Brief
Richard Strauss an Cäcilie Wenzel
Montag, 12. April 1886, München

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

[1r]

Mein liebes Cäcilchen!

Zwar zeigt sich noch kein Brief von Dir, doch naht sich auch Dein Geburtstag, den ich um keinen Preis versäumen möchte; alles Gute also zum Feste und vor allem den Wunsch, daß Du meiner bis Juli gedenken mögest mit der Liebe und Verehrung, die ich für Dich, mein süßer Schatz, hege. Um Dir dieses Gedenken noch ein bischen zu erleichtern, mußt Du mir erlauben, dir die beiliegende Kleinigkeit als Erinnerung an die letzten Meininger Tage zu senden; es ist, wie gesagt, eine [1v] solche kleine Kleinigkeit, daß Du mir die Annahme derselben nicht verweigerst; etwas wahrhaft werthvolles hätte ich nicht gewagt, Dir zu schicken. Der kleine türkische Säbel möge einstweilen mir als Wächter Deines schönen, lieben Busens dienen, so lange, bis ich ihn selbst entfernen darf, – darf?

Ich bin gestern Abend hier angekommen, und habe so ziemlich meine Italienische Reise aufgegeben, wegen der Cholera u. Blattern. Auch ist meine Reiselust nicht übermäßig groß, dagegen meine Arbeitslust sehr bedeutend u. so werde ich, wenn ich von meiner Arbeit [2r] loskomme, wahrscheinlich im Mai auf ein Paar Tage Bülows in Frankfurt besuchen, wann kommt Ihr denn nach Mainz? Hoffentlich geht es Dir gut, mein lieber Schatz, wie ist Dir denn eigentlich die amüsante Reise u. der weniger amüsante Abschied bekommen? Wie ich mich freue, Dich wieder zu sehen, kann ich Dir kaum sagen u. weiß ich nicht, ob ich bis zum Juli werde aushalten können, von Dir getrennt zu sein und Deine süße Liebe nicht genießen zu können. Schreibe mir doch bald ein Paar Zeilen, was Ihr treibt und ob Du mich noch liebst? Die bejahende Beantwortung dieser [2v] [vertikal:] letzten Frage, weißt Du ja, kann man nicht oft genug hören. Es ist in dem guten München auch recht langweilig, das ewige Verwandtenphilisterium, die alten Kneipfreunde, ein recht ödes Volk; dazu die alten bekannten Steinmassen, macht mir sehr wenig Spaß, auf das göttliche Meiningen hierauf nicht anders zu erwarten.

Leb wohl, mein süßes Liebchen, nochmals alles Schöne zum Geburtstag

und einen herzlichen Kuß

Deines

RichardStr.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Pierpont Morgan Library, Dept. of Music Manuscripts (New York), Signatur: Heineman MS 272 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2011-06-22

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in J. Rigbie Turner, »Richard Strauss to Caecilie Wenzel: Twelve unpublished letters«, in: 19th [Nineteenth] Century Music, Bd. 9 (1985-6), 1986, S. 163–75, S. 163–75.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01734 (Version 2021‑04‑12).

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