Richard Straußens »Till Eulenspiegel« hat im zweiten philharm. Konzert unter der sehr anerkennenswerten Leitung Kapellmeister Schalks so lebhaften Beifall erweckt wie seit Jahren kein Orchesterwerk bei uns. Ich stelle das gegenüber einem vereinzelten, von schlecht verhehlter Klassizitätsborniertheit und offenbarem Unvermögen, auch nur die rein technische Meisterschaft des Werks zu erfassen, inspirierten Referate eines hiesigen Tagblattes einfach fest. Kein Vernünftiger darf es der Kritik verübeln, wenn sie vor neuen Erscheinungen verlegen wird, aber verlogen braucht sie davor nicht zu werden und den wirklichen Enthusiasmus nicht zu leugnen, womit man den ihr unliebsamen Gast begrüßte. Meinungen sind frei, aber Thatsachen heilig; die konservativen Herren ahnen kaum, wie sehr sie gerade mit augenscheinlichen Gehässigkeiten die Sache fördern, die sie hemmen möchten… »Eulenspiegel« nun halt ich für Straußens vollkommenstes, sozusagen klassisches Werk: Er ergänzt damit die [32] Lisztsche sinfonische Dichtkunst nach der Seite der Komik, so wie etwa Marschner die romantische Oper Webers mit dem Element des Dämonismus und des Humors bereicherte. Ueberhaupt erscheint Strauß, wenn man von Aeußerlichkeiten absieht, dem Geist und Prinzip nach nicht so sehr als der brutale Neuerer und Zukunftbringer, als den ihn seine Gegner schmähen und seine Anhänger feiern, vielmehr einstweilen doch nur erst als Ausbauer und Abschließer der neudeutschen Musikperiode. Was allerdings nicht hindert, ihn als die bedeutendste lebende deutsche Musikerindividualität einzuschätzen und sich zu freuen, daß ein solcher »Kerl« (im Sinne Goethes) da ist. Jetzt freilich kann man vom ihm, einen bekannten Ausspruch variierend, sagen: Sieh, nun läßt der Britte dir Gerechtigkeit widerfahren, es bewundert dich der Franzose, es jubelt der Spanier dir zu, aber verreißen kann dich nur der Deutsche. Du bist sein, und darum der Prügelknabe seiner Kritik. Vorläufig natürlich. Denn nach deinem Tode wird er dir Monumente setzen…

R. B.