Lieder mit Klavierbegleitung op. 31 bis op. 43
Einleitung

Einleitung

Nachdem er sich von früher Kindheit an in diesem Kompositionsfeld geübt hatte,1 war Richard Strauss mit seinen rund 40 Liedern op. 10 bis op. 29, entstanden 1885–1895, in die vordere Reihe der Liedkomponisten aufgestiegen. Er hatte in dieser Zeit etliche Lieder geschaffen, die sich rasch großer Beliebtheit erfreuten und bis heute zum Standardrepertoire gehören. Strauss selbst war sich seines Erfolges bewusst. So schrieb er am 7. Februar 1896 im Zuge der Honorarverhandlungen zu den Liedern op. 31 an den Verleger Adolph Fürstner: »Lieber Herr Fürstner! Es ist kein Irrtum, daß ich jetzt 300 M. für ein Lied verlange. Meine Lieder haben allmählich mehr u. mehr Glück, werden gesungen, gefallen allenthalben u. da habe ich dann etwas ›aufgeschlagen‹ im Preise.«2

Letztlich wurde man sich handelseinig – zur Drucklegung der Lieder op. 31 später mehr. Dabei achteten Strauss und seine Verleger bei den Liedern op. 31 bis op. 43, die der vorliegende Band enthält, stärker als bei früheren Liedern auf eine möglichst optimale Wirkung der Publikationen: Dass Strauss’ Lieder bereits in der Erstausgabe auch mit englischem Gesangstext erschienen,3 außerdem von Beginn an zusätzlich in Transpositionen für andere Stimmlagen, entwickelte sich zum Standardfall (die vorliegende Ausgabe präsentiert die Lieder in originaler Stimmlage und mit originalem Gesangstext). Des Weiteren war man ab Opus 27 dazu übergegangen, die Lieder nur noch einzeln auf den Markt zu bringen, nicht mehr in Heften, die mehrere oder alle Lieder eines Opus enthielten; Strauss hatte bei seinem Verlegerfreund Eugen Spitzweg darauf hingewirkt.4 Spitzweg und der von ihm geleitete Münchner Verlag Jos. Aibl sind zu dieser Zeit noch als Strauss’ verlegerischer Hauptpartner anzusehen. Von den im vorliegenden Band enthaltenen Liedern erschienen dort die Opera 32, 36 und 37. Doch streckte Strauss seine Fühler mehr und mehr auch in Richtung anderer Verlage aus. Neben dem Verlag Adolph Fürstner, mit dem Strauss bereits 1890/91 bei den Mädchenblumen-Liedern op. 22 zusammengearbeitet hatte und der nun die Lieder op. 31 herausbrachte, waren dies die Verlage Rob. Forberg (Opus 39), F. E. C. Leuckart (Opus 41) und C. A. Challier & Co. (Opus 43).

Hinzu traten Sonderdrucke von Strauss-Liedern, etwa eine wohl zeitnah zum Erstdruck bei Jos. Aibl als Beilage erschienene Einzelausgabe des Liedes Meinem Kinde op. 37 Nr. 3 in Typendruck.5 Ganz besonders aber sind zwei Lieder zu nennen, die in der damals brandneuen Zeitschrift Jugend publiziert wurden: eine Fassung des Liedes Wenn … op. 31 Nr. 2 in eigens angefertigtem und in optimierter Typendruck-Technik ausgeführtem Notensatz (siehe Faksimile), die am 25. Januar 1896 im Heft Nr. 4 der Jugend erschien, sowie das Lied Wir beide wollen springen im Heft Nr. 42 vom 17. Oktober 1896. Hierbei handelt es sich um eine besondere Publikation, denn das Lied erschien als Faksimiledruck der autographen Reinschrift von Richard Strauss mit einem opulent illustrierten Zierrahmen des Künstlers Julius Diez (siehe Faksimile). Auf diese Weise wurde nicht nur der musikalische Inhalt publik gemacht, sondern – unterstützt durch die zu Otto Julius Bierbaums Liedtext passende Illustration – Strauss’ sauber gestaltetes Autograph mit seiner charakteristischen, feingliedrigen Notenschrift als gewissermaßen kalligraphisch-zeichnerisches Kunstwerk erfahrbar. So hatte die Öffentlichkeit bis dahin ein Strauss-Lied nicht kennengelernt. Christian Schaper hat die Kontexte dazu eingehend untersucht.6 Notwendige quellenspezifische Ergänzungen dazu werden im Kritischen Bericht unter »Quellenbewertung« mitgeteilt.

Ebenso als Faksimiledruck des Autographs erschien das mit »Charlottenburg, 8. Dezember 1899« datierte Lied Weihnachtsgefühl, diesmal im Heft Nr. 41 der Berliner Zeitschrift Die Woche vom 23. Dezember 1899. Die Edition dieser charmanten Komposition rundet den vorliegenden Band nach dem gewichtigen Lied Die Ulme zu Hirsau op. 43 Nr. 3 ab. So klein das Weihnachtsgefühl ist, so groß ist die Diskussion, die es begleitet: Da Max Steinitzer in seiner Strauss-Biographie von 1911 ein Incipit in Des-Dur angibt (Tonart der Publikation ist Es-Dur) und das Lied als ungedrucktes Jugendwerk von 1879 einordnet (ergänzt um die Angabe »Manuskript im Besitze des Herrn Kommerzienrat Georg Pschorr«7), ist die Entstehungszeit in der Strauss-Forschung mehrfach erörtert worden. Erich H. Müller von Asow schreibt in seinem Strauss-Werkverzeichnis:

»Vermutlich handelt es sich um eine Überarbeitung und Transposition des älteren Liedes, das Steinitzer in Des-Dur zitiert. Steinitzer hat das Lied unter die Kompositionen des Jahres 1879 eingereiht. Gegen diese frühe Datierung sprechen verschiedene Gründe, einmal die Führung der Singstimme und die Harmonik des Liedes, zum anderen die eindeutige handschriftliche Datierung des Komponisten. Das Faksimile hat Steinitzer nicht gekannt.«8

Barbara Petersen konstatiert: »Aus stilistischen Gründen dürfte das Faksimile von 1899 eher die Überarbeitung eines früheren Liedes darstellen als eine Originalkomposition aus dem Jahre 1899 […].« Sie führt weiterhin aus, dass das dem Lied zugrundeliegende Gedicht von Martin Greif erstmals 1868 erschienen und somit eine Komposition 1879 möglich sei. Eine Strauss-Skizze von »ca. 1903« für ein Chorwerk Der fromme Hirtenknabe auf Grundlage eines Weihnachtsgedichts von Greif wiederum spräche »eher für die spätere Entstehung« des Liedes; ferner hätten sich Greifs Gedichte um die Jahrhundertwende wohl einer »allgemeinen Beliebtheit« erfreut, »da sein Buch der Lyrik damals in mehreren Ausgaben erschien und 1895/96 seine gesammelten Werke veröffentlicht wurden«.9 Reinhold Schlötterer schließlich vermutet, das Lied sei »vielleicht nur [die] Überarbeitung einer früheren, jetzt nicht mehr auffindbaren Komposition«, weil »Strauss nach 1890 keine Texte mehr aus dem Münchner Dichterkreis vertonte […]; eine Greif-Vertonung im Jahre 1899 wäre die einzige Ausnahme.«10

Überlegungen und Stilkritik dieser Art leuchten ein, denn in seiner Simplizität und Kürze fällt Weihnachtsgefühl im Vergleich zu anderen Strauss-Liedern um 1900 aus dem Rahmen. Doch ist zu bedenken, dass sich in Strauss’ Handbibliothek im Garmischer Richard-Strauss-Archiv ein Gedichtband mit dem hier vertonten Gedicht von Martin Greif findet, der als Textvorlage der Komposition gedient haben dürfte.11 Diese Ausgabe ist 1895 erschienen; eine frühere Komposition des Liedes ist somit unwahrscheinlich. Zudem erwähnt Strauss das Lied am 25. Dezember 1899 in einem Brief an seine Eltern und sendet es ihnen sogar als Beilage: »Anbei schicke ich Euch ein kleines Weihnachtslied, das ich für die Woche gemacht hab.«12 Das klingt nicht so, als beziehe sich Strauss lediglich auf die Wiederaufbereitung einer womöglich gar 20-jährigen Altware.

Wie schon früher war es die Gedichtlektüre, die Strauss zu seinen Liedern inspirierte. Davon künden die für die Lieder op. 31 bis op. 43 zahlreich erhaltenen Gedichtbände aus seiner Handbibliothek, die Strauss als Textvorlage verwendete. Man erkennt dies an etlichen Eintragungen des Komponisten: oft nur ein Kreuzchen oder Strichlein, um sich ein Gedicht anzumerken, manchmal aber auch erste musikalische Skizzen, insbesondere Vermerke zu Tonarten und Harmoniefolgen.13 Die Liedkomposition begann also, noch während Strauss den Gedichtband in Händen hielt.14 Dabei setzte sich eine Tendenz fort, die mit den Liedern op. 27 nach dreijähriger Pause in der Liedkomposition begonnen hatte: Strauss konzentrierte sein Interesse auf Dichter der jüngeren Generation.15 Abgesehen von Himmelsboten zu Liebchens Himmelbett op. 32 Nr. 5 nach einem Text aus Des Knaben Wunderhorn, den Vier Liedern op. 36 nach Texten von Friedrich Gottlieb Klopstock, Friedrich Rückert und wiederum aus Des Knaben Wunderhorn16 sowie den bezeichnenderweise als Drei Gesänge älterer deutscher Dichter betitelten Liedern op. 43 nach Texten von Klopstock, Gottfried August Bürger und Ludwig Uhland stammen alle in den Liedern des vorliegenden Bandes vertonten Gedichte von Autoren, die ungefähr Strauss’ Alter hatten oder zumindest Zeitgenossen waren. Neben Martin Greif sind das Otto Julius Bierbaum, Emanuel v. Bodman, Carl Busse, Richard Dehmel, Gustav Falke, Karl Henckell, Detlev v. Liliencron, Anton Lindner, John Henry Mackay und Christian Morgenstern. Auch Wilhelm Arent gehört in diese Reihe; das von Strauss 1896 entworfene Arent-Lied Vorüber ist der Graus der Nacht TrV 178 erreichte aber nur das Skizzenstadium. Reinhold Schlötterer schreibt: »Die jungen Dichter verstanden sich als Bannerträger einer revolutionären Moderne, wie viele programmatische Manifeste oder eine Anthologie Moderne Dichtercharaktere (in zweiter Auflage Jungdeutschland) unübersehbar bekunden.« In Strauss hätten sie einen »ebenbürtigen Streiter auf dem Gebiete der Musik« gesehen.17 Schlötterer stellt jedoch fest, dass Strauss bei der Textauswahl »innerhalb der ›Moderne‹ […] eine Grenze« zog:18

»[…] sein Interesse reichte bis zur rhythmischen Prosa eines O. J. Bierbaum […], bis zur schwelenden Emphase von Mackays Verführung und bis zur Soziallyrik Dehmels und Henckells (Der Arbeitsmann, Das Lied des Steinklopfers), aber an der radikaleren Stufe der Sprachkunst eines Arno Holz versuchte er sich nicht, er hielt sie wohl, wie auch die Lyrik Rainer Maria Rilkes, für nicht komponierbar.«19

Mit einigen Dichtern pflegte Strauss persönlichen Austausch, etwa mit Otto Julius Bierbaum. Dieser ließ Strauss in einem Brief auch Richard Dehmels Gedicht Stiller Gang, vertont im gleichnamigen Lied op. 31 Nr. 4, handschriftlich und mit dem Vermerk »(ungedruckt)« exklusiv zukommen. Bei Bierbaums eigenem Gedicht, das Textgrundlage für das Lied Wir beide wollen springen war, muss es ebenso gewesen sein, denn gedruckt wurde es erstmals »zu Weihnachten 1896« im von Bierbaum herausgegebenen Kalenderbuch Der Bunte Vogel von 1897, als das Lied bereits in der Zeitschrift Jugend publiziert war;20 der Wortlaut der Gedichtpublikation weicht vom Liedtext ab. Bei der Komposition von Herr Lenz op. 37 Nr. 5 nach einem Text von Emanuel v. Bodman ist ebenfalls von einer Manuskriptvorlage auszugehen, wie auch Schlötterer annimmt.21 Interessant ist, dass beide Lieder auf derselben, in der Münchner Stadtbibliothek aufbewahrten Skizze entworfen wurden, Wir beide wollen springen hier noch mit dem Arbeitstitel Es ging ein Wind versehen.22 Womöglich erhielt Strauss deren Textvorlagen zur gleichen Zeit. Bei Anton Lindners Hochzeitlich Lied (vertont als op. 37 Nr. 6) dürfte Strauss den Text ebenfalls als Manuskript erhalten haben; allerdings könnte es auch sein, dass er ihn in einer Zeitschrift fand, die nicht eruiert werden konnte.23 Immerhin ist zu diesem Lied eine briefliche Reaktion des Dichters erhalten. So schrieb Lindner im Januar 1900 an Strauss:

»Ihre Vertonung des Hochzeitlichen Lieds hat mich herzlichst gefreut. Bis jetzt hat sich hier kein Sänger an diese Schöpfung herangewagt. Und es ist gut so. Denn zwischen electrischem Glühlicht, Brillanten u. Ballfächern ist die Hundesentimentalität der Ach- und Oh-Lieder weit besser am Platze. Nun muß ich aber doch sehr bald daran gehen, Ihnen einige meiner Gedichte, um die Sie mich s[einer]z[ei]t ersucht haben, abzuschreiben. Veröffentlicht habe ich fast gar nichts davon, denn es freut mich nicht, gelesen zu werden.«24

Strauss vertonte keinen weiteren Text von Lindner – so »herzlichst« sich dieser vielleicht erneut gefreut hätte. Solche Freude stellte sich übrigens nicht bei allen Dichtern ein. Richard Dehmel veröffentlichte auf Strauss’ Lied Befreit op. 39 Nr. 4 hin eine Offenherzige Erklärung, in der er dem »musikliebenden Publikum« in säuerlichem Ton seine Werkintention darlegte, beginnend mit der Feststellung: »Richard Strauss hat folgendes Gedicht von mir in eine Musik gesetzt, die für diesen Text zwar etwas zu weich ist, den meisten Leuten aber besser gefällt als seine spröderen Lieder und deshalb oft im Konzertsaal vorgetragen wird«.25 Bereits zum Lied Mein Auge op. 37 Nr. 4, in der autographen Stichvorlage datiert mit »München, 16. April 1898«, hatte Dehmel an Strauss geschrieben, in diesem Fall nicht an der Vertonung, sondern am eigenen Text Kritik übend. Dass dies bereits am 22. April 1898 geschah, ist bemerkenswert; ganz offensichtlich hatte Strauss den Dichter schon während des Druckprozesses über das Lied in Kenntnis gesetzt. In Dehmels Brief heißt es:

»Verehrter Herr Strauß! Anbei, unter Kreuzband, erhalten Sie meine neue Auflage Erlösungen.26 Bitte bitte, schmeißen Sie die erste Auflage ins Feuer, damit Sie nicht wieder in die Versuchung kommen, Gedichte wie mein Auge zu componiren. Es ist eines meiner unreifsten; mir drehen sich die Därme im Leibe um, wenn ich nur daran denke. Diese gräßlichen Satzverrenkungen, diese schiefen Bilder und breitgetretenen Nebendinge! – Bitte, thun Sie mir die Liebe und schicken Sie mir schleunigst eine Abschrift Ihrer Composition; ich werde dann versuchen, den Text in Anlehnung an Ihre Noten etwas erträglicher zu gestalten. Da wir Beide über die Jahre der Jugendeseleien hinaus sind, brauche ich mich wegen dieses Wunsches wo[h]l nicht erst zu entschuldigen; Sie haben sich wahrscheinlich durch das innige Gefühl des Dingelchens rühren lassen, aber dies allein genügt nicht vor dem Richterstuhl der Schönheit.«27

In der Tat enthielten die folgenden Auflagen von Dehmels Gedichtband Erlösungen das ungeliebte Mein Auge nicht mehr. Doch im Lied kam es zu keiner Textänderung, obwohl Dehmel sein Anliegen am 26. April 1898 noch einmal bekräftigt und um einen »Correcturbogen« gebeten hatte.28

Grundsätzlich konnten sich die zeitgenössischen Dichter über Strauss’ Umgang mit ihren Texten nicht beklagen. So stellt Barbara Petersen fest: »Für einen Liedkomponisten geht Strauss mit den Texten der Dichter sehr sorgfältig um. Nur selten verändert er die Texte so, daß sie der Absicht des Dichters zuwiderlaufen, den Sinn entstellen oder das Reimschema zerstören.«29 Doch natürlich kam es zu kompositionsbedingten Wort-, Vers- oder Strophenwiederholungen – Stilmittel, ohne die es oft auch kaum möglich wäre, ein Gedicht in ein musikalisch überzeugend strukturiertes Lied zu verwandeln. Auch darf man Petersens Feststellung nicht so interpretieren, als habe Strauss die Texte mit geradezu philologischem Fingerspitzengefühl angefasst; das zeigen nicht nur inhaltlich signifikante Wortänderungen, sondern auch zahlreiche Fälle, in denen Strauss bei Orthographie und Interpunktion von der Gedichtvorlage abwich.30 Die Dokumentation der Gesangstexte auf der Online-Plattform www.richard-strauss-ausgabe.de gibt dazu sowie zur Identifizierung der konkreten Textvorlagen detailliert Auskunft.31

Die Lieder op. 31 bis op. 43 (inkl. Weihnachtsgefühl) entstanden in einer Schaffensphase, in der sich Strauss intensiv mit der Gattung Lied auseinandersetzte.32 Allein der Blick auf die Datierungen zeigt dies eindrücklich. Hatte sich die Komposition der Lieder op. 10 bis op. 29 auf zehn Jahre erstreckt,33 entstanden die ebenso umfangreichen Opera 31 bis 43 in gerade einmal der Hälfte der Zeit: von 1895 bis 1899. Zudem begann Strauss damals damit, etliche seiner Klavierlieder für Orchester zu instrumentieren, um sie für große Konzerte aufzubereiten, bei denen etwa auch seine Tondichtungen gespielt wurden.34 Hinzu trat die Komposition genuiner Gesänge für Singstimme und Orchester.

Die Lieder wurden dabei häufig von Strauss selbst als Dirigent und Klavierbegleiter dargeboten; beispielsweise verband ihn eine Zusammenarbeit mit dem Sänger Eugen Gura,35 den er schätzte und für den er von seinem Lied Für funfzehn Pfennige op. 36 Nr. 2 sogar ein eigenes Autograph mit humoristischen Kommentaren verfertigte (siehe Faksimile), die im Kritischen Bericht des vorliegenden Bandes dokumentiert sind.36 Insgesamt finden sich in Konzertprogrammen und auch in Strauss’ Korrespondenz zu dieser Zeit etliche Hinweise auf Liederabende, an denen der Komponist persönlich mitwirkte.37

Eintragungen in den Handexemplaren von Pauline Strauss

Bei vielen seiner Orchestrierungen hatte Strauss seine Gemahlin Pauline Strauss-de Ahna als Interpretin der Lieder im Blick. Doch auch die Klavierlieder wurden von ihr aufgeführt, gerne etwa die sogenannten drei »Mutterlieder«: Meinem Kinde op. 37 Nr. 3, Wiegenlied op. 41 Nr. 1 und Muttertändelei op. 43 Nr. 2. Häufig wurde sie dabei vom Komponisten selbst am Klavier begleitet. Das hat Konsequenzen für die vorliegende Edition. Wie alle Musiker machten sich Pauline und Richard Strauss für ihre Interpretationen in den Noten Notizen.38 Die Eintragungen umfassen Anmerkungen im Sinne einer gesangstechnischen Hilfe (z. B. Atemzeichen), aber auch Modifikationen des Notentextes: versetzte Dynamikangaben, ergänzte Vortragsbezeichnungen, in besonderen Fällen sogar umkomponierte Gesangslinien sowie gelegentliche Fehlerkorrekturen. Da diese Eintragungen oft vom Komponisten persönlich stammen oder jedenfalls von ihm als Klavierbegleiter mitgetragen wurden, werden sie in der Kritischen Richard-Strauss-Ausgabe exakt dokumentiert – wenngleich im Regelfall nicht so interpretiert, als lägen Eingriffe in die gültige Werkgestalt vor. Natürlich sind zahlreiche Vermerke speziell auf Pauline Strauss und ihre Stimme zugeschnitten; auch wirkt einiges heute nicht mehr zeitgemäß. Doch gerade weil Strauss in seinen Liedern die Vortragsweise der Singstimme häufig weniger ausdifferenziert bezeichnete als den Klavierpart, können manche dieser Eintragungen auch heutigen Interpreten als Anregung dienen. In signifikanten Fällen werden sie deshalb in Spitzklammern in den neuen Notentext aufgenommen.

Vorhaben einer Gesamtausgabe der Strauss-Lieder

Bei dem Vorhaben einer Edition sämtlicher Strauss-Lieder kann man sich in besonderem Maße direkt auf den Komponisten berufen, denn Strauss selbst zeigte in den 1940er Jahren an einer Gesamtausgabe seiner Lieder größtes Interesse. Der Kapellmeister Kurt Soldan hatte für die Verlage C. F. Peters und Universal Edition die Stichvorlage für eine solche Gesamtausgabe vor seinem Tod im Sommer 1946 fertiggestellt, bevor das Projekt in den Nachkriegswirren unterging. Strauss hatte sich für diese Ausgabe stark engagiert, Korrekturabzüge kontrolliert und persönlich editorische Detailentscheidungen getroffen. Die wenigen erhaltenen Ausschnitte der Stichvorlage zeigen vorwiegend nur redaktionelle Eingriffe in den Notentext von Soldans Hand. Einige von Strauss’ eigenen, musikalisch substanziellen Autorenkorrekturen aber sind durch die Korrespondenz zwischen Strauss und Soldan noch greifbar und werden in der vorliegenden Edition als authentische Entscheidungen letzter Hand berücksichtigt. Quelle dafür ist eine zweiseitige Briefbeilage aus dem Strauss-Soldan-Briefkonvolut der Münchner Stadtbibliothek. Soldan legt hier dem Komponisten in Form von handschriftlichen Notenbeispielen und maschinenschriftlichem Text einige Stellen aus diversen Liedern mit konkreten Fragen vor; Strauss notiert seine Entscheidungen (siehe Faksimile).39 Ausführlich sind die Umstände des historischen Gesamtausgabenprojekts in der Einleitung des Bandes II/2 der Kritischen Richard-Strauss-Ausgabe sowie in einem gesonderten Aufsatz beschrieben.40

Fassungen der Lieder op. 31

Strauss’ Verhandlungen mit seinem Verleger Adolph Fürstner zur Publikation der Lieder op. 31 wurden bereits erwähnt. Am Ende kam eine Vereinbarung zustande – nachdem Strauss seine Honorarvorstellung revidiert und ein überarbeitetes Angebot vorgelegt hatte. Ursprünglich hatte er am 2. Februar 1896 an Fürstner geschrieben: »Lieber Herr Fürstner! Ich habe ein neues Heft von (3) Liedern fertig: Gedichte von Carl Busse. Wenn Sie Lust haben, dieselben zu drucken, so stehen dieselben Ihnen gegen ein Honorar von 900 M. zur Verfügung.«41 Fürstner antwortete am 5. Februar: »Gestatten Sie mir nur die Frage, ob die Honorarforderung von 900 Mark für die drei Lieder nicht auf einem Irrthum beruht; da Sie für das Heft Mädchenblumen nur 800 Mk. d. h. per Lied 200 Mark beansprucht und erhalten haben.«42 Wie Strauss seine Forderung am 7. Februar begründete, wurde eingangs zitiert, doch schon am 11. Februar 1896 zielte er auf einen Kompromiss:

»Lieber Herr Fürstner! Anbei die Lieder! Ich lege ein kleines weiteres bei, das ich bitte, in den zwei beiliegenden Ausgaben zu veröffentlichen; auch eine Ausgabe für Violine würde sich vielleicht empfehlen. Doch bitte ich, dasselbe nicht zusammen mit den 3 Liedern von Busse, die ein Heft bilden, zu geben. Transpositionen für die 3 Lieder stehen hinter dem Titelblatte verzeichnet. Wollen Sie Ihrerseits nunmehr das Honorar für die 4 Lieder auf 1000 Mark erhöhen, werde ich mich sehr freuen. Mit besten Grüßen Ihr sehr ergebener Richard Strauss.«43

So kam es. Zu den drei Liedern nach Gedichten von Carl Busse (Blauer Sommer op. 31 Nr. 1, Wenn … op. 31 Nr. 2 und Weisser Jasmin op. 31 Nr. 3), die zwar nicht als zusammengebundenes Heft, jedoch in inhaltlich zusammengehörigen Einzelausgaben mit identischem Titelblatt auf den Markt kamen, wurde noch Stiller Gang nach einem Text von Richard Dehmel als op. 31 Nr. 4 nachgereicht,44 durch eine andere Titelblattgestaltung von den drei Busse-Liedern augenfällig abgegrenzt.45 Ein Querverweis zwischen Nr. 1–3 und Nr. 4 ist auf den Titelblättern nicht zu finden, wohl aber wird auf dem Erstdruck-Titelblatt von op. 31 Nr. 4 auf die im Strauss-Brief genannte weitere Fassung dieses Liedes hingewiesen: Es handelt sich im Druck um die Fassung »Dasselbe mit Begleitung der Bratsche od. Violine« (natürlich zusätzlich zum Klavier), die wie das reine Klavierlied umgehend gestochen und gedruckt wurde; Strauss’ Empfehlung einer weiteren eigenständigen Fassung für Violine berücksichtigte Fürstner also lediglich als Besetzungsvariante im Vorsatz der im Bratschenschlüssel notierten Streicherstimme.46 Das Autograph dieser Fassung ist wie jenes der Klavierfassung mit »München, 30. December 1895« datiert, und tatsächlich ist die Verbindung der Fassungen überaus eng – das wird schon in der autographen Niederschrift des Klavierliedes deutlich: In 20 Takten des nur 24 Takte umfassenden Liedes (d. h. bis zum Seitenwechsel im Autograph) hat Strauss, abgesehen von der Pizzicato-Stelle in T. 6–7, in den Klaviersystemen jene Noten, die in der anderen Fassung die Streicherstimme bilden, mit auffallend großen Köpfen hervorgehoben (siehe Faksimile). Der Effekt wurde durch die Saugkraft des Papiers noch verstärkt. Diese Notationseigenheit wurde im Erstdruck durch verschieden große Notenfonts dargestellt, und auch die vorliegende Edition gibt sie auf diese Weise wieder.

Dass alle vier Klavierlieder op. 31 sowie die Bratschenfassung op. 31 Nr. 4 im vorliegenden Band vereint werden, ist aber nicht die einzige Besonderheit. Das Lied Wenn … op. 31 Nr. 2 erscheint seinerseits in zwei Fassungen. Begründet ist dies, wie schon angedeutet, durch seine einstige Publikationsgeschichte.47 Bündig zusammengefasst lauten die Fakten: Das Autograph des Liedes, das als Stichvorlage für den Druck bei Fürstner diente, ist Teil des Gesamtautographs op. 31, steht in der Anfangstonart Es-Dur und ist mit »München, 15. Juni 1895« datiert. Am 25. Januar 1896 erschien Wenn … jedoch erstmals in Des-Dur im vierten Heft der Zeitschrift Jugend.48 Ursprünglich geplant war sogar ein Abdruck im Eröffnungsheft, weshalb sich im Kolumnentitel des Jugend-Lieddrucks auf den Liedseiten 2 und 3 noch die Angabe »1895« findet.49 Die Ausgabe der Lieder op. 31 bei Adolph Fürstner wurde dann ab Februar 1896 vorbereitet.

Ob Strauss Wenn … im Hinblick auf die Erstpublikation in der Jugend komponierte oder ob er primär auf die konventionelle Ausgabe zielte, lässt sich trefflich diskutieren. Zweifelsohne muss es dem Komponisten, einem Protagonisten der damaligen musikalischen Moderne und gerade als Königlicher Kapellmeister der Münchner Hofoper am Erscheinungsort der Jugend tätig, reizvoll erschienen sein, in der neuen Zeitschrift, die »schon im Vorlauf hohe Wellen« schlug,50 präsent zu sein. Unzweifelhaft ist auch, dass zu dem Zeitpunkt, als Strauss die Lieder op. 31 dem Fürstner-Verlag anbot, der Jugend-Druck von op. 31 Nr. 2 bereits vorlag. Schließlich ist zu erwähnen, dass das Lied im dritten Heft der Jugend für die nachfolgende Nummer als »Original-Composition« angekündigt wurde51 (wobei sich diese Formulierung auch auf die bloße Tatsache der Erstpublikation beziehen könnte). Christian Schapers Feststellung, »eine direkte Ausrichtung der Komposition auf eine Erstpublikation in der neuen Zeitschrift« erweise sich »als sehr wahrscheinlich«, beruht aber nicht nur auf solchen Beobachtungen, sondern auch auf Werkanalyse. Schaper führt dazu nicht zuletzt die markante Modulation des Liedes zu Beginn des letzten Verses »von junger, jauchzender Liebe« um einen Halbton nach oben ins Feld, die Strauss mit einer süffisanten Fußnote garniert hat. Im Wortlaut der vorliegenden Edition des Jugend-Erstdrucks heißt es dort: »Sängern, die noch im 19. Jahrhundert dieses Lied öffentlich vorzutragen beabsichtigen, räth der Componist, dasselbe von hier ab um einen halben Ton tiefer (also in Desdur) transponirt zu singen und somit das Musikstück in der Anfangstonart auch abzuschliessen!« Gestützt darauf kommt Schaper zu folgendem Resümee:

»Zu genau passen das unbekümmerte Auftrumpfen dieser in Text und Musik von sich selbst mit- und über sich selbst hinausgerissenen Konjunktiv-Ballade und ihre per Fußnote halb ironisierte harmonische Anlage zum Selbstverständnis der Zeitschrift Jugend mit ihrer bunten Mischung aus ernster Kunst, provokantem Witz und blankem Unsinn, als dass man an eine glückliche, allenfalls vom Zeitgeist begünstigte Koinzidenz glauben mag. Noch schwerer wiegt indes der Umstand, dass Strauss die Pointe der musikalischen Konstruktion ausgerechnet mit dem Wort ›jung‹ zusammenfallen lässt – besser hätte man es in einer mit Jugend betitelten Zeitschrift […] eigentlich nicht treffen können […].«52

Das klingt schlüssig, doch gibt es auch Indizien für das Szenario, dass es sich beim Jugend-Druck nur um eine gelegenheitsbedingte Auskopplung handelte:53 Das Autograph von 1895, datiert vor dem Erscheinen der Zeitschrift, ist bereits die unmittelbare Vorbereitung der späteren Publikation bei Fürstner. Hier besteht eine geradlinige Verbindung, während der zwischenzeitlich entstandene Jugend-Druck davon musikalisch abweicht.

Die Herkunft dieser Abweichungen ist übrigens erklärbar, denn es existiert ein weiteres Autograph des Liedes (was Schaper vermutete, während im Trenner’schen Werkverzeichnis lediglich von einer »eigenhändige[n] Abschrift« die Rede ist54), und dieses erweist sich als das anzunehmende Bindeglied zum Jugend-Druck, da es neben der Tonart auch die meisten anderen seiner musikalischen Abweichungen enthält (siehe Faksimile). Obwohl ohne Stechereintragungen und ohne die charakteristische ironische Fußnote zur Modulation, dürfte es sich um die Druckvorlage handeln (siehe dazu das Kapitel »Quellenbewertung« im Kritischen Bericht). Trüge dieses Autograph nun ein Datum zwischen Stichvorlage und Zeitschriftendruck, wäre die Beweisführung hieb- und stichfest, die Fassung in der Jugend also definitiv nur eine Auskopplung. Da es undatiert ist, bleibt eine gewisse Unsicherheit. Doch editorisch entscheidend ist ohnehin, dass musikalische Unterschiede zwischen den beiden Niederschriften bzw. Drucken existieren und dass sie bedeutsam sind. Christian Schaper hat die Abweichungen zwischen den Drucken unter Einbeziehung der autographen Stichvorlage detailliert analysiert; die genannte Modulation ist sicherlich die bemerkenswerteste davon: Als »Scharnierakkord«55 der Modulation dient in der autographen Stichvorlage und im Fürstner-Druck ein übermäßiger Quintsextakkord ces/es/ges/a (bzw. heses/des/fes/g in Fürstners transponierter Des-Dur-Ausgabe); im Jugend-Druck hingegen vollzieht Strauss die Modulation enharmonisch identisch (wenngleich eben in Des-Dur), funktionsharmonisch aber signifikant abweichend mit einem Dominantseptakkord a/cis/e/g. Wenn man dies und die anderen musikalischen Abweichungen sowie die einstigen zwei Publikationsstränge in Betracht zieht, ist klar, dass man es mit zwei zu unterscheidenden Fassungen des Liedes op. 31 Nr. 2 zu tun hat, die dank des neu hinzugezogenen weiteren Autographs beide durch eine solide Quellenlage repräsentiert sind. Im vorliegenden Band erscheinen sie separat; damit sind hier erstmals alle Einzellieder und Fassungen von Opus 31 vereint.

Originale Tonartenfolge der Lieder op. 32

Strauss war zu der Zeit, als er die Lieder des vorliegenden Bandes schrieb, bereits ein versierter Komponist und Musikpraktiker. Dennoch kam es vor, dass von Verlegerseite musikalisch in ein Werk eingegriffen wurde. Ein interessanter Fall sind die Fünf Lieder op. 32, die von Strauss’ Münchner Verlegerfreund Eugen Spitzweg im Verlag Jos. Aibl herausgebracht wurden. Komponiert hatte Strauss die Lieder in folgenden Tonarten bzw. für folgende Stimmlagen: Ich trage meine Minne vor Wonne stumm in Ges-Dur, im Autograph mit dem Vermerk »für Tenor« versehen, Sehnsucht in A-Dur »für Tenor«, Liebeshymnus in Des-Dur »für Tenor«, O süsser Mai in G-Dur »für Sopran und Tenor« (siehe Faksimile), Himmelsboten zu Liebchens Himmelbett in F-Dur »für Tenor«. Strauss unterschied also bei der notierten Stimmlage (anders als heutzutage üblich) zwischen Tenor und Sopran – was er häufiger tat. Bei den reinen Tenor-Liedern gab er folglich eine Transposition »für Sopran« an (einen Ganzton oder eine verminderte Terz tiefer). O süsser Mai hingegen empfand er explizit als für beide Stimmen geeignet, lediglich für tiefe Stimme gab er hier eine Transposition an: E-Dur. Die Originaltonart G-Dur war dabei nicht intuitiv, sondern bewusst gewählt: Skizziert hatte Strauss das Lied ursprünglich in A-Dur, sich am Ende des Skizzenblattes aber G-Dur zugewandt und den Schluss in dieser Tonart detaillierter ausgeführt.56 Diese Entscheidung wirkt für einen mit Tonartensymbolik vertrauten Komponisten wie Strauss schlüssig, denn neben F-Dur ist G-Dur sicherlich die wichtigste Tonart für Naturdarstellungen und eine Frühlingstonart obendrein.57

Der Verlag aber brachte alle fünf Lieder jeweils in drei Ausgaben heraus: »für hohe Stimme (Tenor)«, »für mittlere Stimme (Sopran)« sowie »für tiefe Stimme«. Strauss’ Niederschrift von O süsser Mai löste er zu diesem Zweck inhaltlich aus dem Verbund des Gesamtautographs und benutzte sie als Stichvorlage für die mittlere Sopran-Ausgabe; die übrigen Lieder ließ er für diese mittlere Sopran-Ausgabe nach unten transponieren, O süsser Mai im selben Vorgang aber für die hohe Tenor-Ausgabe nach oben (A-Dur, tonartlich also wie einst von Strauss skizziert, dann aber verworfen); die tiefe Ausgabe erfolgte für alle Lieder gemäß Strauss’ Transpositionsvorgaben.58 Die hohe Ausgabe der Lieder op. 32 entspricht also den Originaltonarten aus Strauss’ finaler Niederschrift – mit Ausnahme von O süsser Mai op. 32 Nr. 4. Da Strauss die Lieder nachweislich Korrektur las – auch die Transpositionen –, war er damit wohl einverstanden.59

Mit seiner Frau Pauline aber verwendete Strauss für O süsser Mai natürlich die mittlere Ausgabe in G-Dur »für Sopran«. Bemerkenswert ist dieses Handexemplar, weil es eines derjenigen ist, die eine von Richard Strauss für seine Ehefrau in Teilen umkomponierte Singstimme aufweisen (siehe Faksimile). Es liegt auf der Hand, dass es verfälschend wäre, einen derart interessanten Eingriff des Komponisten im vorliegenden Band transponiert wiederzugeben; man muss ihn authentisch in der Originallage zeigen. Außerdem muss man ernst nehmen, dass sich Strauss bei O süsser Mai für die Tonart G-Dur mit ihrer speziellen Tradition entschied und dabei – was gegenüber den anderen vier Liedern aus dem Rahmen fällt – keine Unterscheidung zwischen Tenor und Sopran vornahm. Es gibt also gewichtige Gründe, bei der Edition dieses Liedes die Originaltonart des Autographs zu wahren und die Lieder op. 32 in exakt jener Tonartenfolge wiederzugeben, in der Strauss sie letztlich komponierte. Im vorliegenden Band geschieht dies erstmals.


Mein Dank gilt allen im Kritischen Bericht genannten Archiven und Bibliotheken für die Bereitstellung des für die Edition herangezogenen Quellenmaterials. Des Weiteren danke ich für die Unterstützung der Arbeit am vorliegenden Band: der Familie Strauss, außerdem Adrian Baianu, Edita Gruberova, Friedrich Haider, Katja Kaiser, Thekla Kluttig, Dietrich Kröncke, Dominik Leipold, Jürgen May, Martina Mengele, Reinhold Schlötterer, Giselher Schubert, Elisabeth Thomi-Berg und Florian Trenner. Julian Riem sei herzlich für das Probespielen des neuedierten Notentextes gedankt.


München, September 2018

Andreas Pernpeintner

 1

Ca. 40 Jugendlieder zeugen davon.

 2

Richard Strauss an Adolph Fürstner, 07.02.1896, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER 1890–1896, Nr. 28].

 3

Von einigen Liedern folgten später weitere Übersetzungen, etwa ins Französische, Italienische, Tschechische oder Russische.

 4

Vgl. Richard Strauss an Eugen Spitzweg, 15.01.1890, D‑Mst, Monacensia, Strauss, Richard A I/44.

 5

Siehe Kapitel »Quellenbeschreibungen«.

 6

Christian Schaper: Von der Tiefe der Oberfläche. Zu zwei Liedern von Richard Strauss im ersten Jahrgang der Zeitschrift Jugend, in: Lied und Lyrik um 1900, hrsg. von Dieter Martin und Thomas Seedorf, Würzburg 2010, S. 141–163, hier S. 149 ff.

 7

Max Steinitzer: Richard Strauss, erste bis vierte Auflage, Berlin und Leipzig 1911, S. 180. Vgl. auch Barbara A. Petersen: Ton und Wort, Pfaffenhofen 1986 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft München 8), S. 149 f.

 8

Erich H. Mueller von Asow: Richard Strauss. Thematisches Verzeichnis, Band III, Wien und München 1974, S. 1228.

 9

Petersen: Ton und Wort (wie Anm. 7), S. 150.

 10

Reinhold Schlötterer: Die Texte der Lieder von Richard Strauss. Kritische Ausgabe, Pfaffenhofen 1988 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft München 10), S. 179.

 11

Gedichte von Martin Greif. Sechste, reich vermehrte Auflage, Leipzig 1895.

 12

Richard Strauss an Franz und Josephine Strauß, 25.12.1899, Kopie, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Strauss, 433b.

 13

Ein markantes Beispiel ist das Gedicht Lied an meinen Sohn von Richard Dehmel aus Zwanzig Dehmelsche Gedichte, Schuster & Loeffler, Berlin 1897, S. 65 f.

 14

Wie schon in Band II/2 dargelegt, durchschritt eine Liedkomposition nach derartigen frühesten, wohl spontanen Notizen bis zur Fertigstellung im Regelfall noch ein detaillierteres Skizzenstadium. Vgl. Reinhold Schlötterer: Zum Schaffensprozeß bei Richard Strauss, in: Richard Strauss. Autographen, Porträts, Bühnenbilder, Ausstellung zum 50. Todestag, Ausstellungskatalog, hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek, München 1999, S. 23–37, hier S. 33 f.

 15

Vgl. auch Elisabeth Schmierer: Klavierlieder, in: Richard Strauss Handbuch, hrsg. von Walter Werbeck, Stuttgart u. a. 2014, S. 326–347, hier S. 329, 333.

 16

Elisabeth Schmierer stellt fest, Strauss’ Griff zu Texten aus Des Knaben Wunderhorn sei »insofern interessant, weil Gustav Mahler in derselben Zeit, den 1890er Jahren, fast ausschließlich Wunderhorn-Texte vertonte.« Schmierer: Klavierlieder (wie Anm. 15), S. 334.

 17

Schlötterer: Texte der Lieder (wie Anm. 10), S. 21. Der genannten Anthologie dürfte Strauss auch den Text für die Arent-Vertonung entnommen haben; Arent war außerdem Herausgeber der Anthologie.

 18

Schlötterer: Texte der Lieder (wie Anm. 10), S. 22.

 19

Ebd. Verführung op. 33 Nr. 1 für eine Singstimme mit Orchesterbegleitung und Das Lied des Steinklopfers op. 49 Nr. 4 sind nicht Bestandteil dieses Bandes.

 20

Der Bunte Vogel von 1897. Ein Kalenderbuch von Otto Julius Bierbaum, Berlin 1896. Abdruck des Gedichts ebd., S. 110.

 21

Vgl. Schlötterer: Texte der Lieder (wie Anm. 10), S. 239.

 22

D‑Mst, Musikbibliothek, Mpr_LY_11_569‑67. Das eben genannte Orchesterlied Verführung op. 33 Nr. 1 ist ebenfalls auf dieser Quelle skizziert.

 23

Vgl. Schlötterer: Texte der Lieder (wie Anm. 10), S. 242. Ein Gedichtband, der als Textvorlage in Frage kommt, existiert nicht.

 24

Anton Lindner an Richard Strauss, »I.1900«, D‑GPrsa, [Ordner L, o. Nr.].

 25

Richard Dehmel: Offenherzige Erklärung, in: Die Musik 1 (1902), Nr. 15/16, S. 1461 f., hier S. 1461. Strauss hat den Text zu Befreit im Skizzenbuch Tr. 5 auf der Innenseite des vorderen Einbands in strophischer Anordnung vollständig niedergeschrieben und mit der Notiz »zu No. 37« versehen; in der dritten Strophe sind auch einige Tonarten vermerkt. Faksimile in: Petersen: Ton und Wort (wie Anm. 7), S. 98.

 26

Das Exemplar ist noch heute im Richard-Strauss-Archiv vorhanden und trägt eine handschriftliche Widmung Dehmels an Strauss.

 27

Richard Dehmel an Richard Strauss, 22.04.1898, D‑GPrsa, [Ordner D, o. Nr.].

 28

Richard Dehmel an Richard Strauss, 26.04.1898, D‑GPrsa, [Ordner D, o. Nr.]. Dehmel schrieb: »Und das Lied – nun eben, weil ich voraussetzte, daß Sie es ›wirklich sehr schön‹ in Töne gesetzt haben, war ich so kreuzunglücklich über meinen Text. Denn der ist wirklich nicht sehr schön, [wie Sie aus den neuen Erlösungen ersehen werden, gehört mein Auge zu den verworfenen Gedichten] und es ist keine sehr angenehme Vorstellung für mich, daß meine unreifen Worte nun auf den Flügeln Ihrer reifen Kunst in di[e] Welt hinaus sollen. Wenn es Ihnen also noch möglich ist, mir den Correcturbogen zuzuschicken, wäre ich Ihnen wirklich ewig dankbar (hier paßt die Redensart mal her). Meine Frau ist gründlich musikalisch gebildet, und ich werde mich mit meinen Aenderungen natürlich ganz nach Ihrem Rhythmus u. s. w. richten, wie ich auch selbstverständlich an dem naiven Gefühlston des Gedichtes nichts verschlimmbessern will. Nur die kraßen technischen Ungeschicktheiten (mit denen es in der Sprachkunst eben eine andre Bewandtnis hat als in der Tonkunst) will ich nach Möglichkeit herausbringen. In herzlicher Dankbarkeit Ihr Dehmel.«

 29

Petersen: Ton und Wort (wie Anm. 7), S. 94.

 30

Hier freilich gab es zur Strauss-Zeit noch keine eindeutige Normierung wie heutzutage. Vgl. Schlötterer: Texte der Lieder (wie Anm. 10), S. 14 f.

 31

Sofern zu einem Gedicht kein originales Handexemplar erhalten ist, wurde für die Edition nach historischen Ausgaben recherchiert, die hinsichtlich des Gedicht-Wortlauts sowie des Erscheinungsjahres als Textvorlage für die Komposition in Frage kommen und somit gewissermaßen anzunehmende Handexemplare sind. Siehe auch Kapitel »Quellenbewertung«.

 32

Auch die Tondichtungen bildeten einen kompositorischen Schwerpunkt. Biographisch war die Zeit durch die aufeinander folgenden Kapellmeisteranstellungen in Weimar, München und Berlin sowie durch die Geburt des Sohnes Franz 1897 recht bewegt.

 33

Hier freilich sei nochmals auf die Schaffenspause in der Liedkomposition vor den Vier Liedern op. 27 hingewiesen, mit denen dann eine Hochphase der Strauss’schen Liedproduktion einsetzte.

 34

Zu Strauss’ Lebzeiten entstanden auch zahlreiche Bearbeitungen seiner Lieder von fremder Hand.

 35

So schrieb Strauss am 21. Oktober 1896 an seine Eltern: »Am 30. Okt. singt der junge Gura 7 Lieder von mir in Berlin, die ich selbst begleiten werde.« Richard Strauss an Franz und Josephine Strauß, 21.10.1896, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Strauss, 391.

 36

In den Kommentaren wird auch auf Guras Klavierbegleiter »H. Schwartz« Bezug genommen.

 37

In den Briefen an seine Eltern beispielsweise berichtet Strauss von vielen Liederabenden aus dieser Zeit.

 38

Die Handexemplare werden im Richard-Strauss-Archiv sowie im Richard-Strauss-Institut in Garmisch-Partenkirchen aufbewahrt.

 39

Vgl. die undatierte Beilage [um 1944] zu einem Brief von Kurt Soldan an Richard Strauss, von Richard Strauss mit Kommentaren versehen retourniert, D‑Mst, Monacensia, Strauss, Richard A III/9.

 40

Andreas Pernpeintner: Der späte Strauss und seine frühen Lieder, in: Richard Strauss – Der Komponist und sein Werk. Überlieferung, Interpretation, Rezeption, Bericht über das internationale Symposium zum 150. Geburtstag, hrsg. von Sebastian Bolz, Adrian Kech und Hartmut Schick, München 2017 (= Münchner Veröffentlichungen zur Musikgeschichte 77), S. 425–437.

 41

Richard Strauss an Adolph Fürstner, 02.02.1896, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER 1890–1896, Nr. 27].

 42

Adolph Fürstner an Richard Strauss, 05.02.1896, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R. STRAUSS, 1910–1912, o. Nr.].

 43

Richard Strauss an Adolph Fürstner, 11.02.1896, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER 1890–1896, Nr. 29].

 44

Wie erläutert, erhielt Strauss Dehmels Text handschriftlich von Otto Julius Bierbaum zugeschickt.

 45

Dementsprechend wird im vorliegenden Band das Lied op. 31 Nr. 4 auf dem Titelblatt deutlich abgesetzt.

 46

Das Titelblatt dieser Fassung und das der Klavierliedfassung sind identisch.

 47

Christian Schaper hat diese gründlich rekonstruiert. Vgl. Schaper: Von der Tiefe der Oberfläche (wie Anm. 6), S. 141–149.

 48

Der Fürstner-Verlag brachte später seinerseits eine vom Es-Dur-Autograph ausgehende Transposition des Liedes nach Des-Dur »für Sopran« heraus. Vgl. ebd., S. 145.

 49

Vgl. auch ebd., S. 144. Die Erstausgabe (Doppelausgabe Nr. 1 und 2) erschien ihrerseits jedoch erst mit der Jahresangabe »1896«.

 50

Ebd., S. 143.

 51

Jugend 1 (1896), Nr. 3, S. 52.

 52

Schaper: Von der Tiefe der Oberfläche (wie Anm. 6), S. 149. Auch im Katalog Jugendstil-Musik? wird von einer Exklusivkomposition für die Jugend ausgegangen; dort heißt es: »Die witzige Bemerkung am Ende, die auch im Druck des Zyklus bei Fürstner in Berlin beibehalten ist, und ihr Anlaß in der Komposition ist sicherlich ein Tribut an die Geisteshaltung der neuen Zeitschrift.« Jugendstil-Musik? Münchner Musikleben 1890–1918, Ausstellungskatalog hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek, Wiesbaden 1987, S. 212.

 53

Das Ergebnis gäbe dem Komponisten hierbei recht, denn der bei Fürstner erschienene Notenstich aus dem Hause C. G. Röder ist von weitaus höherer Qualität und Präzision als das in der Jugend gedruckte Notensatzerzeugnis.

 54

Franz Trenner: Richard Strauss Werkverzeichnis (TrV). Zweite, überarbeitete Auflage, Wien 1999, S. 149. Vgl. Schaper: Von der Tiefe der Oberfläche (wie Anm. 6), S. 145.

 55

Ebd., S. 147.

 56

Vgl. Skizzenbuch Tr. 3, S. 49.

 57

Man denke an die Hirtensinfonia in Bachs Weihnachtsoratorium, Justin Heinrich Knechts Symphonie »Le Portrait musical de la nature«, die Beethovens Pastorale anregte, und Dvořáks Achte Symphonie, die im ersten und zweiten Satz von Vogelrufen durchsetzt ist und naturdarstellenden Charakter hat. Im Tannhäuser, der Strauss bestens vertraut war, wird nach dem Auszug aus dem Venusberg vom jungen Hirten der Frühling und die erwachende Natur in G-Dur besungen (»Frau Holda kam aus dem Berg hervor, zu zieh’n durch Fluren und Auen«, endend mit: »[…] der Mai, der Mai war kommen. Nun spiel ich lustig die Schalmei, der Mai ist da, der liebe Mai!«). Strauss hat beispielsweise in Aus Italien den 1. Satz, das Naturbild »Auf der Campagna«, in G-Dur geschrieben.

 58

Die Verlagsmanuskripte für diese Transpositionen liegen als sogenannte Schwarzschriften im Depositum der Universal Edition in der Wienbibliothek. Auf der autographen Stichvorlage wurde auf der ersten Notenseite von O süsser Mai verlagsseitig mit Bleistift vermerkt: »dieses Lied gehört in die Ausgabe f. mittlere Stimme«. Auf der Schwarzschrift für mittlere Stimme ist an entsprechender Stelle notiert: »dieses Lied gehört in die Ausgabe für hohe Stimme«.

 59

Vgl. Richard Strauss an Jos. Aibl, 03.06.1896, D‑Mst, Monacensia, Strauss, Richard A I/149.

Verfasser: Andreas Pernpeintner

Erstmals veröffentlicht in

Richard Strauss: Lieder mit Klavierbegleitung op. 31 bis op. 43, hrsg. von Andreas Pernpeintner, Wien: Verlag Dr. Richard Strauss 2018 (= Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe, II/3)

Zitierempfehlung

Andreas Pernpeintner: Einleitung, in: Richard Strauss: Lieder mit Klavierbegleitung op. 31 bis op. 43, hrsg. von Andreas Pernpeintner, 2018 (= Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe, II/3), richard‑strauss‑ausgabe.de/b38514/el (Version 2018)

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