Brief
Franz Strauß / Josephine Strauß an Richard Strauss
Sonntag, 9. Mai 1886, München

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

[35] [unbekannte Hand:] Lieber Richard!

Dein letzter Brief von Capri über die Seefahrt hat uns sehr interessiert und erfreut, sie war, nach Deiner Beschreibung zu schließen, sehr schön, aber etwas gefährlich, und wirst froh gewesen sein, als sie glücklich überstanden war. Die Erinnerungen an solche großartige Naturschönheiten werden fürs ganze Leben bleiben und müssen seelische Eindrücke zurücklassen, welche bei Dir, wie ich wünsche und hoffe, auf Deine musikalischen Gedanken einwirken werden, welche sich dann in großen, breiten Gedanken äußern. In Deinen letzten Nachrichten hast Du nichts mehr vom Vesuv geschrieben, ihr werdet ihn doch bestiegen haben! –

Levi, dem ich gestern abends in der Oper »Junker Heinz« Deinen Brief lesen ließ, hat über Deine Grüße und Reise sich sehr gefreut, er und noch mehrere vom Orchester, z. B. Hartmann, lassen Dich bestens grüßen.

Uns geht es gut! Wir sind »Gottlob« gesund, was wir auch Dir von Herzen wünschen, nur gebe auf Deine Gesundheit acht und mache keinen Diätfehler. Zugleich will ich Dich benachrichtigen, daß in Oberitalien sich die Cholera mehr ausbreitet. Nach den neuesten Berichten sind in Venedig an einem Tag 7 Personen an der Cholera gestorben, es zieht sich diese Seuche bereits gegen Verona herauf. In Vicenza (an der Bahn von Venedig nach Verona) sind auch schon mehrere Fälle vorgekommen, ebenso auch in Belluno, welches auf dem Wege von Venedig nach Cortina liegt. Wir wünschen alle, daß Du auf Deiner Rückreise Venedig, Verona – den ganzen östlichen Teil von Oberitalien nicht berührst. Du kannst ja, wenn Dir das Geld ausreicht, von Florenz über Siena, Pisa, Spezia, Genua, Turin, Mailand, Comosee, Lugano, Lago maggiore, Gotthardbahn durch die Schweiz heimreisen. Du wirst in Italien über die Ausbreitung der Cholera dort nicht viel erfahren, da es zu sehr in ihrem Interesse liegt, nichts davon unter die reisende Welt kommen zu lassen.

Schreibe uns nächstens, um welche Zeit Du ungefähr nach Hause kommst, ich werde so oft darnach gefragt. Übrigens soll das kein Drängen sein, bleibe so lange es Dich freut und das Geld reicht.

Ende dieses Monats soll die neue Oper von Weingartner gegeben werden, ich bin nicht dabei beschäftigt – Dank sei dem Himmel dafür. – Sie soll noch Wagnerischer sein als Wagner. Jemand vom Orchester hat sie Wagnerpotpourrie geheißen.

Nächstens ist Generalversammlung vom Tonkünstlerverein, er wird wahrscheinlich damit zu Grabe getragen.

[36] Nun, lieber Richard, lebe wohl! Sei vergnügt und schreibe recht bald, wie es Dir geht, und sei von uns allen herzlich gegrüßt,

besonders von Deinem Papa

Lieber Richard! An Papas Brief möchte ich noch einige Zeilen beifügen. Wir freuen uns sehr, daß Du so vergnügt bist und so viel Interessantes erlebst und darauf, dann mündlich davon erzählen zu hören. Bis in 14 Tagen hoffen wir, daß Du zurück sein wirst. Pschorrs kommen am Mittwoch von [Berchtesgaden] zurück, wo sie über 14 Tage waren, Frühjahr, Winter und Sommer dort erlebten. Nach zehn sehr kalten Tagen ist es jetzt wieder sommerlich und gehen wir nachmittags fleißig auf den Keller. – Herzliche Grüße von Hanna und Deiner Maman.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt

    • Hände:

      • unbekannt
      • unbekannt
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Franz Grasberger (Hrsg.) / Franz Strauss (Mitarb.) / Alice Strauss (Mitarb.): Der Strom der Töne trug mich fort: Die Welt um Richard Strauss in Briefen, Tutzing, 1967, S. 35–36. (Transkriptionsgrundlage)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02018 (Version 2021‑04‑12).

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