Brief
Richard Strauss an Alfred Reucker / Staatstheater Dresden [Theater]
Sonntag, 20. Juli 1930, Garmisch-Partenkirchen

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3b Salome (Weitere Fassungen)
[1r] [maschinenschriftlich:]

Abschrift.
Dr. Richard Strauss

Lieber, sehr verehrter Freund und Generalintendant!

So liebenswürdig und ehrenvoll Ihre Einladung: ich solle im September in Dresden die jubilierende Salome selbst dirigieren – ist, ich kann und darf sie – dem Ruhme der Dresdner Oper und auch meiner Werke zu Liebe [–] nicht annehmen! Ebenso wie vor 25 Jahren nicht der Komponist, sondern der oberste Leiter der Dresdner Oper: der herrliche Schuch der Salome zum Siege verholfen hat, so muß auch jetzt Schuchs ebenbürtiger Nachfolger, der ausgezeichnete Busch[,] die Jubiläumsaufführung persönlich zelebrieren! Ich würde meinem Werke einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich jetzt die Lorbeeren einer glücklichen Neueinstudierung einmalig pflückte, um dann die hoffentlich zahlreichen Wiederholungen Dirigenten überlassen zu müssen, die eben nun einmal nicht Fritz Busch heißen! Und daß es Busch kein Vergnügen macht, die Salome dann hinterdrein zu dirigieren, finde ich absolut begreiflich. So lange also (bitte streng vertraulich!) Dresden neben Fritz Busch nicht einen halbwegs erstklassischen Kapellmeister besitzt, der auch für meine Werke besondere Eignung aufweisen kann, muß ich die Forderung aufstellen, daß Busch die Aufführungen meiner Werke selbst dirigiert, so oft er nur irgend in der Lage ist. Sollte also Busch etwa im September noch beurlaubt oder mit Einstudierung einer unwichtigeren Sache beschäftigt sein, so bitte ich dringend, die Neueinstudierung der Salome (der eigentliche Jubiläumstag ist ja, glaube ich, so wie so erst der 9. Dezember)* zu verschieben, bis Busch gewillt und in der Lage ist, das Werk selbst zu dirigieren und dann auch in der Hand zu behalten!

Meine Werke erfordern nun einmal einen Dirigenten mit feinster Hand und absoluter Autorität und das ist eben nur Busch!1

Verzeihen Sie also, wenn ich diesmal Ihrem ehrenvollen Rufe nicht Folge leiste und legen Sie Busch meine dringende Bitte ans Herz, er möge mich diesmal nicht im Stiche lassen!

Mit besten Wünschen für gute Sommererholung und herzlichsten Grüssen
Ihr stets aufrichtig ergebener
(gez.) Dr.Rich.Strauss.

[unbekannte Hand:] / b. w.

[1v] [maschinenschriftlich:] P. S.

Was die Tonfilmfrage betrifft, so würde ich, wenn die Sache an mich herantreten sollte, selbstverständlich Dresdens gedenken!

Was ich bis jetzt (unlängst in Berlin) davon gesehen habe, hat mir keinen großen Eindruck gemacht! Es ist auch nur »Ersatz« und nicht einmal so lebendig wie z. B. eine schöne Carusogrammophonplatte und wird dem wirklichen, lebendigen Theater (besonders der Oper!) niemals eine ernsthafte Konkurrenz sein!2

*[Bl. 1r:] [unbekannte Hand:] stimmt Ro. [?]
(9./12.1905) [Originalanmerkung].
1Dieser Absatz ist am rechten Rand mit dunkelblauem Buntstift angestrichen.
2Dieser Absatz ist am linken Rand mit dunkelblauem Buntstift angestrichen.

Bemerkung

Der vorliegende Brief ist bisher nur in Form von zwei unabhängig voneinander erstellten Typoskripten, beide als »Abschrift« bezeichnet, überliefert. Die Transkription folgt dem Exemplar aus dem Max-Reger-Institut, das – im Gegensatz zum Exemplar im Richard-Strauss-Archiv – eine Transkription eines Postscriptums aufweist und daher als vollständigere Abschrift gilt.

In der Transkriptionsvorlage vorhandene Leerzeichen vor einzelnen Satzzeichen wurden in der Transkription nicht berücksichtigt.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: Max-Reger-Institut (Karlsruhe), Sammlung: Brüder-Busch-Archiv, Signatur: B 6843 (Typoskript) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • unbekannt (maschinenschriftlich)
      • unbekannt (handschriftlich)
      • unbekannt (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

  • Original: Richard-Strauss-Archiv (Garmisch-Partenkirchen), ohne Signatur (Typoskript)

    • Autopsie: 2019-05-14

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d30499 (Version 2021‑09‑29).

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