Brief
Richard Strauss an Pauline Strauss
Freitag, 12. November 1897, Barcelona

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan

Geliebtester Schatz!

Ich habe gestern einen enormen Erfolg gehabt: schon nach dem I. Satz der »Eroica« ging ein Sturm los, als wenn ich den größten Stier umgebracht hätte. »Guntramvorspiel« hat sehr gefallen, nach »Don Juan« wurde ich mit Toben 5mal gerufen und mußte das Stück da capo spielen. Das Orchester gut (bis auf Violin- und Cellosolis, die etwas faul waren), beim geringsten nicht ganz reinen Ton des Concertmeisters pfeift man wie in Italien sofort, ohne sich dadurch an der Freude des Ganzen irre machen zu lassen.

Das Concert endigte nach 12 Uhr! Da es den ganzen Tag gestern gestürmt und geschüttet hat, war das Concert nicht so voll, als wenn schönes Wetter gewesen wäre. Der Spanier geht bei Regen einfach nicht aus. Dies ist der echte Süden. Heute ist das Wetter etwas besser und bis morgen hoffe ich, daß es sich ganz aufmacht, da nur bei ganz schönem Wetter Sonntag ein kleines Stiergefecht stattfinden wird: ein sogenanntes »novillos« mit jungen Stieren, die nicht so viel Pferde umbringen, als die großen, starken. Dadurch wird die Sache auch weniger grauslich werden. Da ich viele Proben habe, heute Mittag von 1/2 2 bis 1/2 6 Uhr (um 7 Uhr ißt man) und abends wieder von 9–12 Uhr, tue ich eigentlich nichts anderes als schlafen, fressen, probieren und mit dem Spazierengehen sieht’s schlimm aus.

Ich habe gar keine Nachricht von Dir und hoffe daher, daß es Dir, mein Liebchen, und dem Bübchen gut geht, die liebe Schwiegermama glücklich angekommen und alles in schönster Ordnung ist!

Du reisest also Montag abend 1/2 11 Uhr ab und bist Dienstag abends 6 Uhr in Brüssel.

Vergiß nicht die Noten und Tannhäuser etc. Nimm eher ein Kleid und einen Hut zu viel als zu wenig mit, damit Du recht fesch und flott bist, nur tadellose Stiefel mitnehmen und kaufe Dir noch alles (Handschuhe etc.), was Du brauchst, denn in Brüssel ist’s teurer als in München. Wenn Du in Brüssel ankommst, frage nach Hotelomnibus, wenn keiner da ist und auch Dupont oder Khnopff nicht an der Bahn sein sollten, fahre per Droschke ins Hotel, wo geheiztes Zimmer soeben von mir bestellt ist.

Ich freue mich kolossal auf Dich und auf unsere schöne gemeinschaftliche Unternehmung. Sei hübsch praktisch, erkälte Dich nicht, laß Dir Cafe, Brötchen, alles vom Conducteur des Schlafwagens (2 M Trinkgeld) ins Coupée bringen, denn der stete Wechsel vom Coupée und frischer Luft macht leicht erkältet. Na, also auf frohes Wiedersehen!

Mit innigsten Küssen für Dich und den Buben

Dein R.

Grüße an alle!

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Franz Grasberger (Hrsg.) / Franz Strauss (Mitarb.) / Alice Strauss (Mitarb.): Der Strom der Töne trug mich fort: Die Welt um Richard Strauss in Briefen, Tutzing, 1967, S. 110–111. (Transkriptionsgrundlage)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02766 (Version 2018‑01‑26).

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