Brief
Richard Strauss an Strauss [Familie]
Dienstag, 2. Januar 1894, Weimar

relevant für die veröffentlichten Bände: III/7 Till Eulenspiegels lustige Streiche
[1r]

Meine Lieben!

Nachdem ich 5 Tage in dem Glauben gelebt habe, ich hätte Euch bereits vorher zum Neujahr beglückwünscht, fällt mir heute ein, daß ich nur an Tante Johanna geschrieben u. heuer nur Sylvester bei Halir beim vollen Punschglase herzlich gelacht, aber meinen Wünschen keinen schriftlichen Ausdruck verliehen habe. Was ich für Euch empfinde, wißt Ihr aber, auch wenn ichs einmal nicht schreibe u. von meiner herzlichen Liebe seid Ihr ja überzeugt.

Vor allem wünsche ich Euch allen schönste Gesundheit, das weitere findet sich! Von meinem Befinden kann ich nur das beste berichten, trotzdem Influenza überall spukt, bin ich noch glücklich verschont. Oefeles u. Lieutenant Rauchen- [1v] berger lasse ich bestens für die Glückwünsche, sie bestens erwiedernd [sic], danken. Ich kann mich heuer nicht auf hereindrängen [?] einlassen, ich habe zu viel zu tun! Auch für Hörburgers Alles Schöne!

Zu nächstem Sonntag erwarte ich Humperdink u. mache Bastien u. Bastienne zu seinem Hänsel.

Am 18. dirigiere ich in Heidelberg, fahre die Nacht nach Hamburg, wo schon am 19. Probe!

Mahler hat mir neulich für den Fall, daß ich in Verlegenheit, erste Aufführung Guntram in Hamburg angeboten: Wenn Pollini mir gute Bedingungen machte, ging ich gerne statt Mahler, der weggeht, auf ein oder [2r] zwei Jahre nach Hamburg, bis Weingartner in München.

Auch mit Hochberg in Berlin gedenke ich wichtiger zu verhandeln. Warte schon was dieser Januar bringt. Weimar habe ich noch im̅er dick. Ob ich hier oder in Hamburg viel Arbeit u. Ärger habe, ist egal, nicht aber, ob ich in Hamburg 12.000 M. Gage oder in Weimar 3000 habe.

Kam̅ermusiker Schmidt, Hornist, feiert heute 25 jähriges Jubiläum! Papa gratuliert ihm vielleicht mit ein Paar Zeilen!

Mein neuer Operntext: Till Eulenspiegel in Schilda geht langsam vorwärts u. scheint ganz lustig zu werden.

Sonst ist aber der Winter für mich eine unsichtbare Zeit; ich bin bei der Kälte, Finsterniß u. Zim̅erhocken absolut unproductiv u. ohne Arbeitslust. Das ist nun seit 10 Jahren, mit Ausnahmen des ägyptischen Winters. Zeller grüßt herzlich, Frl. Pauline läßt Hanna für Brief danken u. versichert sie [2v] ihre Liebe, auch wenn Sie nicht so schnell dankend antwortet. Sie hat jetzt viel zu tun u. noch im̅er etwas mit dem Fuß zu schaffen!

Im Übrigen üblicher Weimarener Stumpfsinn!

Tausend Grüße auch an Papa, Mama, Hanna u. alle Freunde!

Euer

R.

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Schenk, Stefan

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330.I.Strauss, Nr. 346 (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2018-05-17

Bibliographie (Auswahl)

  • Genannt/Verzeichnet in Günter Brosche (Hrsg.) / Karl Dachs (Hrsg.): Richard Strauss: Autographen in München und Wien. Verzeichnis (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 3), Tutzing, 1979, S. 174.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d02512 (Version 2025‑06‑04).

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