Brief
Hans Bronsart von Schellendorf an Richard Strauss
Donnerstag, 30. Mai 1889, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/3 Aus Italien

[148]

Lieber Herr Strauss!

Sie erhalten natürlich Ihre Anstellung vom 1. August an – sobald Ihre Bayerische Anstellung abläuft – und beziehen also auch schon für August Gehalt, jedoch steht Ihrem Verbleib in Bayreuth bis zum 1. Sept. nichts im Wege. Die ministerielle Erledigung der Sache steht noch bevor.

[149] Ich bitte also Herrn Zeller, den erzählenden Tenor in Berlioz’ Werk zu singen, er kann auch die kleine Partie des »Centurio« übernehmen, welche mit ersterer nicht collidiert.

Nun aber komme ich mit der Bitte, daß Sie gütigst dem Kapellmeister Lüstner den Lisztschen »Orpheus« abtreten! Er hat mir diesen dringenden Wunsch ausgesprochen, und da er die ganze große Arbeit der Vorbereitung thut, und überdies ein vortrefflicher Dirigent ist, so möchte ich ihm diesen Wunsch nicht abschlagen, zumal er »Liebesmahl der Apostel« und »Gudrun«-Finale an den Dirigenten des Männergesangvereins Zerlett1 abgeben muß, und überhaupt nur drei neue symphonische Werke zur Aufführung kommen: Ihre Italienische Fantasie, »Orpheus«, und Rudorffs Variationen, welche letztere der Componist dirigiert.

Es macht sich überhaupt eine Kürzung des Programmes notwendig; (Bülow hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen wegen der Länge!) und es würde sich nunmehr so gestalten.

1. Italienische Fantasie
2. Klaviervariation von Brahms
3. »Johanne d’Arc«2 (Marianne Brandt)
4. Variationen von Rudorff
5. »Suleika«, Scene für Sopran mit Orchesterbegleitung von Stavenhagen3
6. Violoncello Concert von Lalo
7. Terzett aus »Gunlöd«

Das wird immer noch reichlich 2 1/2 Stunden ausfüllen.

»Johanna d’Arc« habe ich für die Gefangene vertauscht, damit der Name Liszt in dem Concert nicht fehlt.

Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden, da es sich um eine collegiale Rücksichtnahme handelt, und Ihnen doch in jeder Beziehung der Löwenanteil zufällt.

Mit herzlichem Gruß

Ihr ergebenster

v. Bronsart

Darf ich Sie bitten mir zu schreiben, welches Thuilles Vornamen ist, und wie die einzelnen Sätze seines Sextetts heißen? Hoffentlich hat er die Stimmen längst an Lüstner geschickt, mit dem ich Sie auch bitte, sich wegen Ihrer Anwesenheit in Wiesbaden zu verständigen; vielleicht auch setzen Sie sich mit Kapellmeister Wallenstein in Frankfurt/a. M. in Verbindung, welcher den Caecilienverein dirigiert, und also die Chöre vorbereitet. Vielleicht kann er [150] auch einen Sänger für den Joseph empfehlen, der mir noch fehlt; derselbe hätte dann wohl auch die kleine Partie des Polydorus zu übernehmen.

1Johann Baptist Zerlett (1859–1935, Chordirigent. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
2»Johanne d’Arc« von Franz Liszt. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
3Bernhard Stavenhagen (1862–1914), Dirigent, Komponist u. Pianist. [Anmerkung in der Transkriptionsgrundlage].
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Stefan Schenk

Quellennachweis

  • Original: Unbekannt

    • Hände:

      • unbekannt
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Gabriele Strauss (Hrsg.): Lieber Collega! Richard Strauss im Briefwechsel mit zeitgenössischen Komponisten und Dirigenten, Bd. 1 (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 14), Berlin, 1996, S. 148–150. (Transkriptionsgrundlage)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02069 (Version 2021‑04‑12).

Versionsgeschichte (Permalinks)