Brief
Richard Strauss an Pauline Strauss
Samstag, 22. Dezember 1906, Turin

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3a Salome, I/3b Salome (Weitere Fassungen)

Mein liebes Herz!

Wenn du wüßtest, welche Freude Du mir bereiten kannst, wenn Du täglich eine Viertelstunde opferst, um mir einen hübschen, freundlichen Brief zu schreiben, Du würdest wirklich die kleine Mühe nicht scheuen. […]

Wie ich Dir schon schrieb, ist die Generalprobe (zwar ohne Bellincioni) sehr gut verlaufen, das Publikum ist durch die Presse auf’s beste [Seitenwechsel] vorbereitet u. alle versprechen sich den größten Erfolg, wie auch die gestern (gegen meinen Willen) in Mailand stattgehabte Generalprobe (halb öffentlich) kolossalen Eindruck gemacht haben soll. So läuft also Alles, was mein bischen [sic] Arbeit betrifft, aufs beste.

Heute ist Marsop aus Nervi angekom̅en. Und soeben verließ mich der Direktor der Pariser Grand Opera, Gailhard, der mir die Bearbeitung des französischen Textes, die er sehr gut revidirt zu haben scheint, die Dekorationsskizze zeigte, mit dem ich die Pariser Besetzung u. die Aufführung für Anfang Mai festsetzte. Ein alter Fuchs! Dagegen sind unsre Intendanten wirklich die reinen Läm̅er. Aber Hermann war anwesend u. hielt ihn bei seinem Versuche, mich in der Besetzungsfrage nach seinem geschäftlichen Vorteil zu lenken, resp. über’s Ohr zu hauen, wacker im [sic] Schach. –

Abends ½ 10 Uhr steigt also Salome. Ich bin sehr begierig auf Bellincioni, die bis jetzt nur markirt hat u. seit 3 Tagen zu Bette liegt, um vollständig frisch zu sein. Hoffentlich bringt die gute alte Tante die Rolle mit Tanz u. [Seitenwechsel] Allem glücklich zu Ende.

Sonst ist mein Leben einsam u. trübselig. Heute Mittag war ich mit Wirk im Museo Civico; man hält es aber in den Museen nicht lange aus, da es die reinen Eiskeller [sind].

Ausflüge in die schöne Umgegend zu machen, verbietet auch das kalte Wetter, die uncomfortablen Eisenbahnen u. die daselbst sicher ganz ungeheizten Hotels u. Restaurants u. so sitzt man halt im Hotel herum, liest Zeitungen u. Bücher, bum̅elt ab u. zu in den geraden, ziemlich langweiligen u. recht staubigen Straßen herum u. wartet vom Mittagessen aufs Abendessen, freut sich, wenn man glücklich zu Bett ist. Wenigstens ausschlafen kann man, da hier die Proben nie vor 12 oder 1 Uhr Mittags beginnen.

Heut habe ich mir etwas Notenpapier gekauft u. will versuchen, von morgen an ein bischen zu arbeiten.

Dieser Brief wird wohl gerade zu Weihnachten bei Euch [Seitenwechsel] ankom̅en; gedenkt Meiner, der so gerne bei Euch u. ein bischen glücklich mit seinem Bubi am Weihnachtsbaum stünde, in Liebe und Treue. Wenn das leidige Geld nicht wäre!

[…]

Dein
Richard.

An Mama herzliche Grüße!

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt (Autograph)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

    • Reproduktionen:

      • Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), Signatur: [FAMILIENBRIEFE IV, 1906–1910, Nr. 222] (Transkriptionsgrundlage)

        • Autopsie: 2017-09-12

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d32616 (Version 2021‑09‑29).

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