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Brief
Richard Strauss an Hans von Bülow
Freitag, 11. März 1887, München

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

[60] [maschinenschriftlich:]

Hochverehrtester Meister!

Vor allem meine Gratulation zu dem ganz nach meinem innern Wunsche ausgefallenen Contract mit Pollini und die Hoffnung, daß es Ihnen, hochverehrtester Meister, in Hamburg auch ferner recht behagen und gefallen möge. Sodann meinen herzlichsten Dan[…]k für die freundlichen Zusendungen von Broschüren u. Zeitungsnachrichten über Ihr Wirken; ob man eigentlich zu der Ihnen im Berliner Opernhause widerfahrenen – Ehre möchte ich fast sagen, gratulieren darf, weiß ich kaum u. glaube doch: denn glänzender hätte Ihr »Circus Hülsen u. Nachfolger« eigentlich von dem großen Esel Hochberg nicht bewiesen werden können!

Auf unsre erste ungeheure Entrüstung über diese Gemeinheit in Berlin folgte auch bald die größte Freude über die Ihnen gewordne Genugthuung von seiten der Berliner: Ihre herrliche Rache durch Figaro, die nicht feiner u. großartiger hätte sein können. Ich glaube nicht, daß es noch der besonderen Versicherung bedarf, mit welcher Spannung u. innigster Teilnahme wir alles verfolgen, was Sie, hochverehrtester Meister, Gutes u. Schlimmes betrifft. Ritters lassen Sie herzlichst grüßen, Ritter bedauert ungemein, daß er Sie im April nicht hier sehen kann, er reist nächsten Dienstag auf Einladung des Weinhändlers Ott in Würzburg auf 5 Wochen nach Griechenland. Wie wir alle uns auf Ihr Kommen u. auf die Beethoven Abende freuen, kann ich Ihnen gar nicht beschreiben; Ritters »fauler Hans« ist am 29. März hier wieder neu einstudirt, worüber ich mich sehr freue. Vor 3 Tagen dirigirte ich in Köln mein »Wanderers Sturmlied«, welches ich bei dieser Gelegenheit selbst zum ersten Male hörte u. sehr erfreut war darüber, daß alles so gut klang u. herauskam, denn es ist immer mißlich, ein Stück drucken zu lassen, bevor man es gehört. Aufführung war famos: Wüllners Chor u. Orchester sind ganz prächtig, der Erfolg war schön u. so bin ich sehr vergnügt. Frl. Hansters, die ich besuchte, läßt Sie herzlich grüßen, dieselbe hat ja mit [61] Raff’s C moll einen kolossalen Erfolg gehabt!

Zugleich mit diesem Briefe war ich so frei, an Sie ein Paket Kritiken (!) über die Aufführung meiner sinfonischen Fantasie »aus Italien« zu senden. Das Werk, das harmonisch u. besonders formell viel neues bringt, hat hier große Opposition, Kopfschütteln, von anderen Seiten auch wieder großes Lob erfahren, es ist leider sehr schwierig u. kam in der Aufführung, da wir nur 2 Proben hatten, nicht ganz zur Geltung, trotzdem das Orchester sein möglichstes that. Die Kritiken werden Ihnen Spaß machen: »Wagner hat die Trommelerei erfunden« »die Fantasie hält sich vollständig an die Sinfonieform« und was dergleichen Blödsinn mehr ist. Der letzte Satz »in Neapel« ist allerdings sehr toll u. noch über Berlioz; nach demselben ging im Saale lebhaftes Zischen, das allerdings dann von Beifall übertönt wurde. Mir hat’s aber doch Spaß gemacht! Der erste Schritt zur Selbständigkeit. Doch darüber hoffe ich Ihnen noch genauer mündlich berichten zu können, ich habe Ihnen überhaupt sehr viel zu erzählen. Gegenwärtig studire ich die Königin von Saba neu ein. –

Hoffentlich geht es mit Ihrer Gesundheit recht gut! Auf baldiges Wiedersehen!

Mit den herzlichsten Grüßen verbleiben ich mit dem Ausdrucke

ausgezeichnetster Hochachtung u. tiefster Verehrung

stets Ihr treu ergebener

Richard Strauss

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Österreichische Nationalbibliothek (Wien), Signatur: F 50 IMBA 38 (Typoskript) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • unbekannt (maschinenschriftlich)
      • unbekannt (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Willi Schuh (Hrsg.): Richard Strauss Jahrbuch 1954, Bonn, 1953, S. 44–45.
  • Edition in Gabriele Strauss (Hrsg.): Lieber Collega! Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, Bd. 1 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 14), Berlin, 1996, S. 57–58.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01807 (Version 2021‑04‑12).

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