»Die Königliche Capelle des Hofopernhauses aus Berlin in Leipzig«
in: Neue Zeitschrift für Musik , Bd. 8, Jg. 63, Mittwoch, 19. Februar 1896, S. 85–87

relevant für die veröffentlichten Bände: III/7 Till Eulenspiegels lustige Streiche
Die Königliche Capelle des Hofopernhauses aus Berlin in Leipzig

[…]

[87] Die für Leipzig noch völlig neue Orchestercomposition von Richard Strauß (dem Münchener Hofcapellmeister) »Till Eulenspiegel« erfuhr eine von der ersten bis zur letzten Note so virtuos-glanzvolle Wiedergabe, daß auch ihr eine freundliche Aufnahme zu Theil wurde. Es ist nicht leicht, sofort in dieser musikalischen Burleske [88] sich zurecht zu finden; wohl rundet sich das Ganze insofern ab, als der Schlußtheil zurückmündet in den Anfang, dessen gemüthliches Behagen uns zurückversetzt in großväterliche Zeiten: aber bei der Jagd nach blendenden Witzen, die sich denn auch in der Folge einander auf die Versen treten, entsteht ein krauser musikalischer Wirrwarr, dem man gern entrinnt, sobald sich einige mehr oder minder ausführliche Anklänge an treuherzige Volkslieder oder selbst an einen ehrlichen deutschen Tanz einstellen. Daß alles mit raffinirter Geschicklichkeit orchestrirt ist, daß sich mehrere frappirende Klangcombinationen finden, die bis jetzt noch Keiner gewagt hatte, muß indeß Jeder zugeben; nach dieser Richtung hin ist Richard Strauß, der im nächsten [Lisztvereins]-Concert die Direction übernehmen und drei umfangreichere Werke von sich bei dieser Gelegenheit vorführen wird, allen seinen Mitbewerbern um den Siegeskranz überlegen. Es häufen sich in diesem »Till Eulenspiegel« technische Schwierigkeiten so zusammen, daß nur Orchester von der Vorzüglichkeit der Berliner Hofcapelle sie zu überwinden im Stande sein werden; für mittlere Capellen trägt dieses Stück die Aufschrift an der Stirn: »Rühr' mich nicht an!«

Die Berliner Königliche Capelle unter Hofcapellmeister Weingartner's inflammirender Leitung wird sicherlich an diese beiden Concertabende mit derselben Freude zurückdenken wie unser Publikum, das glücklicher Weise von jenem Antagonismus, der neuerdings leider auch in Kunstfragen nur zu häufig Berlin von Leipzig trennt, nirgends beeinflußt erschien. Der kräftigen Initiative unseres geschätzten Mitbürgers Ernst Eulenburg, der das Auftreten der »Berliner« hier vermittelt hat, zollen alle Kunstfreunde aufrichtigen Dank. Mit strümischem Jubel begrüßt, wurde Herr Hofcapellmeister Weingartner mit Huldigungen aller Art überschüttet. Man wird ihm und der Berliner Königlichen Capelle das rühmlichste Andenken bewahren.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Schenk, Stefan

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/b45872 (Version 2025‑06‑04).

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