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Brief
Hans Bronsart von Schellendorf an Richard Strauss
Freitag, 19. Oktober 1888, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

[115]

Lieber Herr Strauss!

Für Herrn Zeller habe ich den »Lohengrin« auf den 18. November angesetzt. Der Joseph würde doch keinen Maßstab für die Beurteilung seiner Befähigung als Heldentenor bieten.

Ich möchte mir aber vorbehalten, daß wir Herrn Zeller einige Tage vorher, am 14. oder spätestens 15., auf der Bühne zur Probe singen hören, um zu entscheiden, ob sein Debut Aussicht auf Erfolg hat. Herr Zeller möchte also spätestens am 14., event. schon am 13. früh abreisen, um abends hier einzutreffen, damit er zum Probesingen ausgeruht ist. Auch wäre die Eventualität einer Erkältung auf der Reise vielleicht in Betracht zu ziehen; doch das überlasse ich ganz Ihrem Ermessen.

Die ihm zu gewährende Entschädigung würde davon abhängig sein, ob es nur zum Probesingen, oder auch zum Gastspiel kommt. Im ersteren Falle würde Herr Zeller außer dem Reisegeld nur den Aufenthalt für zwei Tage, im letzteren eine entsprechend höhere Summe erhalten.

Nach meinen Ermittlungen würde er am besten ein Rundreisebillet nehmen, und zwar auf der Hinreise über Würzburg – Ritschenhausen – Erfurt, auf der Rückreise über Saalfeld – Probstzella – Lichtenfels – Bamberg – Nürnberg, wofür sich der Preis II. Classe auf 52 oder 53 Mark stellt. Dennoch erhielte Herr Zeller, wenn er nur zur Probe singt 70 Mark, wenn er dagegen als »Lohengrin« auftritt 90 Mark in Summa, womit er sehr gut auskommen kann, wenn er einen einigermaßen billigen Gasthof wählt.

Ein späteres Auftreten ist kaum zu ermöglichen, da vom 21.–28. November das Ensemblespiel der Münchner stattfindet. Sehr bedauere ich, daß wahrscheinlich der Großherzog nicht anwesend sein wird, da Seine Königliche Hoheit erst Ende November dauernden Aufenthalt in Weimar nimmt.

Außerdem aber möchte ich Ihnen nicht verschweigen, daß ich gelegentlich meiner Anwesenheit in Wien einen Sänger geprüft habe, der mir hoffnungsvoller als Herr Zeller zu sein scheint, und jedenfalls fortgeschrittener ist. Derselbe wird im Februar oder März auf Engagement gastieren, und [116] ich möchte also die Entscheidung über Herrn Zeller – wenn dieselbe nicht etwa sogleich ungünstig ausfallen sollte – bis dahin hinausschieben.

Ich schreibe Ihnen das gleich ganz offen, damit Sie mit Herrn Zeller überlegen können, was am Besten seinem Interesse entsprechen dürfte. Mir soll es erwünscht sein, wenn ich die Wahl habe; eine Concurenz hätte ich mir ja unter allen Umständen vorbehalten müssen, kann jedoch nicht beurtheilen, ob die Verhältnisse Herrn Zeller gestatten, selbst im Falle eines günstigen Gastspielerfolges mit der Entscheidung noch circa 4 Monate zu warten.

Nimmt Herr Zeller meinen Vorschlag an, so sende ich ihm demnächst einen Contract in den üblichen Normen.

Mit herzlichem Gruß nur noch die Mitteilung, daß ich also bestimmt auf Ihre Beteiligung als Dirigent Ihrer »Italienischen Symphonie«1 bei der Wiesbadener Tonkünstlerversammlung (Ende Juni oder Anfang Juli) rechne, und Ihrer freundlichen definitiven Zusage sowie Angabe etwaiger Bedingungen demnächst ergebenst entgegensehe.

Hochachtungsvoll

Ihr ergebenster

v. Bronsart

1»Aus Italien«, op. 16. Sinfonische Fantasie für großes Orchester (UA 1887). [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt

    • Hände:

      • unbekannt
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Gabriele Strauss (Hrsg.): Lieber Collega! Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, Bd. 1 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 14), Berlin, 1996, S. 115–116. (Transkriptionsgrundlage)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02046 (Version 2021‑04‑12).

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