Brief
Richard Strauss an Paul Bernhard Limburger
Samstag, 14. April 1888, München

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien
[1r]

Hochverehrter Herr Consul!

Dieser Tage habe ich an Herrn Kapellmeister Reinecke durch meinen Verleger zwei neue Partituren zur Ansicht schicken lassen: op. 14 »Wanderers Sturmlied« von Göthe für 6stim̅igen gemischten Chor u. Orchester (Dauer 15 Minuten), voriges Jahr mit großem Erfolg von Wüllner in Köln aufgeführt, – und op. 16: »aus Italien« sinfonische Fantasie in 4 Sätzen: I. Auf der Campagna II.) In Rom’s Ruinen III.) Am Strande von Sorrent IV.) Neapolitanisches Volksleben für großes Orchester, welche ich voriges Jahr hier in München u. letzten Januar zweimal in Berlin (V. philharmonisches Concert Bülow’s) mit wirklich durchschlagendem Erfolge dirigirt habe. Die liebenswürdige Aufnahme, die mir in Leipzig allenthalben [1v] u. besonders von Ihrer Seite, verehrter Herr Consul, bereitet wurde, gibt mir den Muth zur Bitte, daß Sie die Aufführung eines oder des anderen Werkes im Gewandthause für nächste Saison freundlichst befürworten möchten.

»Wanderers Sturmlied« ist in sehr ernstem, polÿphonen Stÿl u. wird gewiß den Program̅en des Gewandthauses keine Schande machen, in der Mitte eines Program̅es wird es sich, glaube ich, sehr gut placiren, außerdem erfordert es einen ausgezeichneten, zahlreichen Chor, ein vorzügliches Orchester, was Wunder, daß da so ein Componist gleich an das Gewandthaus denkt.

Die italienische Fantasie ist dagegen geradezu ein Bravourstück für ein Orchester u. würde Ihnen sicher großen Spaß machen; sie ist sehr lustig, vielleicht allzu, [2r] doch Jugend hat ja bekan̅tlich keine Tugend, na, amüsiren würden sie sich jedenfalls.

Doch nun habe ich meine eigenen Kinder genug gelobt; also bitte, nehmen Sie sich, wie schon vorheriges Jahr, meiner wieder an, dann habe ich sicher keine Fehlbitte gethan.

Mit herzlichsten Grüßen

in ausgezeichnetster Hochachtung

Ihr ergebenster

Richard Strauss.

Daß Levi wegen hochgradiger Nervösität in (vorläufig) dreimonatlichem Urlaub u. jetzt zur Kur in der Kaltwasserheilanstalt Cannstadt ist, haben Sie wohl schon gehört. Bis jetzt hört man leider noch nichts von einer Besserung.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Stadtarchiv Leipzig (Leipzig), Signatur: Gewandhaus zu Lpz., Nr. 1849 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01849 (Version 2021‑04‑12).

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