Lieder mit Klavierbegleitung ab op. 66
Einleitung

Einleitung

Das »Liederjahr« 1918 – »Spottlieder«, »richtige Lieder«, juristischer Streit und editorische Konsequenzen

Im Jahr 1918 endete eine zwölfjährige Phase, in der sich Richard Strauss von der Liedkomposition vollständig abgewandt hatte. Plausible Erklärungsansätze für diese Abstinenz reichen von Strauss’ Konzentration auf Bühnenwerke während dieser Zeit bis hin zur Tatsache, dass seine Ehefrau Pauline, die zuvor die für ihn »ideale Interpretin« seiner Lieder und als solche oft Inspiration beim Komponieren gewesen war, ihre Gesangskarriere beendet hatte. Doch ebenso konsequent, wie Strauss über zwölf Jahre keine Lieder geschrieben hatte, nahm er die Liedkomposition nun wieder auf – jedenfalls im Jahr 1918, das mit der Komposition der Opera 66, 67, 68 und 69 (29 Einzelliedern insgesamt; hinzu kamen Orchestrierungen von sechs in früheren Jahren komponierten Klavierliedern1) sogar das intensivste »Liederjahr« in Strauss’ gesamtem Komponistenleben werden sollte. Der vorliegende Band enthält die Lieder von 1918 bis zu Strauss’ Tod 1949 in originaler Sprache und Tonlage.

Im Zentrum des Jahres 1918 steht zweifelsohne der Liederzyklus Krämerspiegel op. 66: zwölf im März und Mai 1918 komponierte Lieder nach satirischen Gedichten des Berliner Schriftstellers und Theaterkritikers Alfred Kerr, in denen namhafte deutsche Musikverleger aufs Korn genommen werden. Diese Liedertexte ließ sich Strauss von Kerr eigens anfertigen. Dass er Vorgaben machte, welche Musikverleger hierin bedacht werden sollten, ist zwar brieflich nicht mehr belegbar, doch ist davon auszugehen, zumal Strauss – dies ist erwiesen – nach Durchsicht der Gedichte Textänderungen veranlasste.2 Im Garmischer Richard-Strauss-Archiv und im Alfred-Kerr-Archiv der Berliner Akademie der Künste sind mehrere Typoskripte erhalten (die Berliner Exemplare mit handschriftlichen Eintragungen und Korrekturen versehen), die auf die Textgenese hindeuten. Darin finden sich interessante Varianten. Beispielsweise steht den im siebten Lied vertonten, auf den Mainzer Schott-Verlag gemünzten Versen »Unser Feind ist, großer Gott, / wie der Brite so der Schott. / […]« in einem der Berliner Typoskripte gegenüber (siehe Faksimile): »Unser Feind ist, grosser Gott, / Nicht der Brite, nein, der Schott. / […]«3 Doch insbesondere die Berliner Verleger Bote & Bock wurden mit nicht gerade satirisch feiner Klinge aufgespießt: »Einst kam der Bock als Bote / zum Rosenkavalier ans Haus; / er klopft mit seiner Pfote – / den Eingang wehrt ein Rosenstrauß. / Der Strauß sticht seine Dornen schnell / dem Botenbock durchs dicke Fell. / O Bock, zieh mit gesenktem Sterz / hinterwärts, hinterwärts!«, lautet der Text des zweiten Liedes. Insofern könnte von einer schelmischen »Künstlerlaune«, als die Strauss selbst den Krämerspiegel einige Jahre später sehen wollte,4 schwerlich die Rede sein. Eher trifft Jürgen Mays Feststellung zu, Strauss sei mit diesen Liedern in einen »persönlichen Krieg gegen den Verlag Bote & Bock« gezogen5 – wenngleich mit ausgesprochen feinsinniger Musik.

Schon die zeitgenössische Kritik sah sich veranlasst, beim Krämerspiegel zwischen Text und Musik zu differenzieren. So hob etwa Leopold Schmidt im Berliner Tageblatt hervor, das Werk sei »eine derbe Satire« und man könne verstehen, dass sich die Verleger beleidigt fühlten; »von der Musik wenigstens als solcher« dürfe aber »wohl die Rede sein«, sie sei »doch schließlich Musik von Richard Strauß, an die wir alle ein Anrecht haben, und an der spätere Zeiten, die dem Persönlichen entrückt sind, nicht vorübergehen werden.«6 Schmidt schreibt:

»Der Stil der Musik ist ungefähr der des ›Rosenkavaliers‹. Leichte Walzermelodien durchziehen das Werk und wechseln mit scharf charakteristischen Gebilden. Kühn, ja mutwillig ist fast durchweg die harmonische Struktur, bei der es zu jähen Sprüngen und seltsam verschlungenen Akkordfolgen kommt. Die Ausführung erfordert einen gewiegten Pianisten und einen treffsicheren Sänger. Sind beide vereint, so kann der musikalische Humor von zwingender Wirkung sein.«7

Schmidt erwähnt des Weiteren die »parodistischen Züge« und die musikalischen (Eigen‑)Zitate von Strauss, betont aber schließlich, dass jene Stellen »nicht übersehen« werden dürften, »in denen eine echte und warme Lyrik hervorquillt, weil sie sozusagen den moralischen Maßstab für das Ganze geben. […] Musik ist eben eine verklärende Kunst und bricht auch dem Spott und der Satire den verletzenden Stachel ab. Der Komponist, der mit seinen Tönen die Scheußlichkeit des Salome-Vorwurfes vergessen macht, hat auch seine beißenden Spottlieder in ein milde versöhnliches Licht getaucht.«8

Sicherlich besteht eine kompositorisch hintersinnige Komponente dieser Lieder, von denen manche über weite Strecken vom Klavier getragen werden und nur wenige Gesangstakte aufweisen, auch darin, dass Strauss hier eine in ihrem stilistischen Variantenreichtum beeindruckende, teilweise überaus charmante Klaviermusik geschaffen hat (die wohl jeder Verleger begehren würde) – nur um sie durch den ätzenden Spott der Singstimme zu kontaminieren. Man denke etwa daran, dass der Satirezyklus im Lied Nr. XII mit jenem schwebenden Klavier-Nachspiel endet, das Strauss 1941 zusammen mit dem musikalisch verwandten Vorspiel des Liedes Nr. VIII in die sogenannte Mondscheinmusik seiner Oper Capriccio verwandeln sollte. Hartmut Schick hat auf dieses gekonnt inszenierte (Miss‑)Verhältnis von Klavier und Singstimme hingewiesen: Man könne den Krämerspiegel »beinahe als eine große, vom Gesang nur begleitete oder kommentierte Klaviersuite verstehen«.9 Dennoch ging die Komposition sehr wohl von den Texten aus, die ja auch die von Strauss gewollte Botschaft enthielten.10 In der Korrespondenz zwischen Strauss und Kerr ist erkennbar, dass Strauss bereits vor dem 8. März 1918 über die Liedertexte verfügte;11 die früheste Datierung im Kompositionsautograph ist der 15. März 1918 (Lied Nr. I).

In Leopold Schmidts Rezension klingt an, dass die Beschäftigung mit dem Krämerspiegel für Strauss’ Zeitgenossen delikat war, denn aus der Satire hatte sich 1918 tatsächlich ein handfester Rechtsstreit zwischen Strauss und dem Verlagshaus Bote & Bock entwickelt. Öffentliche Aufführungen der Lieder wurden untersagt, die deutschen Musikverlage fassten das Opus bis zu Strauss’ Tod Jahrzehnte später nicht an, und 1921 erschien im Kunstverlag Paul Cassirer lediglich eine auf 120 Exemplare limitierte und als Privatdruck deklarierte Ausgabe.12 Mit Radierungen des Künstlers Michel Fingesten (siehe Faksimiles) und durch die kalligraphische Anmutung des im Autographieverfahren vervielfältigten Noten- und Gesangstextes ist sie prächtig gestaltet und wurde von Strauss nicht zu Unrecht als »Luxusausgabe«13 bezeichnet; für die Musizierpraxis war sie wegen des großen Formats und des einseitigen Drucks allerdings nur bedingt geeignet. In dieser Erscheinungsform, drei Jahre nach der Komposition und den juristischen Streitigkeiten, kann man sowohl einen Erfolg des Komponisten sehen (der tatsächlich einen Verleger gefunden hatte), als auch einen Ausdruck des Scheiterns (wenn man die geringe Reichweite des Cassirer-Drucks mit einer »normalen« Notenausgabe vergleicht).14

Jürgen May hat das Liederjahr 1918 mit der »Krämerspiegel-Affäre«15 exakt rekonstruiert (und dabei manche Narrative widerlegt16). Die maßgeblichen Akteure der Geschehnisse waren neben Strauss und Bote & Bock Friedrich Rösch, Jugendfreund von Strauss, Komponist, Dirigent und Jurist, außerdem Mitstreiter bei der Genossenschaft Deutscher Tonsetzer (GDT), deren Vorsitzender Strauss war (Rösch wurden die Lieder von Strauss auch gewidmet17), sowie das Verlagshaus Fürstner. Alfred Kerr war gewissermaßen nur Auftragnehmer und erst später, als es um Aufführungen der Lieder ging, Ziel von juristischen Vorstößen von Bote & Bock.18 Mays Aufsatz Kunst als Ware und Waffe19 markiert den aktuellen Forschungsstand: Der Krämerspiegel sollte Strauss und Rösch 1918 für einen Winkelzug gegen das Verlagshaus Bote & Bock dienen, dem Strauss gemäß Verlagsvertrag zur Symphonia domestica von 1903 »die nächsten 12 neuen Lieder, die ich herausgeben oder komponieren würde«, zugesagt hatte.20 Die Sechs Lieder op. 56 waren 1906 bei Bote & Bock erschienen, sechs weitere Lieder standen noch aus (eine zeitliche Frist für die Resterfüllung des Vertrags war nicht gesetzt). Der Verlag Bote & Bock hatte sich während Strauss’ und Röschs Eintreten für die Rechte der Komponisten an der Verwertung ihrer Werke im Rahmen der GDT mittlerweile jedoch zu einem Gegner entwickelt, mit dem Strauss nicht mehr kooperieren wollte.21 Die überwiegend im Februar 1918 komponierten und Anfang Mai fertiggestellten Sechs Lieder nach Gedichten von Clemens Brentano wollte er deshalb bei Fürstner verlegen – was aber im Widerspruch zum gültigen Vertrag mit Bote & Bock stand. Strauss bat den Verlag am 26. Mai 1918 unter Verweis auf die beiderseitige Gegnerschaft, die eine Zusammenarbeit im Grunde ausschließe, auf die alten Ansprüche zu verzichten.22 Bote & Bock lehnte dies ab. Dass die sechs Brentano-Lieder bereitlagen, hatte Strauss verschwiegen. Stattdessen sollte der ungeliebte Verlag, wenn er schon nicht zum Verzicht bereit war, nun mit den (auffälligerweise nur einen Tag vor Strauss’ Kontaktaufnahme mit Bote & Bock vollendeten und die Ansprüche zahlenmäßig sogar übererfüllenden) zwölf satirischen Liedern des Krämerspiegel konfrontiert werden – eine »gezielt[e] Provokation«23 in der ausdrücklichen Hoffnung, Bote & Bock würde diese bittere, den GDT-Dissens verarbeitende Kost verschmähen und nun endgültig einer weiteren Zusammenarbeit juristisch belastbar entsagen.24

Das bedeutet: Nicht der Verlag Bote & Bock eröffnete das Spiel, indem er aus eigenem Antrieb nach langer Wartezeit vertragliche Restansprüche einforderte, wie bislang oftmals angenommen,25 sondern Strauss und Rösch waren es, die das Thema aufbrachten. Die Komposition des Krämerspiegel war demnach keine Reaktion auf einen an die Tür pochenden Verlag, vielmehr schrieb Strauss die zwölf Lieder aus eigenem Antrieb und verwendete sie, um ein Scharmützel vom Zaun zu brechen.26 Im Erfolgsfall hätte er sich damit einer alten, unlieb gewordenen Verpflichtung entledigt und zugleich freie Hand gehabt, den Krämerspiegel nach Belieben zu veröffentlichen und Bote & Bock damit »eine Lektion zu erteilen«.27

Der Plan verfehlte beide Ziele. Zwar wurde der Krämerspiegel tatsächlich abgelehnt, doch ging damit nicht der erhoffte Verzicht auf weitere Strauss-Lieder einher. Darüber hinaus war Bote & Bock über den Krämerspiegel und dessen textliche Angriffe derart verärgert, dass die Angelegenheit noch vor Oktober 1918 vor Gericht kam. Dort wurde offenkundig nicht nur der genannte Bann öffentlicher Aufführungen über den Krämerspiegel verhängt; Strauss wurde zudem verpflichtet, Bote & Bock sechs unbedenkliche Lieder – Paul-August Koch verwendet hierfür die Formulierung sechs »richtige Lieder«28 – zu überlassen. Auch die während dieser Ereignisse komponierten Fünf kleinen Lieder nach Texten von Achim von Arnim und Heinrich Heine wollte Strauss allerdings nicht dafür heranziehen, sondern bei Fürstner publizieren. Um die gerichtlich auferlegte Bringschuld gegenüber Bote & Bock zu begleichen, komponierte Strauss folglich noch jene Sechs Lieder, die die Opuszahl 67 bekamen und die er bis zum 21. Dezember 1918 abschloss.29

Interessant ist insbesondere die Rolle der auf Strauss’ Seite beteiligten Akteure. Das Verlagshaus Fürstner, Strauss’ Hauptverleger und in Sachen GDT mit Strauss weitgehend solidarisch, war in das Vorgehen gegen Bote & Bock nicht nur eingeweiht, sondern diskret unterstützend daran beteiligt (und wurde in den Schmähgedichten auch nicht genannt): Über Fürstner wurde beim Kopisten Portwich eine Abschrift der Lieder beauftragt30 und vom Verlag aus zusammen mit den Autographen zur Prüfung an Rösch geschickt. Fürstner war informiert, dass Strauss hoffte, Bote & Bock würde im Ärger über den Krämerspiegel auf jeglichen Restanspruch verzichten, sodass Strauss die Spottlieder anderweitig (gegebenenfalls im Selbstverlag) herausbringen könne.31 Bei Fürstner stellte man gemeinsam mit Strauss auch Überlegungen an, mit welchen Opuszahlen man die Lieder des Jahres 1918 tarnen müsse, um vor Bote & Bock sowohl die überwiegend vor dem Krämerspiegel entstandenen Brentano-Lieder als auch die Fünf kleinen Lieder geheim zu halten, damit Bote & Bock darauf keinen Anspruch erheben könne.32 Noch wichtiger war der Beitrag von Friedrich Rösch: Als der juristische Stratege zeigte er Strauss vorab diverse Szenarien auf, wie Bote & Bock auf den Krämerspiegel reagieren könnte und welche Konsequenz auf das eigene Vorgehen das fürderhin hätte; Röschs Vorschläge reichten bis hin zu vorformulierten Briefen.33 Rösch war es schließlich auch, der anregte, Strauss möge den noch auf dem Autograph vermerkten Zyklus-Titel »Die Händler und die Kunst« (siehe Faksimile) überdenken und einen »witzigeren Titel« wählen, was zum Ergebnis Krämerspiegel führte.34 Recht sollte Rösch dabei mit seiner musikalischen Einschätzung behalten: »Die komponierten Händler sind großartig. Es kann ein Mords-Ulk werden – etwas für die Musikgeschichte!«35

Alle Strategie half am Ende nicht. Immerhin gelang es tatsächlich, durch die Opuszahlen offiziell eine solche Reihenfolge zu etablieren, dass Bote & Bock nicht jene Lieder bekam, die Strauss bei Fürstner publizieren wollte: Da man den von Bote & Bock abgelehnten Krämerspiegel mit der Opuszahl 66 zum erstentstandenen Liederopus des Jahres 1918 deklariert hatte (auf dem Autograph ist die Zahl hinter dem mit Tinte geschriebenen »op.« mit Bleistift ergänzt), wirkten die mit der Opuszahl 67 versehenen gerichtlich verfügten Lieder (deren Autographe Strauss auffallenderweise undatiert und von denen er bei Fürstner eine Abschrift für Bote & Bock erstellen ließ) wie das schlüssige Objekt der befohlenen Vertragserfüllung. Sobald das Kapitel Bote & Bock mit dem Erscheinen dieser Lieder 1919 geschlossen war – man achtete bei Fürstner peinlich darauf, dies abzuwarten36 –, brachte Fürstner die Brentano-Lieder als Opus 68 und die Fünf kleinen Lieder als Opus 69 heraus (an diese etablierte Reihenfolge hält sich auch die vorliegende Edition). Der Krämerspiegel aber lag im Giftschrank und wurde vorerst nirgends verlegt, auch nicht im Selbstverlag oder gar bei Fürstner, der trotz seiner Mitwirkung eine Publikation aus Rücksichtnahme auf seine Verlegerkollegen ebenfalls abgelehnt hatte.37

Diese Ereignisse mögen den Liedern op. 67 den Beigeschmack einer Strafarbeit verleihen, doch wird ihnen das nicht gerecht: Natürlich wirkt es bezeichnend, dass Strauss für die ersten drei Lieder auf gesungene Passagen der im Wahn klagenden Ophelia aus Shakespeares Hamlet (in der deutschen Übersetzung von Karl Simrock) zurückgriff und für die Lieder Nr. 4–6 Gedichte aus den »Büchern des Unmuts des Rendsch Nameh« aus Goethes West-östlichem Divan wählte.38 Insbesondere der Text des zweiten Goethe-Liedes liest sich fast wie ein Kommentar zu den vorangegangenen Streitigkeiten.39 Ebenso fällt auf, welch musikalisch herben Charakter Strauss gleichermaßen den dissonant-lichten Ophelia-Liedern und den sperrigen Unmut-Liedern verlieh. Wollte er hier seinen eigenen »Unmut« zum Ausdruck bringen und dem Verlag, wie Reinhold Schlötterer formuliert, einen »Denkzettel« verpassen40 – sogar hintersinniger als beim Krämerspiegel, da Vertonungen nach Shakespeare und Goethe über jeden Zweifel erhaben sind, »richtige« Lieder zu sein?41 Das ist plausibel, und musikalische Merkmale wie der Umstand, dass Strauss das ausgedehnteste Melisma im Lied op. 67 Nr. 6 ausgerechnet dem Wort »Kot« zugedacht hat, unterstreichen den Eindruck. Die musikalische Stilistik und Textauswahl lassen die Lieder aber zugleich eindrucksvoll avanciert und eigenständig erscheinen.42 Dass der humanistisch gebildete Strauss Texte des von ihm verehrten Goethe zur bloßen Agitation genutzt haben sollte, wäre ungewöhnlich43 – zumal speziell Texte aus dem Divan-Kontext für seine späteren Lieder von großer Bedeutung werden sollten und ihm am Herzen lagen. Bemerkenswert ist auch, dass Strauss bei den drei Ophelia-Liedern Dramenausschnitte zur Grundlage von Liedern machte, was innerhalb seines Liedschaffens eine Ausnahme darstellt (es entsteht beinahe die Anmutung kleiner, intimer Opernszenen). Die ausgewählten Verse sind im Drama als Gesang der Ophelia gekennzeichnet, aber durch gesprochene Passagen unterbrochen. Strauss hat auch deshalb diesen Liedern in seinem Skizzenbuch Tr. 44 etliche Seiten gewidmet und dort die zu vertonenden Verse erst einmal so aus dem Drama extrahiert, dass sie die Form von Liedertexten annehmen (siehe Faksimile). Die Skizzen zu den drei Goethe-Liedern im Skizzenbuch Tr. 43 sind ebenfalls ausführlich und detailliert. Dieser Einblick in den Arbeitsprozess weist zwar darauf hin, dass Strauss die Lieder op. 67 nicht leicht von der Hand gingen, er zeugt aber zugleich von Sorgfalt und Qualitätsanspruch – auch bei dieser gerichtlich verfügten Komposition.

In künstlerischer Hinsicht sind auch die weiteren Lieder von 1918 unabhängig vom Krämerspiegel zu betrachten; immerhin entstanden die Brentano-Lieder überwiegend sogar früher im Jahr. Was bewog Strauss dazu, die Liedkomposition nach zwölfjähriger Unterbrechung hiermit wieder aufzunehmen? Die einstige Erklärung, der Verlag Bote & Bock habe durch aktives Pochen auf Resterfüllung des Vertrages von 1903 dazu beigetragen, scheidet nach der Neubewertung der Vorgänge um den Krämerspiegel ja aus. Jürgen May weist darauf hin, dass bei Strauss’ Rückbesinnung auf das Lied auch der Einfluss der Sopranistin Elisabeth Schumann – die Strauss um 1917 kennengelernt hatte und mit der er von Mitte Oktober bis Ende Dezember 1921 eine Amerika-Tournee unternehmen sollte – in der Strauss-Literatur wohl überschätzt wird. Dennoch liefert Strauss’ Konzerttätigkeit eine plausible Erklärung: Weniger mit Elisabeth Schumann, sehr wohl aber mit dem Bariton Franz Steiner verband ihn schon vor 1918 eine enge Zusammenarbeit, und vor allem für die Jahre 1916 bis 1918 weist May nach, dass sich Strauss wieder verstärkt als Liedbegleiter betätigte. Dies dürfte, so May, auch eine attraktive Möglichkeit gewesen sein, mit relativ geringem Aufwand Einnahmen zu erzielen – Einnahmen, die für Strauss durchaus willkommen waren, denn ein Großteil seines Geldvermögens war auf englischen Banken deponiert gewesen und schon zu Beginn des Ersten Weltkrieges als sogenanntes Feindvermögen konfisziert worden. Das Lied spielte für den Pianisten Strauss somit wieder eine wichtige Rolle; dass es auch der Komponist Strauss erneut für sich entdeckte, erscheint als logischer Schritt.44

Dennoch ist eine Inspiration durch Elisabeth Schumann denkbar – und sei es insofern, als sie einen Sängerinnentyp vertritt, für den Strauss’ frühere Lieder weniger gedacht gewesen waren. Bis 1906 hatte Strauss bei der Liedkomposition häufig seine Frau Pauline als Interpretin im Sinn gehabt. Aus zeitgenössischen Kritiken ist erkennbar, dass deren Stärke in der ausdruckskräftigen Interpretation des Textes und der musikalischen Stimmung eines Liedes lag, weniger im technisch Virtuosen.45 Ein Lied wie Amor op. 68 Nr. 5 mit seinen üppigen Koloraturen wäre Paulines Sache nicht gewesen. Strauss ist nun ein anderer Liedkomponist als vor 1906 – einer, der etwa die Partie der Zerbinetta aus Ariadne auf Naxos geschrieben hat.46 Auch das Lied der Frauen op. 68 Nr. 6 lässt den Opernkomponisten Strauss erahnen – mit seinem dramatischen Gestus, der großdimensionierten formalen Anlage von 295 Takten (nur Von den sieben Zechbrüdern op. 47 Nr. 5 ist damit vergleichbar) und dem üppigen Klavierpart, der in seinen Ausdrucksmitteln an einen Klavierauszug erinnert.47

Doch sind dies bei den neuen Liedern nur einige von vielen Besonderheiten. Wie auch May und Elisabeth Schmierer konstatieren, sind die Lieder des Jahres 1918 als Gesamtkorpus stilistisch ausgesprochen heterogen. Das betrifft auch ihre Texte: zeitgenössische Satire bei Opus 66, Shakespeare und Goethe bei Opus 67, romantische Dichtung bei Opus 68 und 69. Strauss griff hier insbesondere erstmals zu Gedichten von Achim von Arnim und Clemens Brentano; in früheren Jahren hatte er lediglich die von den beiden herausgegebene Sammlung Des Knaben Wunderhorn verwendet.48 Wie stark die Texte auf Strauss wirkten, ist zur Arnim-Vertonung Der Stern op. 69 Nr. 1 überliefert: Die »musikalische Inspiration« habe sich »im Lesen« eingestellt, er habe »das Lied sofort niedergeschrieben« und könne es gleich vorspielen, sagte Strauss zu einem Besucher.49 Die Quellen zeigen, dass man sich darunter freilich kein unmittelbar entstandenes vollständiges Autograph vorstellen darf, denn zu dem Lied existieren im Skizzenbuch Tr. 6 sehr wohl vorläufige Aufzeichnungen – die allerdings die Singstimme bereits nahezu vollständig enthalten; darauf also dürfte sich Strauss’ Aussage beziehen. Im Gedicht-Handexemplar ist das Lied nur angestrichen; kompositorische Vermerke finden sich hier nicht. Das hingegen ist beim Heinrich-Heine-Lied Schlechtes Wetter op. 69 Nr. 5 der Fall: Derart prägnante musikalische Notizen und Skizzen noch im Gedichtband finden sich bei Strauss selten, und auch sie dokumentieren plastisch die Inspirationskraft der Textvorlage (siehe Faksimile). Auf wieder andere textspezifische Weise sticht aus den Liedern von 1918 das Lied der Frauen op. 68 Nr. 6 hervor: Es handelt unter anderem von Frauen, die zu Kriegszeiten in quälender Ungewissheit über das Schicksal ihrer als Soldaten kämpfenden Männer leben. In Europa herrschte Krieg, als Strauss 1918 seine Lieder schrieb; das Lied der Frauen lässt eine diesbezügliche Aktualität erkennen.50

Editorisch sind die Lieder op. 68 und 69 im Wesentlichen als Standardfall anzusehen; für diese Lieder liegen – mit einer Ergänzung bei Opus 69, von der noch zu sprechen sein wird – Quellen vor, deren Verhältnis zueinander sich aus einem zwischen Komponist und Musikverlag koordinierten Drucklegungsprozess ergibt (siehe »Quellenbewertung«). Anders beim Krämerspiegel und bei den Liedern op. 67. Hier führte die komplizierte Druckgeschichte jeweils zu einer besonderen Quellensituation. Der Erstdruck des Krämerspiegel, der seit 1920 offenbar unter Geheimhaltung (rechtliche Schritte der schon 1918 empörten Musikverleger erschienen nach wie vor denkbar) vom Verlag Paul Cassirer vorbereitet wurde und 1921 vorlag,51 weist in einem Maße Abweichungen vom Autograph auf, wie es bei anderen Liedopera nicht zu beobachten ist. Dies reicht bis hin zu zahlreichen falschen Noten oder gar nicht vorhandenen Notengruppen. Nicht alles davon klingt hörbar falsch, doch ergibt die Begutachtung klar, dass es sich bei diesen Lesarten des Erstdrucks nicht um bewusste Veränderungen gegenüber dem Autograph handelt, sondern um eklatante Fehler. Auch enthält der Erstdruck gegenüber dem Autograph zwar die eine oder andere Präzisierung, insbesondere aber eine Vielzahl redaktioneller Ungereimtheiten – auch diese gravierender als bei den Notenausgaben anderer Strauss-Lieder.

Wie ist diese mangelnde Qualität des Krämerspiegel-Erstdrucks zu erklären? Das Autograph weist keine Eintragungen auf, die auf seine Verwendung bei der Drucklegung hinweisen; als Vorlage für den auf Basis einer weiteren Reinschrift im Autographieverfahren erstellten Druck muss ein anderes Dokument gedient haben.52 Und wirklich findet sich zumindest für die Lieder Nr. I, III, V, VI, VII, XI und XII das entsprechende Dokument in der Sammlung der Stanford University. Es handelt sich um ein Konvolut von Kopistenabschriften, das bezeichnenderweise aus der Familie Paul Cassirers stammt (der in Stanford tätige Historiker Peter Paret, der das Konvolut laut beiliegendem Schreiben der Bibliothek übergab, war ein Enkel Paul Cassirers). Etwas untypische und nicht sehr akkurate Eintragungen aus dem Herstellungsprozess, die dennoch klar als solche identifizierbar und im Erstdruck umgesetzt sind, offenbaren die Verwendung der Abschriften bei der Drucklegung.53 Hinzu tritt eine Reihe von Quellenbefunden, die zeigen, dass zahlreiche Eigentümlichkeiten und selbst handfeste Fehler des Erstdrucks in diesen Abschriften nicht nur ebenso enthalten sind (was auch durch ein Abschreiben des Druckes zustande kommen könnte), sondern hier ihren Ursprung haben (siehe »Quellenbewertung«). Es gab zum Krämerspiegel also eine grob fehlerhafte Herstellungsvorlage.54

Festzuhalten ist außerdem, dass der Verlag Paul Cassirer nicht auf Musik, sondern auf bildende Kunst spezialisiert war, wenngleich der Krämerspiegel nicht der einzige Musikdruck in der Firmengeschichte war.55 Zweifelsohne verfügten die von Cassirer beauftragten Notengrafiker über eine gewisse musikalische Sachkompetenz, wie einige Präzisierungen gegenüber dem Autograph und auch gegenüber der Herstellungsvorlage zeigen. Doch treten im Erstdruck ebenso häufig neue Fehler auf. Von einer hochprofessionellen Routine der Notentext-Gestaltung, wie sie aus den meisten, von spezialisierten Musikverlagen publizierten und oftmals in der Leipziger Notenstecherei Röder erstellten Strauss-Notendrucken spricht, kann beim Cassirer-Druck keine Rede sein.56

Damit stellt sich natürlich die Frage der Korrektur, denn üblicherweise kontrollierte Strauss vor der Publikation die Druckfahnen seiner Werke. Es spricht einiges dafür, dass dies hier unterblieb: Das Ausmaß der Fehler ist dafür das stärkste Indiz. Einen weiteren Hinweis gibt ein Brief von Strauss an Otto Fürstner vom 6. September 1921; Strauss ergänzt hier am Rand: »Fragen Sie doch bei Cassirer bitte an, ob der Krämerspiegel noch nicht fertig ist. Ich möchte ihn gerne vor meiner Abreise noch haben.«57 Dass Strauss sich in dieser Angelegenheit an seinen vertrauten Hauptverleger wandte und nicht an den eigentlich zuständigen Verlag, lässt erahnen, dass er in die Drucklegung keineswegs so eng eingebunden war, wie für viele andere Werke belegt, etwa auch für die entstehungszeitlich mit dem Krämerspiegel verbundenen und bei Fürstner verlegten Lieder op. 68 und 69.58 Insgesamt scheint der Austausch mit Cassirer nicht eng gewesen zu sein.59

Man muss somit davon ausgehen, dass beim Druck des Krämerspiegel keine Autorenkorrektur stattfand. Eingedenk der Entstehungs- und Drucklegungsgeschichte wäre das verständlich: 1921, nach der juristischen Auseinandersetzung mit Bote & Bock und dem Bann öffentlicher Aufführungen, mit dem das Werk belegt war, war es für Strauss wohl ein glücklicher Umstand, dass der Krämerspiegel überhaupt noch einen Verleger fand. Gegenüber »normalen« Notendrucken, bei denen ein möglichst fehlerfreier Notensatz oberste Priorität hat, mag dies den Fokus verschoben haben. So bibliophil eindrucksvoll der Erstdruck auch ist, musikalisch und als editorische Quelle ist er unzuverlässig. Weitere Druckausgaben des Krämerspiegel – dazu gleich mehr – kamen erst nach Strauss’ Tod auf den Markt. Folglich stellt Strauss’ Kompositionsautograph die einzige verlässliche authentische Repräsentationsform des Werks dar und muss als Leitquelle die Basis der quellenkritischen Neuedition sein – ungewöhnlich für ein Werk von Richard Strauss, das zu Lebzeiten des Komponisten publiziert wurde.

Auch bei den Liedern op. 67 bestehen große inhaltliche Unterschiede zwischen Autograph und Erstdruck (die sechs Lieder sind hier auf zwei Hefte aufgeteilt). Zwar sind diese nicht so eklatant wie beim Krämerspiegel, und es fallen im Erstdruck sogar musikalisch relevante Bereinigungen typisch Strauss’scher Schreibfehler aus dem Autograph auf; trotzdem ist die Fehlerdichte im Erstdruck auffallend hoch. Die Gründe dafür lassen sich auch hier gut nachvollziehen: Zu den gerichtlich von Bote & Bock erzwungenen Liedern op. 67 ist keinerlei direkter Kontakt zwischen dem Komponisten und dem publizierenden Verlag belegt. Vielmehr schickte Strauss die fertigen Kompositionsautographe zusammen mit einem Begleitschreiben für Bote & Bock Ende 1918 an Fürstner. Dort wurde eine Abschrift angefertigt, die im Januar 1919 ohne Beteiligung des Komponisten von Fürstner über Friedrich Rösch als Mittelsmann an Bote & Bock ging; die Autographe verblieben vorerst bei Fürstner. Offenkundig hat Strauss weder diese Kopistenabschrift, die als Stichvorlage diente, geprüft, noch gibt es aus den folgenden Monaten Hinweise, dass er mit dem vormaligen Gerichtsgegner oder der ausführenden Notenstecherei (der Universitätsdruckerei H. Stürtz A. G., Würzburg) für eine Autorenkorrektur in Kontakt stand.60 Der Erstdruck und die darauf basierenden Folgedrucke vor und nach 1949 müssen somit als von Strauss ungeprüft gelten; die kritische Edition muss primär auf dem Autograph basieren.

Um die Lieder op. 67 wurde es in den Schriftzeugnissen rasch ruhig. Der Krämerspiegel hingegen blieb auch nach seiner Drucklegung ein Stein des Anstoßes, wobei zu den genauen Umständen widersprüchliche Informationen überliefert sind: Alfred Kerr hielt noch 1948 in einem Zeitungsartikel bedauernd fest, der Liederzyklus dürfe »nicht öffentlich aufgeführt werden, weil hier die geneckten Musikverleger mit einem Prozeß drohen«.61 In einem Brief von Julius Kopsch, damals Vorsitzender der GDT, an Strauss hingegen heißt es bereits 1926: »Zu meiner Freude erfuhr ich durch Ihren Brief an die G.D.T., dass der ›Krämerspiegel‹ jetzt zur Aufführung frei sei, und dass keine Notwendigkeit mehr bestehe, die Lieder nur vor geschlossener Gesellschaft vorzutragen.«62 Wie lange der öffentliche Aufführungsbann bestand, ist somit unklar. Nach der Drucklegung bestand er aber definitiv noch einig Jahre: Kerr hatte wohl am 1. November 1925 im Berliner Hotel Kaiserhof eine erste Aufführung vor etwa hundert Zuhörerinnen und Zuhörern mit der »machtvoll-schelmischen«63 Sängerin Sigrid Johannsson und dem Pianisten Michael Raucheisen organisiert (auch diesbezüglich unterscheiden sich die Angaben von Julius Kopsch im eben zitierten Brief; ihm zufolge fand die »Uraufführung« zu dieser Zeit mit Johannsson und Curt Prerauer als Begleiter im Hotel Adlon statt). Der Deutsche Musikalien-Verleger-Verein ging gegen die Aufführung juristisch vor. Kerr, gegen den von musikverlegerischer Seite wegen des Krämerspiegel sogar ein Beleidigungsprozess angestrebt wurde, sicherte bei einem »Schlichtungstermin« zu, »dass er weitere Aufführungen des Werkes, soweit es an ihm liegen würde, nicht mehr betreiben werde«.64 Dennoch kam es genau ein Jahr später im Haus des AEG-Vorstands Felix Deutsch, in dem Strauss verkehrte, zu einer weiteren Aufführung mit Johannsson und Raucheisen. Strauss hörte hier den Krämerspiegel zum ersten Mal im Konzert, auch Kerr war zugegen – und mit den beiden rund 130 Gäste aus der Berliner Gesellschaft. Auch von dieser Aufführung bekam der Verlag Bote & Bock Wind und sandte an Felix Deutsch ein geharnischtes Schreiben,65 das dieser jedoch souverän parierte: Er habe den Liederzyklus aufführen lassen, um dem Komponisten »eine Aufmerksamkeit zu erweisen«. Die Zuhörer seien überwiegend Künstler und Diplomaten gewesen, »die lediglich aus Interesse für Strauss’sche Musik teilnahmen und die Anspielungen des Textes sicherlich nicht verstehen konnten.« Er selbst habe »die Verse nur als einen jener dichterischen Scherze angesehen, wie sie in anderen Ländern vielleicht häufiger sind als bei uns« und die »zu einer Schädigung von bedeutenden und hervorragenden Verlegerfirmen m. Erachtens unmöglich führen können«; dass sich »aus der Angelegenheit erhebliche Differenzen mit Dr. Kerr ergeben haben, die noch in Schwebe sind«, habe er nicht gewusst. Deutsch betont seine gute, langewährende Verbindung mit Bote & Bock und schließt hintersinnig mit der Aussage, er könne »nur nochmals mein lebhaftes Bedauern darüber ausdrücken, dass die Aufführung eines Werkes von Richard Strauss Ihnen Anlass zu einer Beschwerde geben konnte.«66

Strauss hatte sich an diesem Konzertabend offenbar eher interpretationskritischen als juristischen Gedanken gewidmet, wie von Kerr überliefert: »Sein Gesicht war jetzt so ruhevoll wie fast immer. Dann, als die zwölf Lieder aus waren, begann er unaufheblich die Kritik. Raucheisen, der am Flügel war, habe zu lyrisch begleitet – ›das muss mehr buffohaft sein!‹ Mit Sigrid blieb er einverstanden, bloss wär’ ihm eine Männerstimme lieber.«67

Kerr und Strauss blieben einander also weiterhin verbunden, arbeiteten von 1920 bis 1922 sogar an einem humoristischen Opernentwurf, Peregrinus Proteus, und trafen sich hierzu in Strauss’ Garmischer Villa.68 Auch als Kerr aus Deutschland geflohen war und den Komponisten für dessen Zusammenarbeit mit dem NS-Regime aus dem Exil als »Hitlers Kunstkämmerer« kritisierte, hielt er die frühere künstlerische Zusammenarbeit mit Strauss in Ehren.69 Ein Repertoirewerk konnte der Krämerspiegel zu Strauss’ Lebzeiten aber nicht werden. Die Bemühungen des Komponisten, die Lieder 1931 in einem Musikverlag – Bote & Bock, Fürstner oder Adler – erneut herauszubringen, scheiterten70 (erste Überlegungen zu einer Folgeausgabe der Lieder hatte Strauss schon 1928 angestellt71). Noch heute finden sich in Bibliotheken Abschriften der Lieder von fremder Hand, die davon künden, dass zwar (private) Aufführungen stattfanden, gedruckte Noten aber nicht im Umlauf waren. Strauss empfahl daher in seinen späten Aufzeichnungen: »Der Krämerspiegel kann, nachdem Alle [sic] darin direkt Verspotteten nicht mehr am Leben sind, nach meinem Tod unbekümmert neu gedruckt werden, da er sehr witzig u. geistreich ist u. zum Bilde des Humoristen Strauss gehört.«72

Erst 1959, zehn Jahre nach Strauss’ Tod, erschien bei Boosey & Hawkes die erste Musikverlagspublikation der Lieder. Offensichtlich entstand der Neusatz jedoch auf Basis des Erstdrucks und ohne das Autograph zu konsultieren. Immerhin wurden etliche Korrekturen vorgenommen und redaktionelle Ungereimtheiten beseitigt. Die zentralen Lesefehler des Erstdrucks aber sind auch in diesem Druck und in den wiederum darauf basierenden Ausgaben (etwa der Lieder-Gesamtausgabe von Franz Trenner von 1964) noch enthalten. Bekannt ist der Krämerspiegel bis heute in dieser Version. Die vorliegende Edition mit dem Autograph als Leitquelle widerspricht dem an vielen Stellen deutlich und wird folglich – auch bei den Liedern op. 67 – mit manchen Spiel- und Hörgewohnheiten brechen. Solche Gewohnheiten können stark sein: Eine im Krämerspiegel-Erstdruck verfälschte melodische Figur aus dem Klaviernachspiel zum letzten Lied (in T. 60) war sogar in Strauss’ Gedächtnis offenkundig so verankert, dass er sie in seine Orchesterpartitur übernahm, als er das Nachspiel für die Capriccio-Mondscheinmusik heranzog. Trotzdem ist diese Wendung zumindest im Krämerspiegel schlicht ein Notenfehler, verursacht durch eine widersprüchliche Notation in der Herstellungsvorlage (siehe »Quellenbewertung«).73

Krämerspiegel, Lied Nr. XII, T. 60, Klav. o., Oberstimme im Autograph und in der kritischen Edition (oben); dieselbe Stelle im Erstdruck (mittig); Capriccio, Mondscheinmusik, T. 10 nach Ziffer 261, aus dem Krämerspiegel übernommene Stelle, hier Violine I (unten)

Etliche neue Lesarten der vorliegenden Edition gegenüber den bisherigen Drucken sind bei den Liedern op. 66 und op. 67 also keine Neuerungen – obwohl sie als solche wirken. Vielmehr wird erstmals die Gelegenheit wahrgenommen, die Lieder von jenen drastischen Fehlern zu befreien, die die Umstände einst in sie hineinschrieben.

Linien in Strauss’ Liedschaffen ab 1919

Goethe und Schubert als Bezugspunkte

In den letzten drei Lebensjahrzehnten überspannen Strauss’ Liedschaffen in verdichteter Weise Themen und Figuren, die schon früher im Werk eine Rolle spielen. Charakteristisch für die späten Lieder ist, dass diese nicht unvermittelt nebeneinanderstehen, sondern ein regelrechtes Netzwerk bilden. Einen Knotenpunkt bildet dabei der Autor und Denker Goethe: Von den in diesem Band versammelten Liedern ab 1918 basieren acht auf Gedichten aus dem West-östlichen Divan, ein weiteres entstammt den Zahmen Xenien.74 Strauss’ intensive Goethe-Lektüre bezeugen außerdem die sogenannten Späten Aufzeichnungen. Bisweilen wurde deshalb auch die Strauss’sche Musikästhetik in ihrem Verhältnis von Modernität und Romantizität als »Goethean« charakterisiert und die Geschichte stilistischer Wandlungen in Strauss’ künstlerischer Biographie als kontinuierliche Auseinandersetzung mit Goethe erzählt.75 Anknüpfen können derartige Deutungen an Selbstaussagen der 1940er Jahre, in denen der Komponist angab, den gesamten Goethe in chronologischer Folge (nochmals) zu lesen, und dessen Biographie mit der eigenen überblendete: »Nun, da ich selbst alt geworden bin, werde ich noch einmal mit Goethe jung und wieder mit ihm alt – auf seine Art, mit seinen Augen.«76

Goethe ist ein Gravitationszentrum künstlerischer Wahlverwandtschaften und Vehikel persönlicher Beziehungen. So erscheint er in der Widmung der Divan-Vertonung »Durch allen Schall und Klang« an Romain Rolland als Denkfigur einer europäischen Idee, ist aber zugleich Anreger einer Beschäftigung mit der Literatur des Ostens: Über die Figur des Hafis, des persischen Dichters, den der West-östliche Divan besingt, ergeben sich Verbindungen zu Hans Bethges Hafis-Übertragungen, denen sich Strauss in den Gesängen des Orients zuwandte. Auch die Rückert-Vertonungen stehen in diesem Kreis: Die Texte, die Strauss – neben einem weiteren Divan-Gedicht – für seine Vier Gesänge für Baß op. 87 auswählte, waren 1822 in Rückerts Sammlung Östliche Rosen erschienen, die ihrerseits mit einem Widmungsgedicht Zu Goethe’s west-östlichem Diwan beginnt. Im Medium der Goethe-Rezeption findet auch eine Kommunikation mit Protagonisten des nationalsozialistischen Regimes statt, mit denen Strauss Umgang pflegte. Das Bächlein, mit dem er dem Goethe-Verehrer Joseph Goebbels und sich selbst im November 1933 zur Einrichtung der Reichsmusikkammer gratulierte, weist dabei eine Brechung auf: Die Verse stammen, anders als im Autograph und in zahlreichen gedruckten Quellen des Gedichts behauptet, nicht von Goethe, sondern von Charlotte von Oth.77 Auch die für Strauss’ Tätigkeit in Wien relevanten Beziehungen zum dortigen Reichsstatthalter Baldur von Schirach profitierten von dessen Goethe-Affinität. Gerade unter dem Blickwinkel der gemeinsamen Goethe-Verehrung gewinnt Strauss’ Wiener Umfeld der frühen 1940er Jahre, dem auch die für die Liedkomposition relevanten Autoren Gerhart Hauptmann und Josef Weinheber angehörten, an Komplexität.78 Der bisweilen als »Dichterfürst« stilisierte Hauptmann war bereits zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 1932, der mit dem 100. Todesjahr Goethes zusammenfiel, mit dem Klassiker in Verbindung gebracht und gemeinsam gefeiert worden.79

Schon in den 1920er Jahren berührten sich die für Strauss wichtigen Einflussgrößen Goethe und Wien in den Gesängen des Orients. Sie sind Elisabeth Schumann und Karl Alwin gewidmet, zu denen Strauss während seiner Leitung der Wiener Hofoper ein enges Verhältnis pflegte. Die Nähe dieses Opus zu Strauss’ langanhaltender Auseinandersetzung mit dem West-östlichen Divan ist über die bereits erwähnte Anthologie Hafis gegeben, der vier von fünf Texten von op. 77 entstammen: In der Sammlung hatte Hans Bethge Gedichte des persischen Dichters Hafis ins Deutsche übertragen – jenes Autors, der Goethe im Divan als Anreger und Gesprächspartner dient. Zu Bethge hatte ein erster Kontakt bereits 1916 bestanden, als dieser sich an Strauss wandte und ihm unter anderem seine Gedichtsammlung Die Chinesische Flöte, die bereits Mahler im Lied von der Erde verwendet hatte, zur Vertonung vorschlug. Strauss folgte dieser Anregung nicht und griff erst gut zehn Jahre später zu Texten Bethges, allerdings ohne dass der Autor dies initiiert hätte. Wie einem Brief an den Komponisten zu entnehmen ist, erfuhr Bethge erst während der Drucklegung von Strauss’ Werk: »Freunde senden mir einen Zeitungsausschnitt, aus dem hervorgeht, daß Sie 5 Lieder aus meinen orientalischen Versbüchern vertont und zu einer Suite ›Gesänge des Orients‹ zusammengeschlossen haben. Als alter Anhänger Ihrer Musik […] freue ich mich außerordentlich über diese Vertonung und wäre Ihnen für einen Bescheid verbunden, um welche Gedichte es sich handelt.«80 Dieser Bitte konnte Strauss nicht unmittelbar nachkommen: »[Leider] muss ich […] gestehen, daß ich Ihnen die Titel der schönen Lieder […] augenblicklich nicht nennen kann. Die Bücher sind in Garmisch u. als Manuskript beim Verleger.«81 Diese Bemerkung ist zugleich die letzte Spur von Strauss’ Autographen – sie müssen ebenso wie mutmaßliche weitere Quellen aus der Drucklegung als verschollen gelten.82 Dass Strauss keine Titel nennen konnte, mag mit einem besonderen Umgang mit den Textvorlagen zusammenhängen: Das ungewöhnlich lange letzte der fünf Lieder op. 77 ist das Ergebnis einer Kompilation von fünf kürzeren, nicht in Verbindung stehenden Gedichten durch den Komponisten.83 Wie Strauss hier konkret vorging, bleibt offen: Sein Handexemplar von Bethges Anthologie weist lediglich die üblichen Markierungen vertonter Texte, aber keine darüberhinausgehenden Skizzen oder Querverweise auf.

Neben die Zentralgestalt Goethe tritt in vielen späten Liedern die für Strauss charakteristische Aneignung von Musikgeschichte. Eine besondere Rolle nehmen hier die Lieder Franz Schuberts ein, die eine mit Goethe vergleichbare ›klassische‹ Bedeutung für ihre Gattung besitzen. Dies betrifft etwa Das Bächlein (in der vorliegenden Edition erstmals in der Originaltonart G-Dur gedruckt, siehe »Quellenbewertung«), das an mehreren Stellen an zwei der berühmtesten Schubert-Lieder angelehnt scheint: das Heidenröslein, notabene eine Goethe-Vertonung in G-Dur, und das erste Lied der Schönen Müllerin. Auch hier dürften die Vorlieben des Widmungsträgers – Joseph Goebbels – eine Rolle gespielt haben.84 Es sind gerade solche Lieder Schuberts mit einem starken lyrischen Ich, die Strauss besonders anzogen und die womöglich auch biographisch motiviert verstanden werden können. Dies gilt für Rückerts Vom künftigen Alter, das Schubert 1823 als Greisengesang (D 778) vertont hatte; Strauss komponierte den Text ein volles Jahrhundert später unter Rückerts Titel und sah das Lied zunächst für seinen Nachlass vor. Bekannt gewesen sein mag ihm auch die Vertonung seines einstigen Förderers Alexander Ritter, der den Text vermutlich in den späten 1880er Jahren als Im Alter im Stil der Wesendonck-Lieder in Musik gesetzt hatte.85 Noch Strauss’ letzte vollendete Komposition weist Spuren einer Auseinandersetzung und Identifikation mit dem Werk Schuberts auf: Die Klavierbegleitung des 1948 entstandenen Liedes Malven (siehe Faksimile) erinnert an Des Baches Wiegenlied, mit dem Die schöne Müllerin endet; dessen Todesnähe spiegelt sich auch in Strauss’ Widmung an Maria Jeritza wider: »Der geliebten Maria diese letzte Rose«.

Franz Schubert: Des Baches Wiegenlied (Die schöne Müllerin)
Richard Strauss: Malven
Adressierte Kompositionen und ihre Netzwerke

Der Begriff »Gelegenheitskompositionen« beschreibt nur unzureichend das Verhältnis, in dem die vielen liedhaften Kleinformen, die Richard Strauss von 1919 bis zu seinem Tod 1949 schuf, zu größeren, vermeintlich werkhafteren Kompositionen stehen. Denn auch die Widmungskompositionen, die nicht primär auf eine (ggf. spätere) Publikation hin entstanden, speisen sich textlich aus jenen Quellen, denen der späte Strauss besondere Aufmerksamkeit schenkte, und bewegen sich mit einer Länge von fünf bis 39 Takten (56, wenn auch Das Bächlein in diese Kategorie zählen soll) zwischen musikalischem Telegramm und ausgearbeitetem Lied. Beispielhaft für dieses Spektrum ist der 24-taktige Sinnspruch nach einem Gedicht aus dem West-östlichen Divan. Das Lied erschien mit dem Vermerk »Für den Almanach komponiert« in gedruckter Form in der Aufsatzsammlung Almanach 1920 im Verlag des Berliner Zeitungsmoguls Rudolf Mosse und übersteigt damit den Rahmen der bloßen persönlichen Aufmerksamkeit, ohne diese Funktion abzulegen.86 Ob Strauss den Sinnspruch tatsächlich für den Almanach anfertigte, bleibt aber vorerst ebenso unklar wie die Einbeziehung des Komponisten in die Drucklegung.87

Meist beschränken sich die Widmungen der späten Lieder nicht auf bloße Reverenzen, sondern tragen eine persönliche Note. So etwa bei »Durch allen Schall und Klang«: Für die Festschrift zum 60. Geburtstag von Romain Rolland, mit dem einst in der Vorbereitung der französischen Fassung der Salome ein enger Kontakt bestanden hatte, vertonte Strauss wiederum ein Divan-Gedicht und eignete es dem Kollegen »zum 29. Januar 1926« pathetisch zu:88 »dem großen Dichter und hochverehrten Freunde, dem heroischen Kämpfer gegen alle ruchlosen an Europas Untergang arbeitenden Mächte mit dem Ausdruck treuester Sympatie [sic] und aufrichtigster Bewunderung«. Dem Anlass entsprechend kulminiert das Lied im Glückwunsch »Dein Leben daure lang, dein Reich beständig«, mit dem Strauss den Freund, aber auch sich selbst im Blick haben mochte: Entstanden war das Lied am 11. Juni 1925, Strauss’ eigenem Geburtstag. Strauss notiert hier nicht nur auffällig makellos, sondern auch den Gesangstext in lateinischer Schrift (und nicht wie üblich in Kurrent). Womöglich hatte er den nicht-deutschsprachigen Leser also schon bei der Niederschrift im Blick. In der Festschrift erschien das Lied in Form einer Reproduktion von Strauss’ Handschrift.89

Ähnlich sentenzenhaft wirkt Strauss’ musikalischer Gruß zu Gerhart Hauptmanns 80. Geburtstag im November 1942.90 Hier inszeniert Strauss die Geistesgemeinschaft schon in der Textauswahl – diesmal ein Goethe’sches Xenion: »Nichts vom Vergänglichen, wie’s auch geschah! Uns zu verewigen, sind wir ja da!«91 Trotz (oder gerade wegen) der Kürze lohnt es sich, den Kontext zu betrachten, in den sich Strauss’ Widmung an den »großen Dichter und hochverehrten Freunde« fügt. Mit Hauptmanns 80. Geburtstag verbindet sich ein Netzwerk von Personen im Wien des Jahres 1942: Joseph Gregor, der mit und für Strauss an mehreren Libretti gearbeitet hatte, publizierte zu diesem Datum einen Gratulationsartikel in der Zeitschrift Der Augarten.92 Ihr Herausgeber war der Dichter Josef Weinheber, dessen Gedichte Sankt Michael und Blick vom oberen Belvedere Strauss bereits Anfang 1942 vertont hatte. Strauss griff dabei seinerseits auf zwei Gedichtbände zurück, die ihm Weinheber im Dezember 1941 mit Widmungen versehen überreicht hatte.93 In dieser Perspektive erscheinen die Liedkompositionen des Jahres 1942 als Ausdruck eines regelrechten Widmungskartells.

Auch die bereits erwähnte Widmung von Das Bächlein an Joseph Goebbels weist diese enge Verbindung von Inhalt und Zweck auf: Strauss hatte das Lied dem Propagandaminister »zur Erinnerung an den 15. November 1933« zugeignet – den Geburtstag von Gerhart Hauptmann,94 vor allem aber jenen Tag, an dem die Reichsmusikkammer mit einem Festakt eingeweiht worden war.95 Mit Blick auf den Anlass mussten die pseudo-goetheschen, melismatisch hervorgehobenen Schlussworte »der soll mein Führer sein« äußerst suggestiv wirken. Überreicht wurde das Lied bereits zwei Tage nach der Niederschrift am 5. Dezember 1933 im Rahmen eines Gesprächs zwischen Komponist und Minister in Berlin. Es fällt damit in einen unmittelbar politischen Kontext, in dem Strauss versuchte, seine Kompetenzen als Kammerpräsident und »Reichsführer« des Komponistenverbandes Stagma zu konsolidieren. Da es Strauss in diesem Zusammenhang um die Durchsetzung seiner Autorität im Sinne des »Führerprinzips« ging, liegt nahe, dass Strauss mit jenem Schlussvers nicht nur auf den Reichskanzler Adolf Hitler, sondern auch auf sich selbst anspielte.96 Das Bächlein blieb auch über diese Vorgänge hinaus Vehikel der Annäherung an das Regime:97 Die im Jahr 1935 angefertigte Orchesterfassung fiel in eine Phase, in der Strauss für die gefährdete Uraufführung seiner Oper Die schweigsame Frau nach einem Libretto von Stefan Zweig lobbyierte. Die Erstaufführung dieser Orchestrierung im Juni 1942 traf schließlich mit einer Wiederannäherung zwischen Strauss und der nationalsozialistischen Führungsriege zusammen. Freilich intensivierte sich zeitgleich Strauss’ Umgang mit Baldur von Schirach, der mit der Berliner NSDAP-Spitze im Konflikt stand.98 Dass die beiden Weinheber-Lieder (Sankt Michael, Blick vom oberen Belvedere), die womöglich aus diesem Kontakt resultierten, später gemeinsam mit Das Bächlein zu Opus 88 zusammengefasst wurden, entbehrt somit nicht einer historischen Ironie.99

Das mit 19 Takten immer noch vergleichsweise kurze Lied Zugemessne Rhythmen auf ein Divan-Gedicht ist dem Dirigenten, Musikwissenschaftler und Strauss’ späterem Nachfolger an der Spitze der Reichsmusikkammer Peter Raabe gewidmet. Unter den »kleinen« Liedern erfreut es sich besonderer Bekanntheit, die vor allem dem Spiel mit Musikzitaten geschuldet ist: Intertextuelle Versatzstücke beschreiben einen Bogen von einer Kunst, die laut vertontem Text nur ›talentvoll‹ in der Tradition verharre und dabei zur »hohle[n] Mask[e]« werde (Strauss zitiert Brahms’ Erste Symphonie, aber auch Pfitzners Palestrina), zur freien Musik, die sich von der »toten Form« der Vergangenheit abhebe. Auf die entsprechenden Stichworte setzt Strauss Selbstzitate aus Arabella und Tod und Verklärung und zuletzt Wagners Meistersinger-Ouvertüre.100 Mit dieser musikgeschichtlichen Aufladung reagiert Strauss auf eine publizistische Debatte, die musikhistorische Frontstellungen zum Gegenstand hat: Der Musikschriftsteller Walter Abendroth hatte Strauss und seine Musik in einer Monographie über Hans Pfitzner angegriffen, Raabe war Strauss in einem Artikel beigesprungen, woraus sich ein regelrechter »Kleinkrieg« entwickelte.101 Strauss schaltete sich zwar nicht öffentlich ein, bedankte sich bei Raabe für die Parteinahme jedoch mit dem Lied. Auf dessen Autograph notierte er eine Widmung, die mit Abendroths Polemik, aber auch mit der eigenen historischen Position spielt (siehe Faksimile): »Ein im Abendrot des femininen 19. Jahrhunderts auf klanglichen Fettpolstern duselnder Programmmusiker«. Damit greift Strauss eine Stelle aus Abendroths Pfitzner-Buch auf, die Raabe wörtlich zitiert: »Wer diese gehobene Männlichkeit der musikalischen Sprache Hans Pfitzners als asketisch empfindet, der beweist dadurch nur Eines: das [sic] seine verdorbenen Ohren das von anderen Einflüssen her angewöhnte feminine Schwelgen und Duseln in besagten klanglichen Fettpolstern hier vergeblich suchen.«102 Text, Musik und Anlass gehen hier eine enge Verbindung ein – nicht nur, indem Strauss’ Musik die abstrakt angesprochenen Unzulänglichkeiten konkretisiert (und damit ironischerweise selbst fast vollständig zum Derivat gerät), sondern auch, weil schon die Wahl der Vorlage von einer Formulierung Abendroths herausgefordert scheint. Heißt es in Goethes Gedicht »Selbst der Geist erscheint sich nicht erfreulich, wenn er nicht, auf neue Form bedacht, jener toten Form ein Ende macht«, so findet sich bei Abendroth eine begrifflich eng verwandte Stelle:

»Entscheidend ist die innere und äußere Haltung der Musik, ist die Frage, ob der Komponist wußte, daß nur der eigene Geist der Musik ihren Inhalt bilden, nur die keimtreibende Kraft der musikalischen Substanz ihre Form vorschreiben kann – oder ob er glaubte, die musikalische Form sei a priori ein totes Gefäß, dem er erst den ›Inhalt‹ einer außermusikalischen Idee, eines programmatischen Gedankens mußte angedeihen lassen.«103

Auch für Polemik zeigen sich die Anlasskompositionen offen. Das nur fünf Takte lange musikalische Aperçu »Wie etwas sei leicht« eignete Strauss der Wiener Journalistenvereinigung Concordia zu deren Festveranstaltung im Jahr 1930 zu; ein Faksimile des Autographs lag dem als »Ballspende« verbreiteten Bändchen Wiener Spazierreime bei.104 Der journalistische Hintergrund legt nahe, den Text »Wie etwas sei leicht, weiß, der es erfunden und der es erreicht.« auf Strauss’ Geringschätzung der Musikkritik zu beziehen. Den Anlass für Strauss’ »kleine Ballspende« (wie es in der autographen Widmung heißt) gaben allerdings wohl persönliche Beziehungen: Beim Herausgeber des Bändchens, Julius Bauer, handelte es sich um einen engen Freund der Familie Strauss.105

Noch Malven, das letzte abgeschlossene Werk, das Strauss hinterließ, weist eine persönliche Signatur auf. Mit der Widmung »Der geliebten Maria diese letzte Rose« inszeniert Strauss sich und seine Lebenssituation noch einmal im Lichte seines eigenen Werks. Etwa ein halbes Jahr vor Malven hatte Strauss der befreundeten Sängerin Maria Jeritza bereits das Particell von September mit den anspielungsreichen Worten dediziert: »›Der schönsten Frau der Welt‹, der erhabenen ›Kaiserin‹, großmächtigsten ›Prinzessin‹, Mari-adne, Mari-andl«.106 Die Übereignung von Malven fand schließlich unter einem Vorbehalt statt: »Bevor ich am 15. Dezember meine Vergnügungsreise in die Klinik angetreten habe, habe ich noch beiliegendes Liedchen angefertigt. Vielleicht kann ich Ihnen damit ein kleines Vergnügen bereiten. Bitte lassen Sie es für mich fotografieren u. behalten Sie das Manuskript!«107 Mit der Schenkung verbindet sich die besondere Überlieferungsgeschichte des Werks: Das Autograph wurde erst 1984, nach Jeritzas Tod, bekannt und so die Existenz dieses tatsächlich letzten Liedes, die bis zu diesem Zeitpunkt Gegenstand von Spekulationen gewesen war, überhaupt erst bestätigt.108

Eine personalisierte Komposition ganz eigener Art stellt das Recitativ dar (siehe Faksimile). Ähnlich Zugemessne Rhythmen handelt es sich um einen – durchaus hintersinnigen – musikalischen Spaß. In diesem kurzen Stück karikiert Strauss ein klassisches Opernrezitativ, wie mehrere Elemente zeigen: der enorme Ambitus (Ga1) mit grotesken Sprüngen (etwa auf die letzten beiden Silben der Pfitzner-Anspielung »Palestrina«), eine entstellende enharmonische Verwechslung (im c-Moll-Schlussakkord wird die Terz als dis notiert), aber auch der kuriose Text, in dem München als »Hansastadt« tituliert, der Empfänger der Takte als »Generalmusikdoktor« (wobei »doktor« auf eine Achtelnote trifft) apostrophiert wird und diverse Invektiven gegen Hans Pfitzner untergebracht sind. Beim Empfänger handelt es sich um den Dirigenten Hans Knappertsbusch, den Strauss mit dieser musikalischen Postkarte auffordert, sich bei einer geplanten Probe für Die Frau ohne Schatten zugunsten einer Skat-Verabredung vertreten zu lassen.109 Als Komposition für eine Singstimme und Klavier erscheint das Recitativ in diesem Band erstmals im Notensatz.

Liederprojekte für die Nachwirkung

Immer wieder finden sich in Strauss’ späten Liedern Reflexionen über die eigene historische Position.110 Bisweilen münden diese Überlegungen in die Selbststilisierung als Abschluss der Musikgeschichte; sie sind so Teil der aktiven Arbeit am eigenen Nachruhm. Möglicherweise steht auch ein über viele Jahre verfolgtes Projekt des späten Strauss in diesem Zusammenhang. Wie schon in den Bänden RSW II/2 und II/3 beschrieben, war Strauss in den 1940er Jahren mit dem Projekt einer Gesamtausgabe seiner Lieder befasst, die jedoch letztlich nicht zur Publikation gelangte.111 Vorbereitet wurde die Ausgabe vom Kapellmeister Kurt Soldan für die Verlage C. F. Peters und Universal Edition (UE), die nach der sog. Arisierung beide von Johannes Petschull geleitet wurden;112 Soldan war schon früher für Peters als Herausgeber tätig gewesen und somit vor allem diesem Verlag verbunden. Strauss und Soldan, der seine Aufgabe mit quellenkritischem Anspruch verfolgte und auch Autographe heranziehen wollte,113 tauschten sich in der Vorbereitung der Ausgabe sogar über editorische Fragen aus. Dies ist insbesondere in einer Briefbeilage für diverse Lieder zwischen Opus 10 und Opus 39 bezeugt und wurde für deren kritische Neuedition im Sinne von Autorenkorrekturen letzter Hand berücksichtigt.114 Auch der Briefwechsel zwischen Soldan und C. F. Peters gibt Einblicke in Soldans akkurate Arbeitsweise.115 Strauss scheint die wichtige Rolle des Peters-Verlags indes nicht klar geworden zu sein. Noch 1947/1948 richtete er seine Korrespondenz zur Lieder-Gesamtausgabe nur an die UE – ohne Fortschritte in der Sache zu bewirken: Nachdem man seitens der UE am 26. Oktober 1946 noch gehofft hatte, das Projekt »neuerlich in Angriff nehmen« zu können, war am 20. Januar 1947 von einer »Stockung infolge der technischen Schwierigkeiten« die Rede; am 11. April 1947 folgte die Mitteilung, das Material für Stich und Druck sei »seinerzeit« nach Leipzig gebracht worden, wohin nun kein Kontakt mehr bestehe.116 Am 26. Januar 1948 vertröstete man Strauss, die Ausgabe sei »zur Zeit noch nicht zu machen«, denn es bestünde noch keine Vereinbarung mit den Originalverlegern der Werke.117 Nachdem Strauss sich wiederholt nach dem Stand des Vorhabens erkundigt hatte,118 schlug die UE am 31. März 1948 ein Treffen in der Schweiz vor, das allerdings nicht zustande kam.119 Auf diese Vorgänge der Jahre 1947 und 1948 dürfte sich Strauss in seinem Brief vom 14. September 1948 an den Prokuristen des Verlags Boosey & Hawkes, Ernst Roth, beziehen, in welchem er klagt: »Ähnlich steht es mit der Gesamtausgabe meiner Lieder, von der U.E. seit 10 Jahren vorbereitet u. ›wegen Papiermangels‹ angeblich u. mangelnden Einverständnisses einiger Originalverleger noch nicht erschienen […].«120 Roth, der Strauss mehrmals traf, als dieser von 1945 bis 1949 in der Schweiz lebte, und zu dieser Zeit als verlegerische Hauptbezugsperson anzusehen ist, bemerkte daraufhin am 8. Oktober 1948, »dass sich die U.E. niemals an uns wegen einer Bewilligung gewendet hat. Und da wir doch einen sehr erheblichen Teil Ihres Liedschaffens vertreten, kann ich nur schliessen, dass es der U.E. zumindest derzeit nicht sehr ernst damit zu sein scheint.«121 Anfang März 1949 erkundigte sich Strauss erneut und drang nun auf eine Neuausrichtung des Vorhabens, nämlich eine Verlagerung zu Boosey & Hawkes (wie er sie Anfang 1948 schon einmal ins Spiel gebracht hatte): »Haben Sie übrigens über die Gesamtausgabe meiner Lieder (incl. der Orchesterlieder) nachgedacht? U.E. macht noch immer keine Miene! Könnte diese Gesamtausgabe nicht in Amerika erscheinen?«122 Roth reagierte am 14. März 1949:

»Ich habe Nachrichten von der U.E., die auch die Gesamtausgabe der Lieder betreffen: die Leute in Wien haben kein Geld und koennen offenbar an die Ausgabe gar nicht denken. Ich habe mit der U.E. ziemlich umfangreiche Verhandlungen ueber Vorkriegsfragen und werde [Lücke im Typoskript] dass wir selbst die Gesamtausgabe machen. Es ist alles dadurch erschwert und verzoegert, dass die Eigentumsverhaeltnisse bei der U.E. noch gar nicht geklaert sind und man nicht weiss, mit wem man es eigentlich zu tun hat.«123

Strauss verlor zunehmend die Geduld und drängte Roth, die Ausgabe in die »kräftige Hand« von Boosey & Hawkes zu nehmen. Mit der UE ging er in diesem Zusammenhang nun immer härter ins Gericht.124 Im November 1948 notierte Strauss in seinem Schweizer Tagebuch: »Dr Roth bereit, Gesamtausgabe der Lieder, die von Universal Edition seit 1939 vorbereitet u. bis heute verzögert (trotz wiederholter Mahnung seitens Franz)[,] für Klavier und Orchester in Angriff zu nehmen.«125

Die Korrespondenz zwischen Strauss und Roth zeigt zum einen, wie wichtig Strauss die Lieder-Gesamtausgabe war.126 Noch Jahre nach seinen Absprachen mit Kurt Soldan Mitte der 1940er Jahre verfolgte er das Projekt beharrlich bis in sein Todesjahr hinein. Dass sich dabei eine Verlagerung des Projekts zu Boosey & Hawkes abzeichnete, ist eine neue Erkenntnis aus der Korrespondenz und dem Schweizer Tagebuch und lässt die vierbändige Gesamtausgabe der Lieder, die Franz Trenner zum 100. Geburtstag von Strauss bei Boosey & Hawkes und Fürstner (London) herausbrachte, in der Tat als Abschluss dieses lange währenden Projekts erscheinen. Zum anderen zeigt sich, dass auch Roth die Rolle von C. F. Peters nicht erkannte (und durch Strauss’ Briefe auch keinen Anlass hatte, an Peters zu denken), denn er erwähnt den Verlag mit keinem Wort. Von Seiten der UE scheint man sich darüber ausgeschwiegen zu haben, wenngleich man am 11. April 1947 in der Bemerkung, das Material zur Gesamtausgabe sei nach Leipzig gebracht worden, Strauss gegenüber immerhin Peters’ Verlagsort erwähnte.127 Sogar Trenner nennt 1964 nur die UE als einst vorgesehenen Verlag der Ausgabe. Dabei wäre Peters der wohl wichtigste Ansprechpartner in dieser Angelegenheit gewesen, wie die Quellen zeigen: Es ist tatsächlich der Archivbestand von Peters im Leipziger Staatsarchiv, in dem sich bis heute Teile von Soldans Stichvorlage (siehe Faksimile) finden. Sie umfassen die Lieder op. 69 und op. 77; Soldan richtete diese auf Basis älterer Druckausgaben handschriftlich ein.128

Dass sich die Stichvorlagen dort finden, ist anhand der überlieferten Korrespondenz erklärbar. Am 27. Oktober 1946 hatte Hedwig Soldan – Kurt Soldan war im Sommer 1946 verstorben – bei Peters angefragt, was mit dem Strauss-Liedermaterial geschehen solle: »Die Strausslieder sind in die Gesamtausgabe eingefügt, die mein Mann fertiggestellt hatte.« Am 18. April und am 7. Mai 1947 hatte Peters Hedwig Soldan um die Herausgabe des Materials zur Gesamtausgabe gebeten; am 7. Mai heißt es: »Wie besprochen, bitte ich Sie, unserem Verlag auch die sämtlichen Unterlagen bezüglich der Strauss-Lieder zu übergeben. Ich bestätige Ihnen hiermit ausdrücklich, daß unser Verlag für die Aushändigung des Strauss-Lieder-Materials volle Verantwortung übernimmt, so daß Sie gegenüber der Universal-Edition in Wien entlastet sind.«129 Strauss und Roth (und womöglich auch die UE) scheinen davon nichts erfahren zu haben.

Auf den ersten Blick wirken die Ausschnitte der Stichvorlage editorisch unergiebig: Bei Opus 69 finden sich in Soldans Handschrift lediglich redaktionelle Eingriffe, die am musikalischen Inhalt im Grunde nichts verändern. Die Stichvorlage zu Opus 77 enthält sogar keinerlei musikbezogene Eintragungen. Insofern führt die Soldan-Stichvorlage nicht zu substanziellen editorischen Änderungen im Sinne von Autorenentscheidungen letzter Hand, wie es in den Bänden RSW II/2 und II/3 auf Basis der genannten brieflichen Detailabsprachen zwischen Soldan und Strauss der Fall war. Dennoch handelt es sich bei der Stichvorlage nicht nur um einen wichtigen Baustein für die historische Rekonstruktion von Soldans Gesamtausgabenprojekt, sondern um eine musikalisch-inhaltlich aussagekräftige Quelle, die im vorliegenden Band erstmals editorisch fruchtbar gemacht wird (siehe »Quellenbewertung«).

Eine spezielle Rolle nehmen in den Bemühungen um die Gesamtausgabe sieben späte Lieder ein. Jene Werke, die unter den Opusnummern 87 und 88 geläufig sind, sah Strauss zunächst für seinen Nachlass vor.130 Später änderte sich diese Einschätzung offenbar: In einem mit »Nachlass« überschriebenen Schriftstück vom Herbst 1945, in dem Strauss sein Gesamtvermögen bis hin zum »Manuscriptnachlaß« inventarisiert, tauchen die Lieder nicht mehr auf131 – mutmaßlich, weil eine Publikation durch die Arbeiten Kurt Soldans unmittelbar bevorzustehen schien.

Zunächst hatte Strauss beide Opera also zur posthumen Publikation vorgesehen. Ob und wie sie Eingang in Soldans Lieder-Ausgabe finden sollten, wird aus der diesbezüglichen Korrespondenz nicht vollends klar. Obgleich sie immer wieder Gegenstand von Verhandlungen im Umfeld der Gesamtausgabe waren, plante man parallel auch eine separate Publikation. So wurde Soldan im August 1944 verlagsseitig mitgeteilt: »Die 7 Lieder sollen zunächst einzeln erscheinen.«132 Auch Strauss selbst ging offenbar von einer Doppelverwertung aus.133 Dass keine dieser Publikationen zu Strauss’ Lebzeiten tatsächlich erfolgte, hat in der Forschung zu einer nicht unberechtigten Skepsis gegenüber der Zusammenfassung der vier Lieder op. 87 und drei Lieder op. 88 unter je einer Opuszahl geführt, die – so das zentrale Argument – vom »Verleger« stamme.134 Bestätigt erscheint dieser Vorbehalt durch eine Anweisung, die Strauss Soldan zukommen ließ, nachdem dieser auf Bitten des Verlags die Rahmendaten der Komposition erfragt hatte: »Ich würde, wenn Sie sie nicht gleich als Nachlaß bezeichnen wollen, den letzten 7 Liedern gar keine Opuszahlen geben!«135 Auch die Entstehung der einzelnen Lieder spricht in beiden Fällen gegen einen unmittelbaren Zusammenhang: Die vier Gesänge op. 87 waren über einen Zeitraum von 13 Jahren komponiert worden, 1922 zunächst Erschaffen und Beleben, 1929 Und dann nicht mehr und Vom künftigen Alter und erst 1935 Im Sonnenschein. Von einer anfänglichen Konzeption als Werkeinheit ist demnach ebenso wenig auszugehen wie bei den drei Liedern op. 88: Das Bächlein war 1933 entstanden, Blick vom oberen Belvedere und Sankt Michael erst 1942.

Gleichwohl geschah die Zusammenfassung der Lieder unzweifelhaft mit Strauss’ Billigung und ging im Fall von Opus 87 sogar unmittelbar auf ihn zurück: In der Münchner Stadtbibliothek wird ein Autograph aufbewahrt, das alle vier Lieder in nummerierter Reihenfolge enthält und diese unter dem Titel »4 Gesänge für Baß« mit einer gemeinsamen Opuszahl »op. 81« versieht (siehe Faksimile).136 Zur Opuszahl »87« führte schließlich Strauss’ Zusammenarbeit mit Soldan und Petschull, deren Gegenstand zugleich auch die Lieder-Gesamtausgabe war. Hatte Strauss zunächst noch vorgeschlagen, bei den »letzten 7 Liedern« von einer Opuszählung abzusehen, so erkundigte sich Soldan im Mai 1944 bei Strauss, ob dieser »es nicht doch vorziehen [würde], uns hierfür Opus-Zahlen anzugeben«.137 Offenbar hatte Soldans suggestive Frage Erfolg, denn schon einen knappen Monat später unterzeichnete Strauss einen Vertrag mit Johannes Petschull als damaligem Verlagschef der UE, der die »Vier Gesänge für Bass« als »op. 87« und die drei übrigen Lieder als unbetiteltes Opus 88 umfasst.138 Auch die anschließende Korrespondenz mit dem Verlag verwendet durchgängig diese Opusbezeichnungen und Werkgruppierungen.139 Schon im Januar 1945 erhielt Strauss einen »Korrektur-Abzug der 4 Baßlieder zur Durchsicht und Druckgenehmigung.«140 Der weitere Fortgang der Arbeiten gestaltete sich allerdings zunehmend schwierig. Die Umstände der Kriegs- und Nachkriegszeit schränkten den Postverkehr ein; zudem reagierte der Komponist mehrfach nicht auf Nachfragen Soldans zu Einzelstellen im Verlauf der (auch für Das Bächlein bereits weit vorangeschrittenen) Drucklegung. Noch im Februar 1946 vermeldete Soldan: »Vorgestern ist die Korrektur des ›Bächlein‹ (Partitur u. Klavierstimme) angekommen, die Strauß im April vorigen Jahres an mich absandte. Leider sind wieder alle Fragezeichen unbeantwortet geblieben!«141 Wenngleich die Publikation der sieben späten Lieder vor Strauss’ Tod nicht zum Abschluss kam, kann die vorliegende Ausgabe die bisherigen Unsicherheiten hinsichtlich der Zusammenfassung und der Opuszahlen auf Basis authentischer Quellen ausräumen. Die Zusammenschau von Gesamtautograph, unterzeichnetem Verlagsvertrag und umfassenden Absprachen zwischen Strauss, Soldan und Petschull verleiht den seit Trenners Lieder-Gesamtausgabe von 1964 verbreiteten Benennungen Opus 87 und 88 nun ein stabiles Fundament.


Unser Dank gilt allen im Kritischen Bericht genannten Archiven und Bibliotheken für die Bereitstellung des für die Edition herangezogenen Quellenmaterials. Des Weiteren danken wir für die Unterstützung der Arbeit am vorliegenden Band: der Familie Strauss, außerdem Florian Amort, Adrian Baianu, Susanne Gilles-Kircher, Ray Heigemeir, Claudia Heine, Katja Kaiser, Adrian Kech, Thekla Kluttig, Dietrich Kröncke, Jürgen May, Reinhold Schlötterer †, Dominik Šedivý, Charlotte Steup, Elisabeth Thomi-Berg und Franziska Weigert. Julian Riem sei herzlich für das Probespielen des neuedierten Notentextes gedankt.


München, März 2022

Andreas Pernpeintner und Sebastian Bolz

 1

Der Arbeitsmann op. 39 Nr. 3, Des Dichters Abendgang op. 47 Nr. 2, Freundliche Vision op. 48 Nr. 1, Winterweihe op. 48 Nr. 4, Winterliebe op. 48 Nr. 5 und Waldseligkeit op. 49 Nr. 1.

 2

Vgl. Alfred Kerr an Richard Strauss, 08.03.1918 und 16.04.1918, D‑GPrsa. Der Briefwechsel liegt auch ediert vor in: Richard-Strauss-Blätter, Neue Folge 39 (1998), S. 34–51. Die im Mai komponierten Lieder sind laut autographer Datierung in Garmisch, die im März geschriebenen Lieder in Amsterdam entstanden.

 3

Vermutlich stammt das Typoskript aus einem frühen Stadium der Werkentstehung, denn einige vertonte Verse sind nicht enthalten (insb. in den Liedern Nr. VI und X); allerdings findet sich bereits der endgültige Werktitel »Kraemerspiegel« (siehe Dokumentation auf der Online-Plattform der Richard-Strauss-Ausgabe). Eigentlich wäre die zitierte Textvariante aus dem Typoskript noch stärker auf den Musikverlag Schott bezogen, die komponierte Variante hingegen klingt fast nach allgemeiner Kriegsrhetorik. Wollte man vermeiden, »den Briten« im Kriegsjahr 1918 explizit als Nicht-Feind zu bezeichnen? Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Strauss in seiner Korrespondenz mit dem Fürstner-Verlag 1919 gegen englische Übersetzungen von Lieder-Gesangstexten (sowie auch gegen italienische Vortragsbezeichnungen im Klavierauszug zu Die Frau ohne Schatten) wetterte: »So ein doppelsprachiger Auszug ist ebenso scheusslich, wie Lieder, denen sofort englische Uebersetzungen unterlegt sind. Es zerstört das ganze Bild und das muss jetzt ganz besonders auf deutsche Reinlichkeit halten.« (Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 17.01.1919, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1919–1925, o. Nr.]). Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass in sämtlichen Erstdrucken (1919) der 1918 entstandenen Lieder keine englische Übersetzung des Gesangstexts vorhanden ist – abweichend von vielen anderen Strauss-Liedern.

 4

Richard Strauss an Paul Cassirer, 10.03.1921, Brief als Faksimile abgedruckt im Erstdruck des Krämerspiegel. Vollständig ist der Brief in der Quellenbeschreibung des Erstdrucks wiedergegeben.

 5

Jürgen May: Kunst als Ware und Waffe. Richard Strauss’ Vertragsstreit mit dem Verlag Bote & Bock und das »Liederjahr« 1918, in: Richard-Strauss-Jahrbuch (2018), S. 9–37, hier S. 37.

 6

Leopold Schmidt: Der Krämerspiegel, in: Berliner Tageblatt, Morgenausgabe, 11.02.1922, S. 2. Zu erwähnen ist, dass Leopold Schmidt mit Strauss schon längere Jahre bekannt war und im Auftrag des Komponisten Werk-Einführungsbücher geschrieben hatte. Vgl. dazu etwa Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 01.05.1912, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.], Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 03.05.1912, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1908–1915, Nr. 359], und Adolph Fürstner [Musikverlag] an Hugo v. Hofmannsthal, 22.06.1912, D‑Ff, Hs 31046,45.

 7

Schmidt: Der Krämerspiegel (wie Anm. 6). Man denke bei den beschriebenen herben Charakterzügen des Werks etwa an die Polyphonie im Lied Nr. IV (der außergewöhnliche Fall eines Liedes in Fugenform) oder an die von Zitaten aus Tod und Verklärung durchwirkte Lust an der Sekundreibung im Lied Nr. IX.

 8

Ebd.

 9

Hartmut Schick: Musikalische Satiren über Kunst und Kommerz: Richard Strauss’ Liederzyklus Krämerspiegel op. 66, in: Jahrbuch 26 (2012) der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Göttingen 2013, S. 107–127, hier S. 126. Barbara Petersen konstatiert, die Singstimme sei »in Teilen des Krämerspiegels, op. 66, fast nebensächlich, während die motivische Entwicklung im Klavierpart das Geschehen bestimmt.« (Barbara A. Petersen: Ton und Wort, Pfaffenhofen 1986 [= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft München 8], S. 71). Eine musikalische Analyse, unter Berücksichtigung der Oper Capriccio, bietet auch Michael Heinemann in seinem Aufsatz zum Krämerspiegel. (Der bedrohte Belcanto. Zu Richard Strauss’ Krämerspiegel, op. 66, in: Richard-Strauss-Jahrbuch (2017), S. 127–136, hier S. 131–136). Vgl. zudem Paul-August Koch: Vom Krämerspiegel zu Capriccio. Ein Blick in das Schaffen von Richard Strauss, Krefeld-Traar 1987, S. 6, sowie Hellmut Federhofer: Die musikalische Gestaltung des »Krämerspiegels« von Richard Strauss, in: Musik und Verlag. Karl Vötterle zum 65. Geburtstag am 12. April 1968, hrsg. von Richard Baum und Wolfgang Rehm, Kassel u. a. 1968, S. 260–267.

 10

Zu den Textinhalten inkl. der jeweils aufs Korn genommenen Verlage und der Bezugnahmen auf bestimmte Verlegerpersönlichkeiten, auf Werke von Strauss oder bestimmte Charaktere daraus vgl. Elisabeth Schmierer: Klavierlieder, in: Richard Strauss Handbuch, hrsg. von Walter Werbeck, Stuttgart 2014, S. 326–347, hier S. 343, und Erich H. Mueller von Asow: Richard Strauss. Thematisches Verzeichnis, Band II, Wien und München 1962, S. 725.

 11

Vgl. Alfred Kerr an Richard Strauss, 08.03.1918, D‑GPrsa.

 12

Vgl. Rahel E. Feilchenfeldt und Markus Brandis: Paul Cassirer Verlag, Berlin 1898–1933, Eine kommentierte Bibliographie, München 22005, S. 403–406. In einem Zeitungsausschnitt vom 8. Mai 1922 ohne weitere Metadaten, der in Kopie im Richard-Strauss-Institut Garmisch-Partenkirchen (D‑GPrsi) aufbewahrt wird, heißt es, der Druck sei »im Buchhandel überhaupt nicht angezeigt« worden. Zum Aufführungsverbot später mehr. Alfred Kerr hatte mit Paul Cassirer schon früher als Herausgeber der Zeitschrift Pan (1910–1915) zusammengearbeitet. Vgl. Heinemann: Der bedrohte Belcanto (wie Anm. 9), S. 127.

 13

Richard Strauss an Bote & Bock [Musikverlag], 10.11.1931, D‑GPrsa. Fingesten (1884–1943) stammte aus Österreichisch-Schlesien; sein eigentlicher Name lautete Michael Finkelstein. Werke von ihm wurden von den Nationalsozialisten 1937 als »entartete Kunst« beschlagnahmt. Eine ähnlich ausgestattete bibliophile Ausgabe wurde 1920 vom Fürstner-Verlag für die Brentano-Lieder op. 68 produziert, allerdings unter Verwendung des schon existierenden Notenstichs (siehe Quellenbeschreibungen). Auch bei den Opern gab es Überlegungen dieser Art.

 14

Im schon zitierten und in der Cassirer-Ausgabe abgedruckten Brief von Richard Strauss an Paul Cassirer vom 10. März 1921 heißt es: »Sehr geehrter Herr Cassirer! Mit großer Freude erfahre ich, daß Sie sich entschlossen haben, den ›Krämerspiegel‹ in Ihren Verlag aufzunehmen. Endlich ein Mann, der den nötigen Humor besitzt, obgleich er selbst Verleger ist.«

 15

May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 13.

 16

Diese haben in den Ausführungen in der 1922 erschienenen zweiten Ausgabe der Strauss-Biographie von Max Steinitzer ihren Ursprung (Max Steinitzer: Richard Strauß in seiner Zeit, Zweite, ergänzte Auflage, Leipzig 1922). Vgl. May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 12.

 17

Rösch hatte erst aus taktischen Erwägungen gezögert, dann die Widmung aber mit »grosse[r] Freude« angenommen. (Friedrich Rösch an Richard Strauss, 11.06.1918, D‑GPrsa). Die Widmung im Erstdruck lautet: »Doktor Friedrich Rösch in heiterer Laune freundschaftlich zugeeignet.«

 18

Allerdings wollte Kerr für die Gedichte kein Honorar: »Sehr verehrter Herr Strauss, die Verschen sind für Sie und für die gute Sache gern geschrieben worden – ich will dafür kein Honorar.« (Alfred Kerr an Richard Strauss, 08.03.1918, D‑GPrsa). 1921, im Zuge der Drucklegung, bot ihm Strauss erneut ein Honorar an: 5000 Mark. Vgl. Richard Strauss an Alfred Kerr, 21.06.1920, Akademie der Künste Berlin, Alfred-Kerr-Archiv, Kerr 352.

 19

Siehe Anm. 5.

 20

Richard Strauss an Bote & Bock [Musikverlag], 26.05.1918, D‑GPrsa.

 21

Zur GDT-Thematik vgl. Michael Karbaum: Strauss und die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer, in: Werbeck: Richard Strauss Handbuch (wie Anm. 10), S. 29–34, hier insb. S. 32, sowie Manuela Schmidt: The Genossenschaft Deutscher Tonsetzer, in: Richard Strauss in Context, hrsg. von Morten Kristiansen und Joseph E. Jones, Cambridge 2020, S. 162–170, hier insb. S. 170.

 22

Vgl. Richard Strauss an Bote & Bock [Musikverlag], 26.05.1918, D‑GPrsa.

 23

May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 34.

 24

Vgl. Friedrich Rösch an Richard Strauss, 22.05.1918, D‑GPrsa, und May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 22–25. Am 26. Juni 1918 heißt es in einem Schreiben von Strauss an den Fürstner-Verlag explizit: »Sobald Bock die Spottlieder (hoffentlich!) abgelehnt hat […]« (Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 26.06.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1913–1918, o. Nr.]).

 25

So klingt es noch bei Elisabeth Schmierer und Michael Heinemann an. Vgl. Schmierer: Klavierlieder (wie Anm. 10), S. 340, und Heinemann: Der bedrohte Belcanto (wie Anm. 9), S. 127. Barbara Petersen meinte sogar, der im Hintergrund schwelende Anspruch von Bote & Bock auf weitere Lieder habe Strauss seit 1906 dazu bewogen, die Gattung über viele Jahre kompositorisch zu meiden. Vgl. Petersen: Ton und Wort (wie Anm. 9), S. 17. Legte man diese Deutungen übereinander, wäre Bote & Bock sowohl für die ›Liederpause‹ als auch zugleich für deren Ende mitverantwortlich gewesen.

 26

Vgl. May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 15.

 27

Ebd., S. 21.

 28

Koch: Vom Krämerspiegel zu Capriccio (wie Anm. 9), S. 6.

 29

Zum Ablauf der Ereignisse vgl. May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 22–30, 32 f. Wie von May recherchiert, sind keine Gerichtsakten erhalten, die Gewissheit über die Prozessdetails geben könnten. Aus von ihm zitierten Zeitungsartikeln geht jedoch hervor, dass es sowohl um den Tatbestand der Verleumdung als auch um Strauss’ vertragliche Pflichten ging. Im Zeitungsausschnitt vom 8. Mai 1922 (siehe Anm. 12) ist zu lesen, die Herausgabe des Krämerspiegel »als eines ›Tendenz-Produktes‹« habe Bote & Bock gemäß Gerichtsurteil nicht »zugemutet werden« können; auf die bereits eingeleitete Beleidigungsklage gegen Strauss hätten die »angegriffenen Verleger« »mit Rücksicht auf die inzwischen erlassene allgemeine Amnestie« mittlerweile verzichtet. Dass es in der Tat auch zu einem Aufführungsverbot kam, zeigen Ereignisse und Äußerungen aus den Jahren 1925 und 1926, auf die noch eingegangen wird. Wie ernst die Angelegenheit war, ist auch daraus ersichtlich, dass Rösch bereits am 6. Juli 1918 in Betracht gezogen hatte, Bote & Bock könne auf den Krämerspiegel mit dem Versuch einer »Beschlagnahme« der Manuskripte reagieren. (Friedrich Rösch an Richard Strauss, 06.07.1918, D‑GPrsa). Aus Strauss’ Korrespondenz mit dem Fürstner-Verlag wiederum ist herauszulesen, dass man zunächst nicht mit der Entstehung der Lieder op. 67 geplant hatte, sondern dass diese als Reaktion auf die Krämerspiegel-Angelegenheiten entstanden, denn im Zuge der Honorarverhandlungen wurden die Brentano-Lieder noch als op. 67 bezeichnet. Vgl. Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 29.05.1918, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1913–1918, o. Nr.].

 30

Vgl. Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 05.10.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 562a]. Es dürfte sich um Eduard Portwich handeln, der Posaunist im Philharmonischen Orchester Berlin war; von ihm war in Strauss’ Fürstner-Briefwechsel schon früher die Rede, insb. als Kopist bei Eine Alpensinfonie und Die Frau ohne Schatten. Strauss war mit der Qualität seiner Abschriften nicht sonderlich zufrieden. Vgl. u. a. Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 21.06.1915, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1908–1915, Nr. 458].

 31

Zwischenzeitlich hatte Strauss überlegt, die Lieder in Tranchen als Beilage zur Zeitschrift Der Merker zu publizieren; Rösch stand dem skeptisch gegenüber. Vgl. Friedrich Rösch an Richard Strauss, 25.05.1918, D‑GPrsa.

 32

In seinem Schreiben vom 10. Dezember 1918 unterbreitete der Verlag Strauss den (letztlich verwirklichten) Vorschlag zur Verteilung der Opuszahlen und schrieb: »Bei unserer letzten Unterredung erwähnten wir auch die in Frage kommenden Opuszahlen Ihrer neuesten Werke. Die richtige Aufstellung ist die folgende: | Opus 64 ›Alpensymphonie‹ | Opus 65 ›Die Frau ohne Schatten‹ | Opus 66 ›Der Krämerspiegel‹ | Opus 67 ›Fünf Lieder‹ für Bote & Bock | Opus 68 ›Sechs Brentano-Lieder‹ | Opus 69 ›Arnim-Heine-Lieder‹. | Ich überlasse es Ihrem Ermessen, ob Sie es für angebracht halten, auch auf dem in Ihren Händen befindlichen Manuskript der Brentano-Lieder die Opuszahl 68 hinzuzufügen und auf den Arnim-Heine-Liedern die Zahl 68 in Opus 69 zu verändern.« (Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 10.12.1918, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1913–1918, o. Nr.]). Dass von »fünf« Liedern op. 67 die Rede ist, dürfte ein bloßer Schreibfehler sein.

 33

Das betrifft sogar Strauss’ Initiationsschreiben an Bote & Bock vom 26. Mai 1918, das fast wörtlich aus einem Vorschlag Röschs übernommen ist. Vgl. Friedrich Rösch an Richard Strauss, 18.05.1918, D‑GPrsa. Zur Rolle Röschs vgl. außerdem May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 21–30. Interessanterweise schrieb Rösch seine Briefe an Strauss auf Briefpapier der Gesellschaft Deutscher Tonsetzer. Rösch nimmt darauf sogar Bezug – was eindrücklich zeigt, wie konspirativ gedacht wurde: »Leider ist unser Genossenschaftspapier und auch unsere Schreibmaschine erheblich verschieden von dem Material, das Du vermutlich auch zu Deinem ersten Brief an Bock verwendet hast. Damit nun Bock ja nicht auf die Idee kommen kann, Dein Brief sei hier in Berlin angefertigt worden, möchte ich Dir empfehlen, meine Vorlage doch erst dort noch einmal abschreiben zu lassen. Aber bitte sorge dann dafür, dass nicht Schreibfehler stehen bleiben, wie in Deinem Original vom 8. Juni. Dass durch diese Manipulation eine kleine Verzögerung von ein paar Tagen eintritt, macht nichts aus […]« (Friedrich Rösch an Richard Strauss, 11.06.1918, D‑GPrsa). Kurioserweise verflüchtigten sich Röschs Bedenken, die GDT als Akteurin erkennen zu lassen, umgehend, und am selben Tag schrieb er nochmals an Strauss: »Solltest Du der Bequemlichkeit und Schnelligkeit halber Deinen hier umgeschriebenen Brief an Bock doch nicht erst noch einmal abschreiben lassen wollen, so wäre es wohl konsequent, dass ich schon aussen auf dem an Bock von hier aus zu expedierenden Paket die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer als Absender erkennen lasse. Dann bekommt dieser von vornherein noch das saure Gefühl, dass man hier von dem vollen Inhalt Kenntnis hat. Man muss sich solche Sachen mit voller Liebe bedenken.« (Friedrich Rösch an Richard Strauss, 11.06.1918, D‑GPrsa). Auch die Aufgabe, Bote & Bock die Lieder in Form einer Abschrift zukommen zu lassen, fiel also Rösch zu.

 34

Friedrich Rösch an Richard Strauss, 01.06.1918, D‑GPrsa. Röschs erster Verbesserungsvorschlag lautete »Händler und Kunst«; doch regte er an, Kerr hinzuzuziehen, ob dem »etwas Schlagkräftigeres« einfiele. Der Titel des auf den 3. August 1918 datierten Widmungsblattes A66/12K lautet dann bereits »Aus dem Krämerspiegel von Richard Strauss«. Ob die Titelfindung auf irgendeine Weise von der Publikation Händler und Helden des deutschen Soziologen Werner Sombart aus dem Jahr 1915 beeinflusst war, lässt sich nicht sagen. Sombart unterscheidet hier zwischen »Händler« und »Held« oder »Händlerseelen und Heldenseelen«, wobei eine Definition von Händler sei, wenn jemand »die Seele eines Krämers und nicht eines Kriegers hat«. Sombart ordnet diesen beiden Kategorien »ganze Völker« als »Händlervölker und Heldenvölker« zu, die er durch die Engländer und die Deutschen als Opponenten repräsentiert sieht. Werner Sombart: Händler und Helden. Patriotische Besinnungen, München und Leipzig 1915, S. 5 f. Möglicherweise nimmt der Titel Krämerspiegel auch auf alte Textgenres Bezug: auf belehrende literarische oder juristische Schriften wie z. B. »Fürstenspiegel« oder »Sachsenspiegel«.

 35

Friedrich Rösch an Richard Strauss, 01.06.1918, D‑GPrsa. Siehe auch Röschs Bezeichnung »Ulk-Lieder« für den Krämerspiegel. Friedrich Rösch an Richard Strauss, 22.05.1918, D‑GPrsa.

 36

Vgl. Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 24.09.1918 und 28.12.1918, jeweils D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1913–1918, o. Nr.], sowie Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 20.02.1919 und 26.04.1919, jeweils D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.]. Von der Fertigstellung brieflich unterrichtet wurde Strauss schließlich in folgenden Schreiben: Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 31.07.1919 (op. 68) und 09.01.1920 (op. 69), jeweils D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.].

 37

Otto Fürstner schrieb am 25. Juni 1918 an Strauss: »Herr Hofrat Rösch telephonierte mich wegen der Spottlieder, die ich zu meinem Leidwesen aus den von Ihnen in Ihrem Briefe vom 6. d. Mts. angegebenen Gründen nicht verlegen kann, an und teilte mir auch mir, dass Bock dieselben ohne ein Wort zurückgeschickt hätte, was ja verständlich ist.« (Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 25.06.1918, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1913–1918, o. Nr.]). Am 6. Juni 1918 hatte Strauss – worauf Fürstner Bezug nimmt – geschrieben: »Die Manuskripte erbitte ich sofort zurück, wenn sie kopiert sind – ebenso die 12 Spottlieder, auf die Herr Fürstner wohl aus Standesrücksichten nicht gut reflektieren kann.« (Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 06.06.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 553]). Eine nicht realisierte Idee scheint auch die Herausgabe der Lieder als Publikation der GDT gewesen zu sein, wie einem Bericht des Musikkritikers und Komponisten Max Marschalk über einen Besuch bei Strauss zu entnehmen: »Zuerst bekomme ich zwölf neue Lieder zu hören. Ich möchte gern etwas über ihren Charakter verlauten lassen, doch habe ich Stillschweigen geloben müssen. Die Laune des souveränen Künstlers tobt sich in ihnen aus, und mit beißendem Witz und rücksichtsloser Schärfe zieht er in ihnen gegen seine und der deutschen Tonsetzer Widersacher vom Leder. Sein Helfer ist Alfred Kerr, der die Gedichte nach Wunsch und Angabe des Meisters verfaßte; und die Widersacher sind diesmal nicht die Kritiker. Diese zwölf ›Lieder‹ werden wahrscheinlich als erste Veröffentlichung des von der Genossenschaft deutscher Tonsetzer geplanten Musikverlages erscheinen.« Max Marschalk: Gespräche mit Richard Strauß, in: Vossische Zeitung, 15.10.1918, Abend-Ausgabe, S. 2, 5, hier S. 5.

 38

Die Goethe-Lieder werden selten aufgeführt; die Ophelia-Lieder finden sich in Konzertprogrammen und auf Einspielungen in aller Regel als zusammenhängende Dreiergruppe.

 39

»Hab ich euch denn je geraten, / wie ihr Kriege führen solltet? / Schalt ich euch, nach euren Taten, / wenn ihr Frieden schließen wolltet? / Und so hab ich auch den Fischer / ruhig sehen Netze werfen, / brauchte dem gewandten Tischer / Winkelmaß nicht einzuschärfen. / Aber ihr wollt besser wissen, / was ich weiß, der ich bedachte, / was Natur, für mich beflissen, / schon zu meinem Eigen machte. / Fühlt ihr auch dergleichen Stärke? / Nun, so fördert eure Sachen! / Seht ihr aber meine Werke, / lernet erst: so, so wollt er’s machen.« Vgl. auch Schick: Musikalische Satiren (wie Anm. 9), S. 122 f.

 40

Reinhold Schlötterer: Die Texte der Lieder von Richard Strauss. Kritische Ausgabe, Pfaffenhofen 1988 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft München 10), S. 25.

 41

Auch Johannes Brahms hatte schon fünf Ophelia-Lieder aus Hamlet vertont, wenngleich die gewählten Textausschnitte nur teilweise mit den von Strauss vertonten übereinstimmen.

 42

Zur Charakterisierung der Lieder op. 67 sowie ihrer Texte vgl. Schmierer: Klavierlieder (wie Anm. 10), S. 343–345. Auch zeitgenössische Rezensionen sind aufschlussreich, vgl. etwa Berliner Tageblatt, 11.06.1919. Andernorts ist sogar von »Ohrengift« die Rede, das Strauss als Stilmittel eingesetzt habe. August Spanuth: Besprechung neuer Musikalien, in: Signale für die musikalische Welt 26/27 (1919), S. 450.

 43

Man denke auch an andere Goethe-Vertonungen von Strauss, die von den Jugendliedern (wie Der Fischer TrV 48 und Lust und Qual TrV 51) bis in die späten Schaffensjahre (etwa Erschaffen und Beleben op. 87 Nr. 2 und Zugemessne Rhythmen TrV 269) reichen.

 44

Vgl. May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 16–19, hier bezugnehmend auf Matthew Werleys Vortrag The Liederabend in the Last Days of the Kaiserreich: Richard Strauss as Franz Steiner’s Accompanist, 1911–1918 (Vortrag auf der Tagung »German Song on Stage, 1770–1914«, London 2016). Noch Elisabeth Schmierer und Hartmut Schick nennen Elisabeth Schumanns Einfluss prominent. Vgl. Schmierer: Klavierlieder (wie Anm. 10), S. 340, und Schick: Musikalische Satiren (wie Anm. 9), S. 108 f. Die Sopranistin führte während der USA-Tournee 1921 ein Tagebuch. Demnach war das Verhältnis von Schumann und Strauss noch 1921 eher so, dass sie ihn um musikalischen Rat fragte, als dass er von ihr beeinflusst war. So notiert sie am 2. November: »Wir sprechen über Stimme und Studium. Ich frage ihn, ob er meint, dass ich bei der Sembrich [Marcella Sembrich] was lernen kann. Er verneint und sagt: ›Was Ihnen fehlt, kann ich Ihnen sagen, oder Ihr Mann. Sie müssen öfter etwas mehr legato singen und lernen, was z. B. die Stimme nicht hergibt, mit dem Gesichtsausdruck zu ersetzen. Sie singen oft zu ehrlich – täuschen Sie doch über die Schwächen hinweg.‹ Er hat recht.« Ein Tagebuch Elisabeth Schumanns (Geführt während der Konzertreise mit Richard Strauss durch Nordamerika 1921), Abschrift Typoskript, D‑GPrsa.

 45

Zur Amerika-Konzertreise des Ehepaars Strauss 1904 vgl. Einleitung, in: RSW II/4, S. XIX. In der Zeitschrift Musikalisches Wochenblatt vom 21. Juni 1900 wird aus einer Rezension zitiert, in der von Pauline Strauss’ »gesanglich nicht gerade hervorragenden Mitteln« die Rede ist. Musikalisches Wochenblatt 31 (1900), H. 26, S. 352. Vgl. zudem Helga Schmidt-Neusatz: Pauline Strauss-de Ahna. Weg und Wirkung als Sängerin, in: Richard-Strauss-Blätter, Neue Folge 44 (2000), S. 3–45, hier S. 25–36.

 46

Vgl. auch Schmierer: Klavierlieder (wie Anm. 10), S. 342. Verwunderlich ist, dass Strauss beabsichtigte (das Konzert kam jedoch nicht zustande), die Brentano-Lieder zunächst keineswegs mit Schumann oder einer vergleichbaren Sängerin, sondern ebenfalls mit dem von ihm geschätzten Steiner (also mit Männerstimme) aufzuführen, und den Fürstner-Verlag um Transpositionen bat. Vgl. May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 19, und Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 27.06.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 557]. Es ist deshalb verwunderlich, da Strauss bei der Liedkomposition stets sorgsam differenzierte, für welche Stimmlage er ein Lied im Original konzipierte, und dabei oftmals auch zwischen Sopran und Tenor unterschied. Bei den Brentano-Liedern ist lediglich für Als mir dein Lied erklang »Tenor« als Stimmenvorsatz notiert; alle anderen Liedern sind für »Sopran« komponiert. Bei seinen aufführungspraktischen Überlegungen scheint Strauss bereit gewesen zu sein, davon erheblich abzuweichen und alle Lieder mit Männerstimme aufzuführen. Selbst vom koloraturreichen Amor gab er bei Fürstner eine Transposition für tiefe Stimme in Auftrag. Vgl. Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 05.10.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 562a]. Hingegen hatte er einige Monate zuvor, als von transponierten Abschriften für ein Konzert des Sängers Hermann Jadlowker die Rede gewesen war, ausdrücklich festgehalten: »(Amor fällt natürlich fort)«. (Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 12.03.1919, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.]). Anhand der Autographe ist auch erkennbar, dass bei den Liedern op. 68 zunächst eine andere Reihenfolge beabsichtigt war: 1. An die Nacht, 2. Lied der Frauen, 3. Ich wollt ein Sträußlein binden, 4. Säusle, liebe Myrte, 5. Als mir dein Lied erklang, 6. Amor (siehe Quellenbeschreibungen).

 47

Auch deshalb will es einem folgerichtig erscheinen, dass Strauss die Lieder op. 68 später für großes Orchester instrumentierte – was er schon 1918 für »2 bis 3 der Lieder« beabsichtigt hatte. (Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 13.05.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 549]). In der Musikpraxis werden die Brentano-Lieder häufig wie ein zusammenhängender Zyklus aufgeführt, was sie von den meisten Strauss-Liederopera unterscheidet.

 48

Vgl. May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 20, und Schmierer: Klavierlieder (wie Anm. 10), S. 341.

 49

Berichtet hat dies Max Marschalk von seinem Besuch 1918 bei Strauss; das Lied entstand, während Strauss auf ihn wartete. Marschalk: Gespräche mit Richard Strauß (wie Anm. 37). Zit. auch in: Willi Schuh: Richard Strauss. Jugend und frühe Meisterjahre, Lebenschronik 1864–1898, Zürich 1976, S. 470. Vgl. zudem Einleitung, in: RSW II/4, S. XXIV.

 50

Der Titel des hier vertonten Brentano-Textes lautet Lied der Frauen, wenn die Männer im Kriege sind. Strauss komponierte das Lied mit zeitlichem Abstand zu den übrigen Liedern aus Opus 68, und es fehlte auch bei deren Uraufführung. Vgl. May: Kunst als Ware und Waffe (wie Anm. 5), S. 19 f.

 51

Im Juni 1920 kündigt Strauss Alfred Kerr gegenüber an: »Der Krämerspiegel erscheint demnächst in einem vornehmen Bibliophilenverlag mit prächtigen Radierungen. Ich hoffe Sie damit einverstanden. Die Sache aber bitte ganz geheim zu halten, da die Auflage verkauft sein muß, bevor die Verleger es erfahren u. eine Beschlagnahme erwirken.« (Richard Strauss an Alfred Kerr, 21.06.1920, Akademie der Künste Berlin, Alfred-Kerr-Archiv, Kerr 352). Bezeichnend für das Mysterium Krämerspiegel ist, dass noch in der 1922 erschienenen erweiterten Neuauflage der Strauss-Biographie von Max Steinitzer der Zyklus komplett falsch verzeichnet wird mit »1919. op. 66. (Ungedruckt, 6 Lieder.)« Steinitzer: Richard Strauß (wie Anm. 15), S. 68.

 52

Schon zur Jahrhundertwende war man dazu übergangen, als Stichvorlage für Strauss’ Kompositionen Kopistenabschriften anfertigen zu lassen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine briefliche Auskunft von Friedrich Rösch an Strauss, die frühere Zusammenarbeit mit dem Verleger Eugen Spitzweg vom Münchner Verlag Jos. Aibl und mit dessen Rechtsnachfolger, der Wiener Universal Edition, betreffend: »Da Du Dir in keinem Deiner Verlagsverträge mit Spitzweg die Zurückgabe Deiner Manuskripte vorbehalten hast, so ergibt sich nach den angeführten Gesetzesstellen, dass der Verleger über das ihm ohne Vorbehalt abgelieferte Manuskript die vollkommen freie Verfügung hat. Es ist daher immer empfehlenswert, dass Komponisten dem Verleger nicht die Originalmanuskripte, sondern Abschriften zur Vervielfältigung übergeben.« Friedrich Rösch an Richard Strauss, 25.05.1918, D‑GPrsa.

 53

Eine Abschrift des Liedes Nr. X, die dem Konvolut beiliegt, stammt von einem anderen Schreiber und ist nicht als Bestandteil der Herstellungsvorlage zu werten, siehe Quellenbeschreibungen und Quellenbewertung.

 54

Ob es sich hierbei um weite Teile derselben Abschrift handelt, die bereits 1918 vom Fürstner-Verlag beauftragt worden war, lässt sich nicht entscheiden: Die hohe Fehlerdichte sowie diverse enthaltene Korrekturen, von denen wenige sogar autograph sein könnten (wenngleich sie selbst heftige Fehler unbeanstandet lassen), würden an sich darauf hindeuten, hatte Strauss doch am 27. Juni 1918 an den Fürstner-Verlag geschrieben, »Kopie des Krämerspiegel ist voller Fehler«. (Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 27.06.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 557]). Zudem zeigen sich bei der Seitendisposition der Stanford-Abschriften zahlreiche Übereinstimmungen mit dezenten Bleistiftanmerkungen v. f. H. im Autograph (ein Indiz dafür, dass dieses als unmittelbare Vorlage gedient haben dürfte). Eine gesicherte Schreiberzuordnung zum 1918 für das gesamte Opus beauftragten Kopisten Portwich ist jedoch nicht möglich; auch ist nicht zu sagen, von wann die genannten Korrektureintragungen stammen. Die Entstehungsumstände des Stanford-Dokuments bleiben unklar. Seine Verwendung als Herstellungsvorlage ist als erwiesen anzusehen.

 55

Vgl. Ursula Hudson-Wiedenmann: »Ausfluß einer Künstlerlaune«. Musik ediert im Verlag von Paul Cassirer, in: Ein Fest der Künste. Paul Cassirer, Der Kunsthändler als Verleger, hrsg. von Rahel E. Feilchenfeldt und Thomas Raff, München 32006, S. 310–328.

 56

Als Strauss und Rösch 1918 eine zeitnahe Drucklegung der Lieder im Sinn hatten, waren sie noch davon ausgegangen, der Notenstich würde bei Röder besorgt werden. Vgl. Friedrich Rösch an Richard Strauss, 24.06.1918, D‑GPrsa.

 57

Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 06.09.1921, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 626].

 58

Die Korrespondenz zwischen Strauss und dem Fürstner-Verlag gibt darüber eindrücklich Auskunft. Von der Titelblattgestaltung (Fürstner und Strauss hatten für Opus 68 schon Anfang Mai 1918 den Maler Adolf Uzarski im Sinn) über die Durchsicht von Stichvorlagen v. f. H. durch den Komponisten anhand der Originalautographe bis hin zur Kontrolle von Korrekturabzügen, auch der im Verlag erstellten Transpositionen, ist Strauss’ Mitwirkung dokumentiert. Vgl. Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 02.05.1918 und 24.09.1918 jeweils D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1913–1918, o. Nr.], und Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 31.07.1919, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.], außerdem Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 07.05.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 548]. Die Absprachen gingen sehr ins Detail: »In der Anlage gestatten wir uns, Ihnen eine Seite des Korrektur-Abzuges Ihres Op. 68 Nr. 4 Als mir dein Lied erklang zu übermitteln, auf der im drittvorletzten Takt in der Klavierstimme 1/8 fehlt. Wollen Sie bitte diesen Takt richtigstellen und uns die Seite dann zurückschicken.« Nach Strauss’ »Superrevision« der Korrekturabzüge, der schon eine Verlagskorrektur vorausging, sollte es im Verlag zudem »eine zweite Revision von Herrn Professor Taubmann« geben. (Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 06.06.1919 und 26.04.1919, jeweils D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.]). Hinzu traten die Preisverhandlungen, die Strauss auch bei diesen Liedern prägnant führte. Bei Opus 68 erzielte er dabei ein Honorar von 3000 Mark je Lied, bei Opus 69 2000 Mark je Lied. Vgl. Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 04.06.1918 und 25.06.1918, jeweils D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1913–1918, o. Nr.].

 59

Einen gewissen direkten Kontakt gab es durchaus; so heißt es in einem Schreiben des Fürstner-Verlags an Strauss vom 10. Oktober 1921: »Cassirer erzählte mir auf meine Anfrage, dass er Ihnen bereits direkt hinsichtlich der Veröffentlichung des Krämerspiegel geschrieben hätte.« (Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 10.10.1921, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.]). Auch der schon zitierte und im Krämerspiegel-Erstdruck wiedergegebene Brief von Strauss an Cassirer ist zu nennen. Auffällig ist jedoch, dass selbst die Honorarverhandlungen für die zwölf Lieder über den Dirigenten Selmar Meyrowitz als Mittelsmann liefen und auch der hierzu aussagekräftige Brief lediglich als Abschrift des Fürstner-Verlags verfügbar ist: Meyrowitz bot Strauss in Cassirers Namen »27000 Mk. sowie 5 Frei-Exemplare« an – eine Summe, die im Sinne der Kalkulation des Verkaufspreises bereits »eine sehr grosse Belastung des Buches bedeute, da es ja nur in einer ganz beschränkten Auflage erscheinen darf, um eventuelle Schritte der Musikverleger zu vermeiden.« Insgesamt wolle Cassirer »keine Kosten scheuen, um das Werk in der würdigsten und vornehmsten Form herauszubringen«; er sei sich »wohl bewusst, dass er sich durch Herausgabe des Krämerspiegels schweren Vorwürfen der Verleger aussetzen würde. Er fürchte diese Angriffe nicht! Einem Vorwurfe jedoch müsse er ausweichen, – dem Vorwurfe, dass er sich ›an der Schande seiner Kollegen bereichere‹. So sei er auf keinen Fall dafür zu haben, den Preis für das Buch übermässig in die Höhe zu schrauben.« Im selben Brief erbat Meyrowitz auch die Bestätigung, dass Strauss das »Verfügungsrecht« über Kerrs Liedertexte und Fürstner kein »Anrecht an der Herausgabe« der Lieder habe. Selmar Meyrowitz an Richard Strauss, 19.03.1921, Kopie Adolph Fürstner [Musikverlag], D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.].

 60

Vgl. Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 21.12.1918, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1916–1927, Nr. 564], Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 28.12.1918, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1913–1918, o. Nr.], und Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 23.01.1919, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1919–1925, o. Nr.].

 61

Alfred Kerr: Richard Strauß entlastet, in: Die Welt, 10.07.1948. Kerr betont ebenso, dass das Werk »in großen geschlossenen Gesellschaften oft genug gesungen und auf dem Flügel begleitet worden« sei.

 62

Julius Kopsch an Richard Strauss, 09.04.1926, D‑GPrsa. Dazu passt, dass Strauss 1931 sogar Bote & Bock offen von einer Aufführung berichtet. Vgl. Richard Strauss an Bote & Bock [Musikverlag], 10.11.1931, D‑GPrsa.

 63

Kerr: Richard Strauß entlastet (wie Anm. 61). Zum Aufführungsdatum siehe Anm. 66.

 64

Bote & Bock [Musikverlag] an Felix Deutsch, 04.11.1926, Kopie Felix Deutsch für Alfred Kerr, Akademie der Künste Berlin, Alfred-Kerr-Archiv, Kerr 78.

 65

Siehe den eben zitierten Brief.

 66

Felix Deutsch an Bote & Bock [Musikverlag], 08.11.1926, Kopie, Akademie der Künste Berlin, Alfred-Kerr-Archiv, Kerr 78. Die Soiree bei Deutsch am 1. November 1926 ist in Strauss’ Schreibkalender verbürgt. Allerdings kursieren zu frühen Aufführungen auch anderslautende, schwer überprüfbare Angaben. Die Aufführung bei Deutsch wird teilweise zu früh zwischen 1918 und 1920 eingeordnet und fälschlicherweise als Uraufführung bezeichnet; erwähnt wird auch eine Aufführung durch Mary Grasenick im Dresdener Logenhaussaal am 26. Juni 1919. Siehe dazu die Trenner-Werkverzeichnisse von 1985, 1993 und 1999 sowie die Trenner-Chronik. Vgl. zudem Michael Kennedy: Richard Strauss. Man, Musician, Enigma, Cambridge 1999, S. 201. Eine Aufführung am 1. November 1925 im Hotel Kaiserhof ist in allen Publikationen genannt.

 67

Alfred Kerr: Erinnerungsbild – mit Richard Strauss, in: Pariser Tageblatt, 12.12.1934.

 68

Vgl. ebd. sowie Kerr: Richard Strauß entlastet (wie Anm. 61). Auch in der Korrespondenz ist die gemeinsame Arbeit belegt. Vgl. außerdem Frank D. Hirschbach: Alfred Kerr als Lieder- und Operndichter, in: Wirkendes Wort. Deutsches Sprachschaffen in Lehre und Leben 17 (1967), S. 165–173. Schon in der Frühphase der Krämerspiegel-Entstehung hatte Kerr ein Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit bekundet: »Sollten Sie gelegentlich Lust haben, von meinen ernsteren Gedichten eines in Musik zu setzen, so läge mein höchstes Honorar in der Tatsache dieser Vertonung. […] Und wenn Sie auf dem Felde zwischen Musik und Dichtung sonst meinen Dienst brauchen, bin ich Ihnen jedesmal gern zur Hand – natürlich ohne andren Entgelt als den, der in der Sache liegt.« (Alfred Kerr an Richard Strauss, 08.03.1918, D‑GPrsa). Zu Vertonungen ernster Gedichte von Kerr sollte es nicht kommen. Vgl. auch Heinemann: Der bedrohte Belcanto (wie Anm. 9), S. 129 f. In Kerrs ab 1929 entstandenem Opernlibretto Chronoplan (vertont von seiner Frau Julia Kerr) tritt Strauss als Akteur auf. Vgl. Matthew Werley: Strauss as Reader, in: Kristiansen und Jones: Richard Strauss in Context (wie Anm. 21), S. 127–136, hier S. 127.

 69

»Richard Strauß ist damals etwas Arglos-Entzückendes. Ein Kamerad. Einer, der keine Geschichten macht. Dabei ist er zugleich naiv – und schlau. Zugleich schlicht – und gerissen. Und beides echt. Mit dieser Mischung wird er späterhin Hitlers Kunstkämmerer sein … zugleich nicht ganz ohne Vorbehalt …«; Kerr: Richard Strauß entlastet (wie Anm. 61).

 70

Vgl. Richard Strauss an Bote & Bock [Musikverlag], 10.11.1931, D‑GPrsa, sowie Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 05.12.1931, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1928–1949, Nr. 909]. Bote & Bock war zunächst offenkundig nicht abgeneigt und fragte, wie aus den überlieferten Antwortschreiben von Schott’s Söhne sowie Hellmuth v. Hase vom Verlag Breitkopf & Härtel ersichtlich, bei zwei anderen im Krämerspiegel verhöhnten Verlagen an, wie man zu einer Neuausgabe stünde. Schott reagierte feinsinnig: Man würde eine »Aufwärmung« mit »demselben Gleichmut« hinnehmen wie die Erstausgabe, wenngleich Kerrs Gedichte nach wie vor »zum grössten Teil doch recht mager und billig« seien und ihre Aktualität verloren hätten. »Diese beschränkte Auflage und das grosse Drum und Dran gab der Sache damals ein gewisses Cachet und eine historische Bedeutung. Das alles würde m.E. durch eine ›Volksausgabe‹ verloren gehen. Abgesehen davon würde die heutige musikalische Oeffentlichkeit den beabsichtigten ›Witz‹ kaum noch verstehen.« Man wolle freilich »niemals Spielverderber« sein, stelle jedoch eine Bedingung: »Irgendetwas verdienen wollen wir mit der Sache unter keinen Umständen und wir nehmen an, dass es auch Richard Strauss hierauf nicht ankommt. Wir würden dann vorschlagen, dass man das Werk auf gemeinschaftliche Kosten mit den Autoren zusammen herausgibt und den Gewinn einem wohltätigen Zweck zur Verfügung stellt, am besten vielleicht als Stipendium für einen jungen aussichtsreichen Komponisten.« Hase hingegen befand, er »sehe keinen Gewinn darin, solch eine reichlich überholte Angelegenheit aufzuwärmen«, man solle »die toten Verleger und die toten Witze« ruhen lassen. Somit schickte Bote & Bock an Strauss eine höfliche Absage, der man die Stellungnahmen von Schott und Hase beilegte. (B. Schott’s Söhne [Musikverlag] an Bote & Bock [Musikverlag], 24.11.1931, Kopie, und Hellmuth v. Hase an Bote & Bock [Musikverlag], 30.11.1931, Kopie, sowie vgl. Bote & Bock [Musikverlag] an Richard Strauss, 01.12.1931, Kopie, jeweils Bestandteil der archivierten Fürstner-Korrespondenz, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1929–1933, o. Nr.]). Dass sich der Groll der Musikverlage über den Krämerspiegel sogar ins Gegenteil verkehren konnte, ist in Asows Strauss-Werkverzeichnis zu lesen. Asow erwähnt als »Kuriosum«, »daß anläßlich der Radioaufführung des Werkes, 1949, bei der nur 7 Lieder erklangen, die Verlage Robert Lienau und Gebrüder Reinecke Protest erhoben, weil die Lieder, in denen sie angegriffen wurden (Nr. 5 und 6), gestrichen worden waren!« Asow: Richard Strauss (wie Anm. 10), S. 725. Vgl. hierzu auch Koch: Vom Krämerspiegel zu Capriccio (wie Anm. 9), S. 7.

 71

»Ihrer angeregten Aussöhnung mit den Herren Bock stehe ich natürlich sehr sympathisch gegenüber, sie wird umso leichter zu bewerkstelligen sein, wenn sich genannte Firma über den Krämerspiegel endlich beruhigt hat, bezügl. dessen die Herren, hingerissen von Temperament, nur den einen Fehler begangen haben, dass sie damals das Werkchen nicht sofort in ihren Verlag aufgenommen haben. […] Ich hatte gerade jetzt die Absicht, den Krämerspiegel neu herauszugeben zu populären Preisen; bin aber gerne bereit, dies zu unterlassen, wenn es dazu dienen kann, die Aussöhnung […] zu beschleunigen.« Richard Strauss an Julius Kopsch, 12.05.1928, Abschrift, D‑GPrsa.

 72

Zit. nach: Richard Strauss. Späte Aufzeichnungen, hrsg. von Marion Beyer u. a. (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft 21), Mainz u. a. 2016, S. 135.

 73

Es wurde eine der von Strauss im Autograph ziemlich unscheinbar notierten Hilfslinien nicht wiedergegeben, was die musikalische Verwandtschaft zu den Takten 62 und 64 beeinträchtigt.

 74

Sinnspruch, »Durch allen Schall und Klang«, Erschaffen und Beleben, »Wie etwas sei leicht«, Zugemessne Rhythmen; Xenion.

 75

Charles Youmans: Nachdenken ist immer unangenehm: Romanticism, Modernism, and Goethe in Strauss’s Aesthetics ca. 1900, in: Richard-Strauss-Jahrbuch (2015), S. 13–24, hier S. 19; ders.: Richard Strauss’s Orchestral Music and the German Intellectual Tradition. The Philosophical Roots of Musical Modernism, Bloomington u. a. 2005, v. a. S. 114–142.

 76

Zit. nach Walter Thomas Anderman: Bis der Vorhang fiel. Berichtet nach Aufzeichnungen aus den Jahren 1940 bis 1945, Dortmund 1947, S. 225.

 77

Hans Knappertsbusch vertonte den Text 1937 mit der Angabe »aus einer Schweizer Kinderfibel, angeblich Goethe«; sein Lied weist keine Nähe zu Strauss auf. Zur Zuschreibungsgeschichte siehe maßgeblich Jürgen May: Richard Strauss’ Lied Das Bächlein (1933). Bekenntnis zur »Führertreue« oder Camouflage?, in: Die Reichsmusikkammer. Kunst im Bann der Nazi-Diktatur, hrsg. von Albrecht Riethmüller und Michael Custodis, Köln u. a. 2015, S. 147–162, hier 148–151. Woher Strauss den Text kannte, ließ sich bislang nicht klären; unmittelbare Vorlage für die Komposition dürfte eine Niederschrift v. f. H. in einem der späten Aufzeichnungshefte gewesen sein; vgl. Strauss: Späte Aufzeichnungen (wie Anm. 72), S. 82 f.

 78

Siehe dazu Dörte Schmidt: Meister – Freunde – Zeitgenossen. Richard Strauss und Gerhart Hauptmann, in: Richard Strauss – Der Komponist und sein Werk. Überlieferung, Interpretation, Rezeption, Bericht über das internationale Symposium zum 150. Geburtstag, hrsg. von Sebastian Bolz u. a., München 2017 (= Münchner Veröffentlichungen zur Musikgeschichte 77), S. 51–71, insb. S. 65–68; Matthew Werley, »Ach, wie hatten jene Zeiten Kraft«. Erinnerungskultur, Landschaft und Richard Strauss’ Blick vom oberen Belvedere, in: ebd., S. 470–495, insb. S. 474–485; Oliver Rathkolb: Schirach. Eine Generation zwischen Goethe und Hitler, Wien 2020, S. 203 f. Zu Schirach als Goethe-Leser siehe Thomas Mathieu: Kunstauffassungen und Kulturpolitik im Nationalsozialismus, Saarbrücken 1997, S. 253–257.

 79

Gerhart Hauptmann – Richard Strauss. Briefwechsel, hrsg. von Dagmar Wünsche, in: Richard-Strauss-Blätter, Neue Folge 9 (1983), S. 3–39, hier S. 17; vgl. Hauptmann an Strauss, 19.04.1942, ebd., S. 32.

 80

Hans Bethge an Richard Strauss, 10.01.1929, D‑GPrsa.

 81

Richard Strauss an Hans Bethge, 13.01.1929, D‑GPrsa.

 82

Bethges an dieses neuerliche Interesse geknüpfte und durch Gespräche genährte Hoffnung, dass Strauss nun auch sein Libretto Das Lachen der Kaiserin benutzen würde, erfüllte sich indes nicht, weil dieser sich auf die von Hofmannsthal hinterlassene Arabella konzentrieren wollte; vgl. die Korrespondenz zwischen Juli 1929 und Januar 1930, D‑GPrsa.

 83

Siehe dazu die synoptische Darstellung der Gesangstexte auf www.richard-strauss-ausgabe.de.

 84

Siehe zum Zusammenhang Goebbels – Goethe – Schubert maßgeblich May: Richard Strauss’ Lied Das Bächlein (wie Anm. 77), S. 152–156.

 85

Alexander Ritter: Drei Gedichte für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, op. 12, Leipzig o. D.

 86

Strauss und Mosse verband zu diesem Zeitpunkt bereits eine längere Bekanntschaft: Die beiden waren einander in der »Deutschen Gesellschaft 1914« begegnet, bei der Strauss dem Präsidium und Mosse dem Gesellschaftsrat angehörte; Mitgliederverzeichnis der Deutschen Gesellschaft 1914, o. O. 1917, S. [IV-VII] (Stand: 31.03.1917). Dem Präsidium gehörte u. a. Gerhart Hauptmann an, dem Gesellschaftsrat neben anderen Verlegern auch Hugo von Hofmannsthal. Zu Mosses weitreichender Vernetzung im Kunst- und Kulturbereich siehe etwa Elisabeth Kraus: Zwischen bürgerlicher Philantrophie und traditioneller Zedaka: Das Mäzenatentum der deutsch-jüdischen Familie Mosse, in: Sammeln. Stiften. Fördern. Jüdische Mäzene in der deutschen Gesellschaft, hrsg. von Andrea Baresel-Brand und Peter Müller, Magdeburg 2008, S. 73–99. Bereits 1913 hatte Strauss zu einer Festschrift für Mosse beigetragen. Herrn Rudolf Mosse überreicht die Redaktion zum siebzigsten Geburtstage 8. Mai 1913 diese Grüsse seiner Freunde und Mitarbeiter, S. 82.

 87

Gelegentliche Behauptungen einer Auftragsarbeit bleiben unbelegt; siehe etwa Norman del Mar, Richard Strauss: A Critical Commentary on his Life and Works, Bd. 3, London 1972, S. 382.

 88

Zur Zusammenarbeit an der französischen Salome vgl. die Einleitung zu RSW I/3b, S. XIV f.; zur Einordnung des Liedes siehe auch Ulrich Konrad: Richard Strauss im europäischen Kontext, in: Richard-Strauss-Jahrbuch (2011), S. 9–22.

 89

Liber Amicorum Romain Rolland. Sexagenario ex innumerabilibus amicis paucissimi grates agunt, hrsg. von Maxim Gorki, Georges Duhamel und Stefan Zweig, Zürich und Leipzig 1926.

 90

Das Autograph datiert Strauss allerdings bereits auf den 20. September 1942. Ob eine andere Gelegenheit die Anregung zur Komposition gab, ist bislang nicht bekannt.

 91

Vgl. zur Beziehung der beiden Schmidt: Richard Strauss und Gerhart Hauptmann (wie Anm. 78).

 92

Joseph Gregor: Gerhart Hauptmann zum 15. November 1942, in: Der Augarten 7 (1942), H. 11, S. 449–460.

 93

Vgl. Werley: »Ach, wie hatten jene Zeiten Kraft« (wie Anm. 78), S. 479 f.

 94

So Schmidt: Richard Strauss und Gerhart Hauptmann (wie Anm. 78), S. 66 f.

 95

Vgl. Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Band 2/III, hrsg. von Elke Fröhlich, München 2006, S. 316.

 96

Dies legt etwa ein undatierter Briefentwurf von Strauss an Goebbels, vermutlich vom Herbst 1933, nahe, in dem Strauss sich als Zentralinstanz zu installieren versuchte und in diesem Zuge – wohl um einen offizielleren Ton zu treffen – gelegentlich »ich« mit »der Führer des Berufsstandes« ersetzte (D‑GPrsa); vgl. zu diesem Komplex Albrecht Dümling: »… dass die Statuten der Stagma dringend zeitgemässer Revision bedürfen«. Richard Strauss und das musikalische Urheberrecht 1933/1934, in: Bolz u. a.: Richard Strauss (wie Anm. 78), S. 73–108.

 97

Dies hat wiederum Jürgen May ausführlich dargestellt; May: Richard Strauss’ Lied Das Bächlein (wie Anm. 77), S. 157–161.

 98

Siehe oben Anm. 78.

 99

Zur Zusammenfassung als Opus 88 siehe unten.

 100

Erstmalig beschrieben bei Willi Schuh: Zur Vertonung des Divan-Gedichts »Zugemessne Rhythmen«, in: Richard-Strauss-Jahrbuch (1954), S. 122–124; siehe in jüngerer Zeit auch Ulrich Konrad: Anspielen, Erinnern, Verstehen. Dimensionen musikalischen Zitierens in Richard Strauss’ Intermezzo (1924) und Alban Bergs Wozzeck (1925), Stuttgart 2007, S. 25–31. Raabe dankte seinerseits mit einem an Strauss’ Schlussreferenz anschließenden Zitat. In einem Brief nur zwei Tage nach der Komposition des Liedes schrieb er an Strauss: »Es tut so gut, in unserer Zeit einmal wieder herzlich lachen zu können. Und wie stolz bin ich darauf, von Ihrer Hand ein so apartes Stück zu besitzen! ›Ein Lied von Sachs, das will was bedeuten!‹« Peter Raabe an Richard Strauss, 27.02.1935, D‑GPrsa.

 101

So Sabine Busch: Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus, Stuttgart und Weimar 2001, S. 112; die zentralen Schriften sind Walter Abendroth: Hans Pfitzner, München 1935; Peter Raabe: Etwas über Musikgeschichtsauffassung und über Biographienschreiben, in: Allgemeine Musikzeitung 62 (1935), H. 2 (11.01.1935), S. 19–22. Abendroth antwortete ebd. (Was ich Herrn Dr. Peter Raabe zu sagen habe, H. 6, 08.02.1935, S. 82–84), also noch bevor Strauss selbst reagiert hatte. Siehe zur Kontroverse auch Nina Okrassa: Peter Raabe. Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer (1872–1945), Köln u. a. 2004, S. 108–110.

 102

Raabe: Etwas über Musikgeschichtsauffassung, S. 22; die zitierte Stelle findet sich in Abendroth: Hans Pfitzner, S. 323 (dort korrekt mit »daß«).

 103

Abendroth: Hans Pfitzner, S. 18.

 104

Wiener Spazierreime aus Vergangenheit und Gegenwart, hrsg. von Julius Bauer, Wien 1930.

 105

Bauer hatte zur Hochzeit von Strauss’ Sohn Franz und Alice von Grab im Jahr 1924 – gemeinsam mit Karl Alwin, seinerseits einer der späteren Widmungsträger der Gesänge des Orients – eine »Burleske [m]it musikalischen Übergängen aus Motiven Richard Strauß’scher Werke« beigesteuert. Das Werk erschien als Privatdruck; Exemplare finden sich etwa in der Garmischer Villa, aber auch in der Österreichischen Nationalbibliothek, A‑Wn, 866656-B MUS MAG. Auch zur Journalistenvereinigung hatten bereits früher Verbindungen bestanden: Schon 1921 war das Lied op. 67 Nr. 1 in einem Concordia-Album kurz nach der Erstpublikation abgedruckt worden.

 106

September, autographes Particell, US‑NH, GEN MSS 601, Box 335, Folder 1929, S. 2v (= RSQV-ID q00929).

 107

Richard Strauss an Maria Jeritza, 07.03.1949, US‑NHub, GEN MSS 601, Box 57, Folder 1268. Ob Jeritza dieser Bitte nachkam, ist ungewiss – eine entsprechende Fotografie ist bislang nicht bekannt.

 108

Vgl. dazu Günter Brosche: Das traurige Schicksal der »Malven«, in: Richard-Strauss-Blätter, Neue Folge 12 (1984), S. 88–90; Barbara A. Petersen: Richard Strauss in 1948–49: Malven, September und letzte Briefe an Maria Jeritza, in: ebd., 13 (1985), S. 3–27 (Petersen hatte sich bereits 1976 die Existenz des Liedes von den Anwälten Jeritzas bestätigen lassen, S. 7); nur Willi Schuh scheint auch die Musik schon früher gekannt zu haben, wie Bemerkungen ein knappes Jahrzehnt früher belegen; Willi Schuh: Richard Strauss. Jugend und frühe Meisterjahre. Lebenschronik 1864–1898, Zürich 1976, S. 440.

 109

Zum konkreten Anlass, einem geplanten Skat-»Turnier«, sowie zur Beziehung zwischen Strauss und Knappertsbusch insbesondere mit Blick auf Pfitzner siehe Dietrich Kröncke: Neues von Richard Strauss. Eine selektive Biographie, Tutzing 2011, S. 74–96.

 110

In dieser Weise sind auch die Weinheber-Lieder gedeutet worden; Werley: »Ach, wie hatten jene Zeiten Kraft« (wie Anm. 78).

 111

Siehe auch Andreas Pernpeintner: Der späte Strauss und seine frühen Lieder, in: Bolz u. a.: Richard Strauss (wie Anm. 78), S. 430–437.

 112

Die komplexen Vorgänge rund um Petschull und die beiden Verlage sowie die Situation nach dem Krieg sind beschrieben bei Sophie Fetthauer: Musikverlage im »Dritten Reich« und im Exil, Hamburg 2004, S. 132, 173, 209; Soldan war bereits 1932 als Bearbeiter für den Klavierauszug der Arabella von Fürstner vorgeschlagen, von Strauss jedoch abgelehnt worden; vgl. Adolph Fürstner [Musikverlag] an Richard Strauss, 07.10.1932, D‑GPrsa, [FÜRSTNER VERLAG AN R.S., 1929–1933, o. Nr.], sowie Richard Strauss an Adolph Fürstner [Musikverlag], 13.11.1932, D‑GPrsa, [R.S. AN FÜRSTNER VERLAG, 1928–1949, Nr. 928].

 113

Vgl. C. F. Peters/Universal Edition an Kurt Soldan, 04.10.1943, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741.

 114

Editionsrelevant war hierfür insbesondere eine Briefbeilage D‑Mst, Monacensia, Strauss, Richard A III/9.

 115

Vgl. Briefe des Archivbestands C. F. Peters im Staatsarchiv Leipzig, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 2154 und 21070 C. F. Peters, 4741.

 116

Universal Edition an Richard Strauss, 11.04.1947, Kopie, Archiv Universal Edition, Wien.

 117

Universal Edition an Richard Strauss, 26.01.1948, Kopie, Archiv Universal Edition, Wien. Die Einholung der Rechte war freilich schon 1942 zwischen Soldan und C. F. Peters thematisiert worden; C. F. Peters an Kurt Soldan, 17.01.1942, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741.

 118

Vgl. Richard Strauss an die Universal Edition, 11.01.1948 und 22.03.1948, jeweils Archiv Universal Edition, Wien; zuvor hatte Strauss auch schon bei Soldan nachgefragt, 04.12.1944, zit. nach: Handschriften – Autographen – Seltene Bücher. 25.–27. April 1995, hrsg. vom Buch- und Auktionshaus F. Zisska und R. Kistner, München 1995, S. 40, Nr. 306.

 119

Vgl. Universal Edition an Richard Strauss, 31.03.1948 und 11.05.1948, Kopie, Archiv Universal Edition, Wien.

 120

Richard Strauss an Ernst Roth, 14.09.1948, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Roth, 175.

 121

Ernst Roth an Richard Strauss, 08.10.1948, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Roth, 132. Roths Rolle ergab sich auch aus fortgesetzten Streitigkeiten zwischen Strauss, seinem Stammverleger Otto Fürstner und dessen mittlerweile selbständigem Prokuristen Johannes Oertel.

 122

Richard Strauss an Ernst Roth, 08.03.1949, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Roth, 203; vgl. auch Richard Strauss an Universal Edition, 11.01.1948, Archiv Universal Edition, Wien.

 123

Ernst Roth an Richard Strauss, 14.03.1949, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Roth, 146.

 124

Strauss’ Einlassungen weisen allerdings Inkonsistenzen auf und passen auch nicht mit den Absprachen zwischen Peters und Soldan zusammen. Zunächst vermutete Strauss ein Manöver der Universal Edition: »U.E. behauptet, sie habe vor 10 Jahren die Gesamtausgabe meiner Lieder projektiert auf Druck des Propagandaministeriums, wovon ich keine Ahnung hatte. Ist wohl jetzt nur eine faule Ausrede, um sich ganz zu drücken. Wollen Sie diese wichtige Sache jetzt energisch in die Hand nehmen? […] Nochmal: ich würde es sehr begrüßen, wenn Boosey die sehr wichtige Gesamtausgabe […] in seine kräftige Hand nähme. U.E. war immer eine faule Gesellschaft!« (Richard Strauss an Ernst Roth, 15.03.1949, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Roth, 205). Kurz darauf erinnert er sich an Einzelheiten: »Die U.E. hatte schon vor 10 Jahren die Gesamtausgabe ganz vorbereitet. Ich hatte schon Correcturbogen gelesen u. das Material muß vollzählig bei der U.E. vorhanden sein. […] Die U.E. hat damals schon behauptet, alle Vereinbarungen mit den Originalverlegern (bez. deren Beteiligung oder Abfindung zur Gesamtausgabe) getroffen zu haben.« (Richard Strauss an Ernst Roth, 17.03.1949, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Roth, 206).

 125

Richard Strauss: Schweizer Tagebuch, D‑GPrsa.

 126

Offenbar wurde in diese Planungen nun auch Willi Schuh einbezogen; Richard Strauss an Ernst Roth, 14.05.1949, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Roth, 216.

 127

Universal Edition an Richard Strauss, 11.04.1947, Kopie, Archiv Universal Edition, Wien.

 128

D‑LEsta, 21109 VEB Edition Peters, 2607. Im vorliegenden Band werden Soldans Stichvorlagen zu Opus 69 und 77 unter dem Quellensigel KO69+77 geführt.

 129

Beide Briefe D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741.

 130

Darauf finden sich wiederholt Hinweise: Das Titelblatt des Autographs der Vier Gesänge für Baß op. 87, das Strauss spätestens 1938 niedergeschrieben hatte, enthält die autographen Vermerke »Nachlass« und »Originalhandschrift«. Die gleiche Sprachregelung schlug Strauss im Zuge der Vorbereitungen der Lieder-Gesamtausgabe vor (Richard Strauss an Kurt Soldan, 29.04.1944, D‑Mst, Strauss, Richard A III/7). Auch in den Heften, die als Späte Aufzeichnungen bekannt sind, nannte er im Juni 1943 unter der Bemerkung »Diese u. die auf umstehender Seite erwähnten Werke nach meinem Ableben als »nachgelassene« Werke drucken u. veröffentlichen zu lassen, sind meine Erben ermächtigt u. berechtigt.« einige Lieder: die »Klavierlieder: St. Michael und Blick vom oberen Belvedere (Josef Weinheber)« sowie »3 Gesänge für Baß mit Klavierbegleitung von Rückert.« Zit. nach Strauss, Späte Aufzeichnungen (wie Anm. 72), S. 135; das Goethe-Lied Erschaffen und Beleben bleibt hier aus unbekannten Gründen außen vor.

 131

Richard Strauss: Nachlass, 15.10.1945, D‑GPrsa.

 132

C. F. Peters/Universal Edition an Kurt Soldan, 08.08.1944, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741. Die Aushandlung der Vertragsdetails war zu diesem Zeitpunkt bereits im Gange: Strauss hatte sich Anfang April 1944 bei Soldan über den Stand der Dinge erkundigt (01.04.1944, D‑Mst und D‑GPrsa), Petschull, der in diesem Zusammenhang die Universal Edition vertrat, beauftragte in der Folge Soldan mit der Sammlung der Daten (20.04.1944, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741) und zeigte sich Strauss gegenüber »entzückt über die Inverlagnahme auch dieser herrlichen Schöpfungen« (27.04.1944, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 2154); zum Vertrag selbst siehe unten.

 133

Darauf deuten die Briefe vom Frühjahr 1944, in denen es stets im unmittelbaren Zusammenhang um beide Projekte geht, aber auch Strauss’ eigenes Nachhaken bei Soldan hin: »Wann erscheinen die neueren Lieder u. die Gesamtausgabe[?]« (Richard Strauss an Kurt Soldan, 04.12.1944, zit. nach: Handschriften – Autographen – Seltene Bücher [wie Anm. 118].) In einem späten Brief(entwurf?) äußert sich Strauss zur Tonartendisposition der Gesamtausgabe (dann schon im Gespräch mit Ernst Roth) und kommt in diesem Zuge möglicherweise auf die Nachlasswerke zu sprechen: »So wie wir es ursprünglich verabredet hatten alle Lieder in einem [sic] Gesamtausgabe in Originalfassung herauszugeben ist schon nicht praktisch, weil ausser den Bariton- und Bassgesängen so und soviele Lieder für tiefe Stimme komponiert sind.« Richard Strauss an Ernst Roth, 14.05.1949, D‑Mbs, Handschriften und Alte Drucke, Ana 330, I, Roth, 216.

 134

Z. B. Franz Trenner: Richard Strauss Werkverzeichnis (TrV). Zweite, überarbeitete Auflage, Wien 1999, S. 270; Schmierer: Klavierlieder (wie Anm. 10), S. 327 und 345, die die Opusbezeichnung Franz Trenners Ausgabe von 1964 zuschreibt.

 135

Richard Strauss an Kurt Soldan, 29.04.1944, D‑Mst, Monacensia, Strauss, Richard A III/7.

 136

Die Bezifferung »81« legt nahe, dass die Quelle zwischen Februar 1935 und Juli 1938 niedergeschrieben wurde. Als op. 80 hatte Strauss im Frühjahr 1935 Die schweigsame Frau abgeschlossen. Unter der Nummer 81 erschien im Sommer 1938 Friedenstag; das Partiturexemplar Nr. 1 in der Library of Congress als bislang erster bekannter Nachweis dieser Opuszahl datiert auf den 12. Juli 1938. Das am 16. Juni 1936 abgeschlossene Autograph trägt keine Opuszahl, die als terminus antequem für die Lieder dienen könnte. Auch die derzeit bekannten Verträge zu Friedenstag aus dem April 1938 enthalten die Opuszahl nicht.

 137

Kurt Soldan an Richard Strauss, 27.05.1944, D‑Mst, Monacensia, Strauss, Richard A III/9.

 138

Vertrag vom 26.06.1944, D‑GPrsa. Einen (verschollenen) Vertragsentwurf hatte Petschull bereits mit seinem Brief vom 27.04.1944 übersandt; ob er identisch mit dem im Juni signierten ist, lässt sich derzeit nicht feststellen. Dass Strauss im vorliegenden Vertrag die maschinenschriftliche Opuszahl »81« handschriftlich zu »87« korrigierte, legt – gemeinsam mit dem Titel, für den bislang keine andere Quelle bekannt ist – nahe, dass der Vertrag auf Grundlage des oben erwähnten Gesamtautographs erstellt worden war. Zudem ergänzte Strauss am Ende der Liste »die Instrumentation von Zueignung

 139

Kurt Soldan an Richard Strauss, 05.08.1944, D‑GPrsa; siehe auch C. F. Peters/Universal Edition an Kurt Soldan, 22.12.1944, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741.

 140

Kurt Soldan an Richard Strauss, 20.01.1945, D‑GPrsa. Einen guten Monat später sandte Peters eine »zweite Korrektur« von Im Sonnenschein an Soldan (23.02.1945, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741), und schon Mitte März galt dieses Lied im Verlag als »druckfertig«, während Soldan über die »anderen 6 neuen Lieder« mit Strauss noch »korrespondiert[e]« (Notiz zu einem Telefonat Peters’ mit Kurt Soldan, 13.03.1945, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741).

 141

Kurt Soldan an unbekannten Empfänger [Anrede »Lieber Herr Doktor«, vermutlich Johannes Petschull], 25.02.1946, D‑LEsta, 21070 C. F. Peters, 4741.

Verfasser: Andreas Pernpeintner, Sebastian Bolz

Erstmals veröffentlicht in

Richard Strauss: Lieder mit Klavierbegleitung ab op. 66, hrsg. von Andreas Pernpeintner und Sebastian Bolz, Wien: Verlag Dr. Richard Strauss 2022 (= Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe, II/5)

Zitierempfehlung

Andreas Pernpeintner, Sebastian Bolz: Einleitung, in: Richard Strauss: Lieder mit Klavierbegleitung ab op. 66, hrsg. von Andreas Pernpeintner und Sebastian Bolz, 2022 (= Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe, II/5), richard‑strauss‑ausgabe.de/b38540/el (Version 2022)

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