß dem Künstler nicht mehr Proben zur Verfügung gestanden hatten, damit Unebenheiten im Orchestervortrag, wie sie namentlich in einzelnen Sätzen der Suite bemerkbar wurden, vermieden worden wären. Das Tschaikowsky’sche Werk weist alle Licht- und Schattenseiten der Muse des russischen Tonsetzers auf: pikante rhythmische Gestaltungen, eindrucksvolle, aber nicht immer ganz vornehme Melodik, eine interessante, manchmal nur allzu brutale Verwertung des Orchestermittel. Um den Vortrag der Solovioline im letzten Satze machte sich der Concertmeister Donderer verdient. Das Glinka’sche Werk fesselt ebenso hinsichtlich der eigenartigen thematischen Erfindung, wie der farbenreichen Verwertung des orchestralen Apparates. In der Strauß’schen Composition ist der erste Satz: »Auf der Campagne« (Andante) mit seiner weitgespannten melodischen Linie der wertvollste; im zweiten und dritten Satze: In »Rom’s Ruinen« und »Am Strande von Sorrent« (Allegro molto con brio und Andante) vermag der Componist die Phantasie des Zuhörers nicht in zwingender Weise auf den Bahnen festzuhalten, auf welchen er sie lenken möchte; die Schilderung des neapolitanischen Volkslebens im letzten Satze (Allegro molto) hingegen ist ihm mit überzeugender Wirkung durch Verwendung südländischer Volksmelodien geglückt. –

[…]

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[…]

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b44042 (Version 2021‑04‑12).

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