Edierter Liedtext | Textvorlage bei Komposition |
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Von den sieben Zechbrüdern | Von den sieben Zechbrüdern. |
(Ludwig Uhland) | [Ludwig Uhland] |
Ich kenne sieben lust’ge Brüder, | Ich kenne sieben lustge Brüder, |
sie sind die durstigsten im Ort; | Sie sind die durstigsten im Ort; |
die schwuren höchlich, niemals wieder | Die schwuren höchlich, niemals wieder |
zu nennen ein gewisses Wort, | Zu nennen ein gewisses Wort, |
in keinerlei Weise, | In keinerlei Weise, |
nicht laut und nicht leise. | Nicht laut und nicht leise. |
Es ist das gute Wörtlein Wasser, | Es ist das gute Wörtlein Wasser, |
darin doch sonst kein Arges steckt. | Darin doch sonst kein Arges steckt. |
Wie kommt’s nun, dass die wilden Prasser | Wie kommts nun, daß die wilden Prasser |
dies schlichte Wort so mächtig schreckt? | Dies schlichte Wort so mächtig schreckt? |
Merkt auf! ich berichte | Merkt auf! ich berichte |
die Wundergeschichte. | Die Wundergeschichte. |
Einst hörten jene durst’gen Sieben | Einst hörten jene durstgen sieben |
von einem fremden Zechkumpan, | Von einem fremden Zechkumpan, |
es sei am Waldgebirge drüben | Es sei am Waldgebirge drüben |
ein neues Wirthshaus aufgethan, | Ein neues Wirthshaus aufgethan, |
da fliessen so reine, | Da fließen so reine, |
so würzige Weine. | So würzige Weine. |
Um einer guten Predigt willen | Um einer guten Predigt willen |
hätt’ keiner sich vom Platz bewegt; | Hätt’ keiner sich vom Platz bewegt: |
doch, gilt es, Gläser gut zu füllen, | Doch, gilt es, Gläser gut zu füllen, |
sind die Bursche gleich erregt. | Dann sind die Bursche gleich erregt. |
„Auf, lasset uns wandern!“ | „Auf, laßet uns wandern!“ |
Ruft einer dem Andern. | Ruft einer dem Andern. |
Sie wandern rüstig mit dem Frühen. | Sie wandern rüstig mit dem Frühen; |
Bald steigt die Sonne drückend heiss, | Bald steigt die Sonne drückend heiß, |
die Zunge lechzt, die Lippen glühen, | Die Zunge lechzt, die Lippen glühen |
und von der Stirne rinnt der Schweiss. | Und von der Stirne rinnt der Schweiß: |
Da rieselt so helle | Da rieselt so helle |
vom Felsen die Quelle. | Vom Felsen die Quelle. |
Wie trinken sie in vollen Zügen! | Wie trinken sie in vollen Zügen! |
Doch als sie kaum den Durst gestillt, | Doch als sie kaum den Durst gestillt, |
bezeugen sie ihr Missvergnügen, | Bezeugen sie ihr Mißvergnügen, |
dass hier nicht Wein, nur Wasser quillt: | Daß hier nicht Wein, nur Wasser quillt: |
„O fades Getränke! | „O fades Getränke! |
O ärmliche Schwenke!“ | O ärmliche Schwenke!“ |
In seine vielverwobnen Gänge | In seine vielverwobnen Gänge |
nimmt jetzt der Wald die Pilger auf. | Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf. |
Da stehn sie plötzlich im Gedränge, | Da stehn sie plötzlich im Gedränge, |
verworrnes Dickicht hemmt den Lauf. | Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf: |
Sie irren, sie suchen, | Sie irren, sie suchen, |
sie zanken und fluchen. | Sie zanken und fluchen. |
Derweil hat sich in finstre Wetter | Derweil hat sich in finstre Wetter |
die schwüle Sonne tief verhüllt; | Die schwüle Sonne tief verhüllt; |
schon rauscht der Regen durch die Blätter, | Schon rauscht der Regen durch die Blätter, |
es zuckt der Blitz, der Donner brüllt; | Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt; |
dann kommt es geflossen, | Dann kommt es geflossen, |
unendlich ergossen. | Unendlich ergossen. |
Bald wird der Forst zu tausend Inseln, | Bald wird der Forst zu tausend Inseln, |
zahllose Ströme brechen hervor; | Zahllose Ströme brechen vor; |
hier hilft kein Toben, hier hilft kein Winseln, | Hier hilft kein Toben, hilft kein Winseln: |
er muss hindurch, der edle Chor. | Er muß hindurch, der edle Chor. |
O gründliche Taufe! | O gründliche Taufe! |
O köstliche Traufe! | O köstliche Traufe! |
Vor Alters wurden Menschenkinder | Vor Alters wurden Menschenkinder |
verwandelt oft in Quell und Fluss; | Verwandelt oft in Quell und Fluß: |
auch unsre sieben arme Sünder | Auch unsre sieben arme Sünder |
bedroht ein gleicher Götterschluss. | Bedroht ein gleicher Götterschluß: |
Sie triefen, sie schwellen, | Sie triefen, sie schwellen, |
als würden sie Quellen. | Als würden sie Quellen. |
So, mehr geschwommen, als gegangen, | So, mehr geschwommen, als gegangen, |
gelangen sie zum Wald hinaus; | Gelangen sie zum Wald hinaus, |
doch keine Schenke sehn sie prangen, | Doch keine Schenke sehn sie prangen: |
sie sind auf gradem Weg nach Haus; | Sie sind auf gradem Weg nach Haus: |
schon rieselt so helle | Schon rieselt so helle |
vom Felsen die Quelle. | Vom Felsen die Quelle. |
Da ist’s, als ob sie rauschend spreche: | Da ists, als ob sie rauschend spreche: |
„Willkommen, saubre Brüderschaar! | „Willkommen, saubre Brüderschaar! |
Ihr habt geschmähet, thöricht Freche, | Ihr habt geschmähet, thöricht Freche, |
mein Wasser, das euch labend war. | Mein Wasser, das euch labend war: |
Nun seid ihr getränket, | Nun seid ihr getränket, |
dass ihr daran denket.“ | Daß ihr daran denket.“ |
So kam es, dass die sieben Brüder | So kam es, daß die sieben Brüder |
das Wasser fürchteten hinfort | Das Wasser fürchteten hinfort |
und dass sie schwuren, niemals wieder | Und daß sie schwuren, niemals wieder |
zu nennen das verwünschte Wort, | Zu nennen das verwünschte Wort, |
in keinerlei Weise, | In keinerlei Weise, |
nicht laut und nicht leise. | Nicht laut und nicht leise. |
relevant für die veröffentlichten Bände: II/4 Lieder op. 46 bis op. 56