Brief
Richard Strauss an Pauline Strauss
Dienstag, 27. September 1904, Marquartstein

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3a Salome

[1r] Marquartstein, Oberbayern.
VILLA DE AHNA.

Mein geliebtes P.!

So habe ich denn jetzt glücklich meine 7 Zwetschgen gepackt u. scheide (sogar der Him̅el weint) heute Nachmittag 3.20 aus der Villa, der Brief begleitet mich.

Trotzdem es so allein ohne Dich u. Bubi, besonders in der melancholischen Herbststim̅ung, etwas trübselig war, scheide ich mit aufrichtiger Betrübniß aus der schönen, bequemen Villa, die ich nun wohl so bald nicht wiedersehen werde. Wenn ich dran denke, was das nächsten Som̅er werden soll, so schaudert mir: 2 Monate mindestens [?] in einem Wirthshaus, ohne bequeme Sitzgelegenheiten etc. oder in einer sog. Som̅erfrischlerwohnung (gestern habe ich die alte Tricklvilla [?] besichtigt, 3 große Zim̅er, ein winziges 4tes u. Küche, u. unten alles voll Bauerngestank) brrr! Ich glaube, ich werde wohl [1v] nächstes Jahr allein in Berlin bleiben u. meine Salomepartitur fertig machen, da habe ich wenigstens eine schöne, appetitliche geräumige Wohnung u. mein eigenes Bett, Lederfauteuils etc. Barmseehotel existiert nicht mehr.

v. Crailsheim hat uns seine Wohnung zur Miete angeboten, willst Du nach Staudach? Mir ist Alles recht, thue Du, was Du willst: ich werde nächsten Som̅er überall unglücklich u. unzufrieden sein, da kom̅t’s dann nicht darauf an, wo.

Da Barmsee in sein eigenes Wasser gefallen ist, habe ich hier noch einen Tag zugegeben; was thue ich in dem Drecknest München.

Gestern noch Salome glücklich fertig gemacht! Wer weiß, wann ich wieder zum Componiren kom̅e!

[2r] Ich reise Don[n]erstag Abend 10.40 von München ab, bin Freitag Mittag 2 Uhr in Essen, bei Sölling, Lindenallee 43.

Vergiß nicht die Lieder mit Doubletten.

Ein hübsches Kleid für die Generalprobe in Essen,
eventuell mit einem Hut.

2 Abendtoiletten: Concert

Dein Zug geht Freitag Mittag 11.50 ab zoolog. G.

Mehr brauchst Du, glaube ich[,] nicht zu wissen, da ich Dir so wie so Alles aufgeschrieben.

Hoffentlich bist Du wohl u. fleißig beim Singen.

Bubi brav u. lernt schön?

Mit den Dienstboten Alles in Ordnung? Sei nur recht ruhig. [2v] Besonders der aufgeregten Köchin gegenüber! Solchen Leuten kann man nur mit äußerster Ruhe, Selbstbeherrschung u. Überlegenheit imponiren!

Die Eltern sind, wohl im befriedigten Gefühl, daß sie mich nun auf im̅er los sind, sehr liebenswürdig u. aufmerksam gegen mich. Die Veranda hat nun schon alle Fenster: sind wunderschön.

Von der gestrigen Pfirsichernte ist ein Körbchen heute an Dich u. Bubi abgegangen! Gestern war ich noch in Grassau, Dr Bergners u. Weidingers Rechnung bezahlt u. über Bissenhausen sehr trübselig heimgeschlichen. Wie Du s. Z. hier ohne mich so vergnügt sein konntest, ist mir etwas rätselhaft. Mir macht das Alles keinen rechten Spaß, wenn Du u. Bubi nicht dabei seid.

Nun Freitag Abend auf frohes Wiedersehen, mein liebes P. Tausend Küsse […]Dir u. Bubi
Dein
Richard.

Die Eltern grüßen bestens.

Gruß an Fräulein u. die beiden Mädchen.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: [unbekannt] (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [FAMILIENBRIEFE III, 1902–1905, Nr. 177] (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2016-11-15

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d30465 (Version 2019‑04‑12).

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