Sie betrachten gerade die Version 2018-01-26 dieses Dokuments.
zur aktuellen Version

Brief
Richard Strauss an Franz Strauß
Sonntag, 31. Januar 1892, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan

Lieber Papa!

Die ganze Woche hatte ich sehr viel zu tun; letzten Sonntag zweiter »Tristan«: Zeller ausgezeichnet, bis zum Schluß stimmlich ausgehalten und großartig gespielt; Orchester wirklich wundervoll, Erfolg wie das erstemal, nur daß ich diesmal vor dem zweiten Akte stürmisch gerufen wurde, ebenso nach dem dritten.

Dienstag hatten wir »Freischütz«, Donnerstag »Wildschütz«, Samstag Konzert: Schubert h-moll, Beethoven: »Weihe des Hauses«, Humperdinck »Wallfahrt nach Kevlaar« mit Chor und Soli (Tibelti und Zeller); alles ging sehr gut: Frau Stern aus Dresden spielte G-dur-Konzert von Beethoven, wie ein richtiges Frauenzimmer, sauber, blaß, sentimental, ohne Stil; hat mir keine Freude gemacht.

Morgen gaukelt uns Alvary den »Tannhäuser« vor, Donnerstag »Tristan«; ich kann den Kerl mit seinem ewigen »Denken« und »Intentionen« nicht riechen!

Mittwoch zu Kaisers Geburtstag habe ich den Kaisermarsch gemacht, außerdem noch Klavierproben zu »Entführung« und »Wasserträger« gehalten. Das Neueste ist, daß es Rösch gelungen ist, Bülow und Wolff auseinanderzubringen. Ich habe nun gestern an Bülow einen großen Brief geschrieben und bin auf die Wirkung neugierig.

Gestern habe ich in einer Frau von Barby, früher Schülerin von Artôt, eine sehr nette, feine Dame als Gesangsschülerin bekommen; sonst geht es mir gut, wenn ich auch jetzt verwaist bin, da Brandt, Lassen und Gießen nach Hannover zur Erstaufführung von Frau von Bronsarts »Hiarne«1 gefahren sind. Mit meiner Gesundheit geht’s, bis auf Schmerzen im Fuß, am Ballen, die mich am Auftreten hindern, gut. Habt Ihr eben die Hanslicksche Kritik über »Don Juan« in Wien gelesen? Die soll ja köstlich sein, ich krieg’ sie nächstens. Der Erfolg in Wien scheint geteilt gewesen zu sein; Mahler (Hamburg) schickte mir gestern einen Brief seines neunzehnjährigen Bruders aus Wien, der sehr begeistert und eingehend mit großem Verständnis über das Werk, schreibt. Die Jungen gehn schon mit!

Daß mich Ritter besuchen will, freut mich riesig! Ich hoffe nur, daß ich ihm seine Opern ansetzen kann.

1Ingeborg von Bronsart, geb. Starck (1840–1913), die Gattin Hans von Bronsarts, schrieb Opern, Klavierwerke, Lieder u. a. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330 I, Strauss, 240a

    Bibliographie (Auswahl)

    • Edition in Richard Strauss / Willi Schuh (Hrsg.): Briefe an die Eltern 1882–1906, Zürich, Freiburg (Breisgau), 1954, S. 147–148. (Transkriptionsgrundlage)

    Zitierempfehlung

    Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02286 (Version 2018‑01‑26).