Brief
Franz Strauß an Richard Strauss
Donnerstag, 5. Februar 1891, München

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan

[1r]

Lieber Richard!

Der große Erfolg Deines Don Juan in Koeln hat uns große Freude gemacht, wir gratuliren Dir von ganzem Herzen. Der Erfolg in München, unter Fischers »energischer Leitung« wird wohl dem Kölner nicht nahe kom̅en, denn es ist eine reine Unmöglichkeit, daß unter einer solchen Leitung etwas ordentliches zu Tage gefördert werden kann. Ich denke jetzt schon mit großem Schrecken daran. Nah! Wir wollen seh’n! –

Sehr überrascht waren wir über den New Yorker Antrag. So verlockend der Geldpunckt ist, so wenig glaube ich daß es jetzt für Dich etwas gewesen wäre, es kann ja für spätere Zeit etwas sein, und da glaube ich auch nur vorübergehend, nicht für länger. Einen Wunsch jedoch hätte ich, nämlich: daß es in Deutschland bekannt würde, wenigstens würde ich an Deiner Stelle sorgen, daß es in der Lessmann’schen Zeitung erscheinen würde, und daß es in Weimar viel bekannt würde. Es ist einmal so in der Welt! Übermäßig bescheiden darf man nicht sein! Ich habe es an mir nur zu deutlich erfahren. – Erdmansdörfer, der, wie ich aus den »Neusten Nachrichten« gelesen, den an ihn ergangenen Ruf [1v] nach New York ausgeschlagen, hat Sorge getragen, daß man es überall erfährt.

Die Hanna hat uns aus Dresden geschrieben, daß Sie gut dort angekom̅en ist. Sie wird bis Freitag dort bleiben, und dann Samstag nach Staffelstein kom̅en, wird am Aschermittwoch hier eintreffen, Sie schreibt über ihren Weimarer Aufenthalt ganz entzückt. Wir haben ihr die Freude auch von Herzen gegönnt, sind aber froh, wenn sie wieder zu Hause sein wird!

Frln. v. Schehafzoff war länger hier als sie zuerst beabsichtigte. Wie sie bei uns auf Besuch war sagte sie uns, daß sie in zwei Tagen wieder abreisen werde, aber sie war über 8 Tage noch da, ohne daß wir etwas erfahren haben. Obwohl ich zweimal bei Leibenfrost war, habe ich weder Ritter noch sie getroffen. Heute Abend will ich wieder einen Versuch machen, ob ich Ritter dort treffe.

Vor einigen Tagen habe ich im wilden Gung’l-Concert Spitzweg gesprochen, wo er mir sagte, daß Bülow’s Briefe an ihn in schrecklicher Aufregung geschrieben sein müssen, und er übelster Laune sein muß, und er besonders über Deine Kunstrichtung aufgebracht ist. Ich muß [2r] gestehen, daß ich für Deine Berliner Reise wegen »Tod und Verklärung« bange bin, daß Bülow es auf einen Randal mit Dir abgesehen hat, was mir im höchsten Grade unangenehm wäre; denn bei allem darf man nicht vergessen, daß Du ihm doch viel zu danken hast. Ich bitte Dich lieber Richard, thue es mir zu liebe, und vermeide jeden Conflikt mit ihm, es ist für Dich ja keine Schande, wenn Du eine Grobheit von ihm ruhig hinnim̅st, es fällt die Schande ja doch auf ihn zurück. Auch ist er darüber verdrossen, daß Du gut zu Bayreuth stehst. Ich bitte wiederholt, bleibe ruhig. Spitzweg sagte mir, daß er zur Aufführung von »Tod etc« [Tod und Verklärung] nach Berlin ginge, und versprach, alles zu thun, um einen möglichen Skandal zu verhindern. – Ritter und Sonia meinten, Du sollst gar nicht zum Concert nach Berlin gehen, und einer Unannehmlichkeit, die man Dir vielleicht bereiten könnte, ausweichen. – Handle nach eigenem Gutdünken aber sei vorsichtich [sic], auch der Juden wegen.

Schreibe uns über Deine Cölner, Mainzer, Karlsruher, Berlin, überhaupt über die Concerte in denen Du mitwirkst ausführlich, wir haben ja sonst auch nichts von Dir.

Wie war die Tannhäuser Aufführung von Kniese davor?

[2v] So eben erhielt Mama von Jula aus Deidesheim eine Karte, worin sie mittheilt, daß sie mit einem Professor aus Göttingen – einem geborenen Tiroler – verlobt ist. – Sie ist ganz überglücklich. Mich freut es für sie, kom̅t sie doch aus der Nähe ihrer überspannten Mutter.

Lieber Richard lebe wohl! Gieb auf Deine Gesundheit acht. Seit einigen Tagen ist hier wieder die Influenza eingezogen, jedoch tritt sie nicht mehr so heftig auf.

Sei also vorsichtig, sollte sie bei euch auftreten.

Mama befindet [sich] ausgezeichnet wohl! Mir geht es auch seit einigen Tagen mit meinem Husten etwas besser, jedoch noch nicht ganz gut, wird aber, hoffe ich, wenn es wärmer wird gut werden.

Schreibe bald und sei herzlich von uns gegrüßt.

Dein

treuer Papa.

Herzliche Grüße an alle Weimarer Bekanndte [sic].

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [ELTERN AN RICHARD STRAUSS 1883–1902, Nr. 75] (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Franz Strauß (handschriftlich)
    • Autopsie: 2017-07-25

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Franz Grasberger (Hrsg.) / Franz Strauss (Mitarb.) / Alice Strauss (Mitarb.): Der Strom der Töne trug mich fort: Die Welt um Richard Strauss in Briefen, Tutzing, 1967, S. 61–62.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d03044 (Version 2018‑07‑09).