Brief
Hans Bronsart von Schellendorf an Richard Strauss
Sonntag, 24. März 1889, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

[135]

Lieber Herr Strauss!

Ich würde Ihre Fantasie1 ohne Weiteres auf den 27. ansetzen, wenn nicht dieses erste Concert die Gedächtnisfeier für Riedel2: das Brahms’sche Requiem enthalten sollte worauf dann, da der Chor schon beisammen (ist), Berlioz »Kindheit des Herrn«3 folgen muß. Indessen kann ich es vielleicht ermöglichen, daß das Concert mit Ihrer Fantasie schon am 28. stattfindet, in welchem Falle es sich ja nur um einen Tag Ihres späteren Eintreffens in Bayreuth handeln würde. Was die Symphonie von Draeseke4 betrifft, so habe ich Bedenken, dieselbe gerade für Wiesbaden, wo das Badepublicum nie (ein) großes Contingent für die Concertbesucher stellt, auf das Programm zu setzen, und würde Draeseke diesmal lieber durch das erste Finale seiner Oper »Gudrun«5 und vielleicht das Klavierquintett6 vertreten sehen. Die Symphonie könnte bei der Versammlung 1890 aufgeführt werden.

Es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß wir im nächsten Jahre in Freiberg musizieren, wo wir wohl fast ausschließlich auf Concertbesucher zu rechnen hätten, die auch Werke von solchem Ernst, und so zusagen Schroffheit, wie Draesekes tragische Symphonie, zu würdigen wissen. Ich möchte Sie um keinen Preis in Conflict mit Bayreuth bringen, bitte Sie aber, die Angelegenheit womöglich noch eine kurze Zeit in der Schwebe zu halten; es würde mir doch sehr leid tun, wenn wir Ihr Werk nicht unter Ihrer Leitung hören könnten.

Die hiesige Angelegenheit schreitet langsam ihrer Lösung entgegen, jedenfalls ist der Großherzog sehr erfreut von der Aussicht, Sie bald für Weimar gewonnen zu sehn.

Mit herzlichem Gruß

Ihr hochachtungsvoll ergebenster

v. Bronsart

1»Aus Italien«. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
2Karl Riedel (1827–1888), Chordirigent. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
3Die biblische Triologie »L’enfance du Christ« von Hector Berlioz (1803–1869). [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
4Felix Draeseke (1835–1913), Liszt-Schüler, Komponist, Germanische Operntetralogien, Sinfonik, Kammermusik, lebte in Dresden als Kompositionslehrer. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
5»Gudrun« (1879–1884), Oper von Felix Draeseke. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
6Quintett in B-Dur für Horn, Streichtrio und Klavier op. 48 (1888). [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt

    • Hände:

      • unbekannt
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Gabriele Strauss (Hrsg.): Lieber Collega! Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, Bd. 1 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 14), Berlin, 1996, S. 135. (Transkriptionsgrundlage)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02061 (Version 2021‑04‑12).

Versionsgeschichte (Permalinks)