Brief
Richard Strauss an Franz Wüllner
Dienstag, 30. Oktober 1888, München

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

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Hochverehrtester Herr Doctor!

Nun muß ich doch noch ein Mal kommen u. Sie belästigen; auf Ihre freundliche Nachricht, daß Sie meine italienische Fant. auf 8. Januar angesetzt haben, schrieb ich sofort nach Frankfurt u. bat dort um den 4. Januar, da ich absolut Frankfurt und Köln vereinigen muß. Müller schrieb zurück, der 4. sei unmöglich, bot mir aber den 18. Januar an. Nun kommt meine große Unbescheidenheit: können Sie, hochverehrter Herr Doctor, mein Concert nicht auf Mitte Januar, vielleicht 22., verlegen? Nur in diesem Falle könnte ich Frankfurt u. Köln besuchen; läßt sich’s nicht mehr machen, muß ich eine der beiden Städte wahrscheinlich aufgeben u. da nun selbstverständlich Köln, da ich daselbst, auch wenn ich nicht komme, mein Werk in den allerbesten Händen weiß. Nach Köln zu gehn, ist für mich nur Luxus, in Frankfurt muß ich meine Fantasie selber studieren u. dirigieren, Sie wissen schon!

Wenn es Ihnen noch möglich ist, meine Fantasie zu verlegen, wäre ich Ihnen riesig dankbar, denn ich käme doch gar zu gern auch nach Köln, aber Levi ist noch immer in Urlaub, soeben war ich in Dresden, wo ich das I. philharmonische Concert (meine alte Cmollconcertouvertüre, die Wagnersche Sinfonie) dirigierte, im Dezember soll ich nach Mannheim u. Berlin, im Januar Frankfurt u. Köln (wenn sich’s in höchstens 9 Tagen abmachen läßt), Ende März nochmals nach Dresden, Sie sehen: große Anforderungen an die Urlaubsfreigebigkeit Sr. Excellenz.1

Also: wenn es Ihnen möglich ist u. mit Tschaikowsky, glaube ich, geht, bitte ich um den 22. Januar2, möglich ist es immerhin, aber kaum wahrscheinlich, daß ich auch zum 8. kommen kann.

Verzeihen Sie meine Unbescheidenheit u. daß ich Ihnen immer wieder Mühe u. Plage bereite u. im Voraus tausend Dank, wenn es Ihnen möglich ist, die Sache noch zu richten.

Mit den herzlichsten Grüßen, auch von Papa, an Sie u. Ihre liebe, verehrte Familie

Ihr

dankbarst ergebener

Richard Strauß.

1Karl Freiherr v. Perfall, 1864–93 Münchener Hofmusikintendant, seit 1867 auch Hoftheaterintendant. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
2Tschaikowsky kam erst zum 8. Gürzenichkonzert am 12.2.1889 und dirigierte seine Suite Nr. 3 für gr. Orchester op. 55. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (Berlin), Signatur: Mus. ep. R. Strauss, 7 (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2011

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Richard Strauss / Franz Wüllner / Dietrich Kämper (Hrsg.): Richard Strauß und Franz Wüllner im Briefwechsel (= Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte, Bd. 51), Köln, 1963, S. 15. (Transkriptionsgrundlage)
  • Edition in Gabriele Strauss (Hrsg.): Lieber Collega! Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, Bd. 1 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 14), Berlin, 1996, S. 293–294.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01877 (Version 2021‑04‑12).

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