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Brief
Ernst von Schuch an Richard Strauss
Mittwoch, 9. Juni 1909, Dresden

relevant für die veröffentlichten Bände: I/4 Elektra

[1r]

Hochverehrter lieber Freund

½ Stunde vor der 12t[en] Electra[‑]Aufführung. Leider ist das nicht nur für Sie, sondern auch für uns zu wenig. Schuld trägt aber nur Frau Krull, die mindestens 8–10 Tage zwischen jeder Aufführung Erholung haben will und auch nichts anderes dazwischen singen will. Viermal mindestens [1v] haben wir die Oper deshalb absetzen müssen – zwei Mal fanden wir Ersatz. Also sind Sie deshalb nicht böse, wir und die Kasse sind die Leidtragenden. Das wird nächste Saison besser – denn auch für »Salome« mussten wir eine Gästin kom̅en lassen.

Mein Arm ist noch im̅er nicht viel besser – es sind nun bald 4 Monate seit der Electravorstellung, wo ich im Uebereifer mir eine [2r] Muskelzerrung mit Bluterguss im Schultergelenk zuzog. Durch zu grosses Schonen des Armes hat sich die […]Schulter versteift und wird jetzt durch passive Bewegung unter grossen Schmerzen täglich der Arm und das Gelenk gelockert. Ich hoffe sehr viel von den warmen Bädern in Gastein, wohin ich am 25[.] Juni gehe – auch dort muss ich Turnübungen fortsetzen. Von Guntram hätte ich gerne eine Partitur od. Klavierauszug [2v] u. Textbuch, so wie sie [sic] die Oper jetzt aufgeführt haben wollen. Ist Bühneneinrichtung complicirt?

Sie fragen, ob ich Sie diesen Som̅er besuche? Da muss ich erst abwarten, dass Sie wieder milder gestim̅t sind; ich kom̅e natürlich mit Freuden Anfang August auf dem Rückweg aus Tirol oder auch zu jeder anderen Zeit. Jetzt noch eine sehr heikle Angelegenheit. Fräulein de Ahna war mit Ihrem Brief bei uns, hat meiner Frau u. mir vieles vorgesungen – der überaus sympatischen [sic] liebenswürdigen Dame konnte ich nichts Kränkendes ins Gesicht sagen – kann mich aber [3r] durchaus nicht erinnern[,] ihr Hoffnung auf Carriere gemacht zu haben – trotzdem erzälte [sic] das Fräulein, auch dem Grafen Seebach, dass meine Frau und ich von Ihren stim̅lichen und musicalischen Qualitäten entzückt gewesen seien. Leider war das nicht in dem Grad der Fall, wohl aber waren wir von der bestrickenden Liebenswürdigkeit sehr angenehm berührt. Ich schickte die Dame zu einer von mir sehr verehrten Gesanglehrerin – aber – sie soll doch nicht nochmal [3v] anfangen, nicht wahr?

Eben erklärte Frau Krull: »Die Electra kann ich aber jetzt vor den Ferien nicht mehr singen« – sie fürchtet im̅er für ihre Stimme – gerade wie früher die Wagnersängerinnen[.] Wer aber mit seiner Stimme gut umgehen kann, dem schadet – meiner Ansicht nach – auch Electra nicht. Frl. Siems hat z. B. [4r] gestern noch in »Dame […]Kobold[«] die grosse Parthie gesungen und heute die Chrysothemis – und ist wunderbar bei Stimme.

Etwas eilig in alter Liebe und Verehrung der gestrengen Freundin die lieben Pratzerln küssend
Ihr
getreuester Bewunderer
E Schuch
geschlossen nach der Electra. Dame Kobold ist für alle diejenigen, die Così fan [tutte] nicht kennen, prächtig.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Sebastian Bolz, Adrian Kech

Quellennachweis

  • Original: Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen) (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Ernst von Schuch (handschriftlich)
    • Autopsie: 2016-11-16

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Gabriella Hanke Knaus (Hrsg.), Richard Strauss – Ernst von Schuch: Ein Briefwechsel (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 16), Berlin, 1999, S. 144–145.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d04583 (Version 2021‑09‑30).

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