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Brief
Friedrich Rösch an Richard Strauss
Sonntag, 20. Oktober 1889

relevant für die veröffentlichten Bände: III/5 Don Juan
[1r]

Berlin. W. 9.
Röthenerstr. 48/III.

Lieber Freund!

Nochmals meinen aufrichtigsten u. herzlichsten Dank für die herrlichen Weimarer Tage, die durch Deine u. Sonia’s Freundschaft für mich zu so schöner Erin̅erung geworden sind! Ebensolchen Dank auch für die famose Einführung bei Herrn v. B. [von Bülow]! [1v] B. [Bülow] nahm mich sehr liebenswürdig auf, erin̅erte sich meiner noch vom letzten Winter her, erkundigte sich angelegentlich nach Dir u. Sonia, u. trug mir specielle Grüße an Dich auf. Daß ich verschiedene, gerade sehr günstigen Gelegenheiten wahrnahm, für Deine letzten sÿmphonischen Dichtungen bei ihm Stim̅ung zu machen, kan̅st Du Dir wohl denken. Mit »Macbeth« ist, wie ich mich nunmehr persönlich überzeugt habe, bei Herrn v. B. [von Bülow] definitiv [2r] nichts auszurichten. Ganz natürlich! Erklärte er mir doch neulich, mit Bezugnahme auf Deinen »Macbeth« im Vergleich zu … (Gott, wie heißt!) … Mendelssohn’s »Melusinen- Ouvertüre«: er habe mit zunehmenden Jahren im̅er mehr den hohen ästhetischen Wert der »schönen Form« schätzen gelernt u. schließlich die feste künstlerische Überzeugung gewon̅en, daß die Musik überhaupt nie aufhören dürfe »schön« zu sein, u. s. w., wie sonst noch alle die abge[2v]leierten, begriffs-verwirrten Hanslick’schen Phrasen heißen mögen. – Dagegen glaube ich sicher, daß er nunmehr für Deinen »Don Juan« zuverlässig gewon̅en ist, u. daß er auch später eventuell für »Tod u. Verklärung« leicht zu haben sein wird. Übrigens nebenbei bemerkt: eine Probe für »Don Juan« hat bis jetzt noch nicht stattgefunden; vor dem 12. ds. [hier: Oktober] war überhaupt keine Probe.

Das erste Bülow’sche Concert (Meistersinger[3r]vorspiel, Klavierconcert, Bdur, von Brahms, überraschend schön gespielt von d’Albert, u. Eroica) am 14. ds. [hier: Oktober] verlief im Ganzen sehr gelungen; doch fand ich Herrn v. B. [von Bülow] etwas – wohl vom Hamburger Musikfest her – abgespan̅t u. ermüdet. Vielleicht war er auch durch das alte Program̅ gelangweilt. In den Proben dagegen erschien er mir lebhaft u. jugendkräftig, wie im̅er. In der ersten Probe kon̅te er es sich nicht versagen, vor Begin̅ [3v] des Meistersingervorspiels eine kleine boshafte Bemerkung gegen das »allein selig machende Bayreuth« vom Stappel zu lassen. Nun, das kan̅ man ihm verzeihen. Bieten ja doch sonst keine Proben so unendlich viel Anregendes, Neues u. Bedeutendes! –

Von Sonja [sic] erhielt ich gestern einen sehr netten Brief mit ganz vorzüglichen Nachrichten. –

An Onkel Ritter habe ich schnöder Mensch im̅er noch nicht geschrieben! Mir [4r] wird ganz angst vor seinem Zorn. Vielleicht kom̅e ich endlich morgen dazu. Ich habe eben leider noch im̅er zu viel mit meiner neuen Wohnung, Auspacken u. Einräumen, u. sonstigen Plackereien zu thun.

Ende der Woche wird Herr v. B. [von Bülow] bereits wieder zu seinem 2. Concert ankom̅en. Dan̅ gibt es doch wieder etwas zu »leben«. –

Leb’ recht wohl u. bleibe mir gut!

In treuer Freundschaft

Dein aufrichtig ergebener

Fr. Rösch.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [RÖSCH, ohne Signatur] (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Friedrich Rösch (handschriftlich)
    • Autopsie: 2017-07-25

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d30586 (Version 2021‑04‑12).