Dokumentation Gesangstexte
Salome op. 54
Deutsche Fassung

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3a Salome
Edierter Gesangstext
Erste Szene
Die Bühne stellt eine grosse Terrasse im Palast des Herodes, die an den Bankettsaal stösst, dar. Einige Soldaten lehnen sich über die Brüstung.
Rechts eine mächtige Treppe, links im Hintergrunde eine alte Cisterne mit einer Einfassung aus grüner Bronze. Der Mond scheint sehr hell.
Narraboth
Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht!
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Sieh’ die Mondscheibe, wie sie seltsam aussieht. Wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab.
Narraboth
Sie ist sehr seltsam. Wie eine kleine Prinzessin, deren Füsse weisse Tauben sind. Man könnte meinen, sie tanzt.
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Wie eine Frau, die tot ist. Sie gleitet langsam dahin.
(Lärm im Bankettsaal)
1. Soldat
Was für ein Aufruhr! Was sind das für wilde Tiere, die da heulen?
2. Soldat
Die Juden. (trocken) Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion.
1. Soldat
Ich finde es lächerlich, über solche Dinge zu streiten.
Narraboth
(warm)
Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Abend!
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(unruhig)
Du siehst sie immer an. Du siehst sie zu viel an. Es ist gefährlich, Menschen auf diese Art anzusehn. Schreckliches kann geschehn.
Narraboth
Sie ist sehr schön heute Abend.
1. Soldat
Der Tetrarch sieht finster drein.
2. Soldat
Ja, er sieht finster drein.
1. Soldat
Auf wen blickt er?
2. Soldat
Ich weiss nicht.
Narraboth
Wie blass die Prinzessin ist. Niemals habe ich sie so blass gesehn. Sie ist wie der Schatten einer weissen Rose in einem silbernen Spiegel.
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(sehr unruhig)
Du musst sie nicht ansehn. Du siehst sie zu viel an. Schreckliches kann geschehn.
Stimme des Jochanaan
(aus der Cisterne)
Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm zu lösen den Riemen an seinen Schuhn. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätten frohlocken. Wenn er kommt, werden die Augen der Blinden den Tag sehn, wenn er kommt, die Ohren der Tauben geöffnet.
2. Soldat
Heiss ihn schweigen!
1. Soldat
Er ist ein heilger Mann.
2. Soldat
Er sagt immer lächerliche Dinge.
1. Soldat
Er ist sehr sanft. Jeden Tag, den ich ihm zu essen gebe, dankt er mir.
Kappadokier
Wer ist es?
1. Soldat
Ein Prophet.
Kappadokier
Wie ist sein Name?
1. Soldat
Jochanaan.
Kappadokier
Woher kommt er?
1. Soldat
Aus der Wüste. Eine Schar von Jüngern war dort immer um ihn.
Kappadokier
Wovon redet er?
1. Soldat
Unmöglich ist’s, zu verstehn, was er sagt.
Kappadokier
Kann man ihn sehn?
1. Soldat
Nein, der Tetrarch hat es verboten.
Narraboth
(sehr erregt)
Die Prinzessin erhebt sich! Sie verlässt die Tafel. Sie ist sehr erregt. Sie kommt hierher.
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Sieh sie nicht an!
Narraboth
Ja, sie kommt auf uns zu.
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Ich bitte dich, sieh sie nicht an!
Narraboth
Sie ist wie eine verirrte
Zweite Szene
Taube.
Salome
(tritt erregt ein)
Ich will nicht bleiben. Ich kann nicht bleiben. Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern? Es ist seltsam, dass der Mann meiner Mutter mich so ansieht. Wie süss ist hier die Luft. Hier kann ich atmen … Da drinnen sitzen Juden aus Jerusalem, die einander über ihre närrischen Gebräuche in Stücke reissen … Schweigsame, listge Egypter … Und brutale, ungeschlachte Römer mit ihrer plumpen Sprache … O, wie ich diese Römer hasse!
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(zu Narraboth)
Schreckliches wird geschehn. Warum siehst du sie so an?
Salome
Wie gut ist’s, in den Mond zu sehn. Er ist wie eine silberne Blume, kühl und keusch. Ja, wie die Schönheit einer Jungfrau, die rein geblieben ist …
Stimme des Jochanaan
Siehe, der Herr ist gekommen, des Menschen Sohn ist nahe.
Salome
Wer war das, der hier gerufen hat?
2. Soldat
Der Prophet, Prinzessin.
Salome
Ach, der Prophet. Der, vor dem der Tetrarch Angst hat?
2. Soldat
Wir wissen davon nichts, Prinzessin. Es war der Prophet Jochanaan, der hier rief.
Narraboth
(zu Salome)
Beliebt es Euch, dass ich Eure Sänfte holen lasse, Prinzessin? Die Nacht ist schön im Garten …
Salome
Er sagt schreckliche Dinge über meine Mutter, nicht wahr?
2. Soldat
Wir verstehen nie, was er sagt, Prinzessin.
Salome
Ja, er sagt schreckliche Dinge über sie.
Ein Sklave
(eintretend)
Prinzessin, der Tetrarch ersucht Euch, wieder zum Fest hineinzugehn.
Salome
(heftig)
Ich will nicht hineingehn.
(Sklave ab)
Salome
Ist dieser Prophet ein alter Mann?
Narraboth
(dringender)
Prinzessin, es wäre besser hineinzugehn. Gestattet, dass ich Euch führe!
Salome
(gesteigert)
Ist dieser Prophet ein alter Mann?
1. Soldat
Nein, Prinzessin, er ist ganz jung.
Stimme des Jochanaan
Jauchze nicht, du Land Palästina, weil der Stab dessen, der dich schlug, gebrochen ist. Denn aus dem Samen der Schlange wird ein Basilisk kommen, und seine Brut wird die Vögel verschlingen.
Salome
Welch’ seltsame Stimme! Ich möchte mit ihm sprechen …
2. Soldat
Prinzessin, der Tetrarch duldet nicht, dass irgendwer mit ihm spricht. Er hat selbst dem Hohepriester verboten, mit ihm zu sprechen.
Salome
Ich wünsche, mit ihm zu sprechen.
2. Soldat
Es ist unmöglich, Prinzessin.
Salome
(immer heftiger)
Ich will mit ihm sprechen … Bringt diesen Propheten heraus!
2. Soldat
Wir dürfen nicht, Prinzessin.
Salome
(tritt an die Cisterne heran und blickt hinunter)
Wie schwarz es da drunten ist! Es muss schrecklich sein, in so einer schwarzen Höhle zu leben … Es ist wie eine Gruft … (wild) Habt Ihr nicht gehört? Bringt den Propheten heraus! Ich möchte ihn sehn!
1. Soldat
Prinzessin, wir dürfen nicht tun, was Ihr von uns begehrt.
Salome
(erblickt Narraboth)
Ah!
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O, was wird geschehn? Ich weiss, es wird Schreckliches geschehn.
Salome
(tritt an Narraboth heran)
(leise und lebhaft sprechend)
Du wirst das für mich tun, Narraboth, nicht wahr? Ich war dir immer gewogen. Du wirst das für mich tun. Ich möchte ihn blos [sic] sehn, diesen seltsamen Propheten. Die Leute haben so viel von ihm gesprochen. Ich glaube, der Tetrarch hat Angst vor ihm.
Narraboth
Der Tetrarch hat es ausdrücklich verboten, dass irgendwer den Deckel zu diesem Brunnen aufhebt.
Salome
Du wirst das für mich tun, Narraboth, (sehr hastig) und morgen, wenn ich in einer Sänfte an dem Torweg, wo die Götzenbilder stehn, vorbeikomme, werde ich eine kleine Blume für dich fallen lassen, ein kleines, grünes Blümchen.
Narraboth
Prinzessin, ich kann nicht, ich kann nicht.
Salome
(bestimmter)
Du wirst das für mich tun, Narraboth. Du weisst, dass du das für mich tun wirst. Und morgen früh werde ich unter den Muss’linschleiern dir einen Blick zuwerfen, Narraboth, ich werde dich ansehn, kann sein, ich werde dir zulächeln. Sieh mich an, Narraboth, sieh mich an. Ah, wie gut du weisst, dass du tun wirst, um was ich dich bitte. Wie du es weisst! (stark) Ich weiss, du wirst das tun!
Narraboth
(gibt den Soldaten ein Zeichen)
Lasst den Propheten herauskommen … die Prinzessin Salome wünscht ihn zu sehn.
Salome
Ah!
(Der Prophet kommt aus der Cisterne.)
Dritte Szene
(Salome, in seinen Anblick versunken, weicht langsam vor ihm zurück.)
Jochanaan
(stark)
Wo ist er, dessen Sündenbecher jetzt voll ist? Wo ist er, der eines Tages im Angesicht alles Volkes in einem Silbermantel sterben wird? Heisst ihn herkommen, auf dass er die Stimme Dessen höre, der in der Wüste und in den Häusern der Könige gekündet hat.
Salome
Von wem spricht er?
Narraboth
Niemand kann es sagen, Prinzessin.
Jochanaan
Wo ist sie, die sich hingab der Lust ihrer Augen, die gestanden hat vor buntgemalten Männerbildern und Gesandte in’s Land der Chaldäer schickte?
Salome
(tonlos)
Er spricht von meiner Mutter.
Narraboth
(hastig)
Nein, nein, Prinzessin.
Salome
(matt)
Ja, er spricht von meiner Mutter.
Jochanaan
Wo ist sie, die den Hauptleuten Assyriens sich gab? Wo ist sie, die sich den jungen Männern der Egypter gegeben hat, die in feinem Leinen und Hyacinthgesteinen prangen, deren Schilde von Gold sind und die Leiber wie Riesen? Geht, heisst sie aufstehn vom Bett ihrer Greuel, vom Bett ihrer Blutschande, auf dass sie die Worte Dessen vernehme, der dem Herrn die Wege bereitet, und ihre Missetaten bereue. Und wenn sie gleich nicht bereut, heisst sie herkommen, denn die Geißel des Herrn ist in seiner Hand.
Salome
Er ist schrecklich. Er ist wirklich schrecklich.
Narraboth
Bleibt nicht hier, Prinzessin, ich bitte Euch!
Salome
Seine Augen sind von allem das Schrecklichste. Sie sind wie die schwarzen Höhlen, wo die Drachen hausen! Sie sind wie schwarze Seen, aus denen irres Mondlicht flackert. Glaubt ihr, daß er noch einmal sprechen wird?
Narraboth
(immer aufgeregter)
Bleibt nicht hier, Prinzessin, ich bitte Euch, bleibt nicht hier!
Salome
Wie abgezehrt er ist! Er ist wie ein Bildnis aus Elfenbein. Gewiss ist er keusch wie der Mond. Sein Fleisch muss sehr kühl sein, kühl wie Elfenbein. Ich möchte ihn näher besehn.
Narraboth
Nein, nein, Prinzessin.
Salome
Ich muß ihn näher besehn.
Narraboth
Prinzessin, Prinzessin.
Jochanaan
Wer ist dies Weib, das mich ansieht? Ich will ihre Augen nicht auf mir haben. Warum sieht sie mich so an mit ihren Goldaugen unter den gleissenden Lidern? Ich weiss nicht, wer sie ist. Ich will nicht wissen, wer sie ist. Heisst sie gehn! Zu ihr will ich nicht sprechen.
Salome
Ich bin Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa.
Jochanaan
Zurück, Tochter Babylons! Komm dem Erwählten des Herrn nicht nahe! Deine Mutter hat die Erde erfüllt mit dem Wein ihrer Lüste, und das Unmass ihrer Sünden schreit zu Gott.
Salome
Sprich mehr, Jochanaan, deine Stimme ist wie Musik in meinen Ohren.
Narraboth
Prinzessin, Prinzessin, Prinzessin.
Salome
Sprich mehr, sprich mehr, Jochanaan, und sag’ mir, was ich tun soll?
Jochanaan
Tochter Sodoms, komm mir nicht nahe! Vielmehr bedecke dein Gesicht mit einem Schleier, streue Asche auf deinen Kopf, mach’ dich auf in die Wüste und suche des Menschen Sohn!
Salome
Wer ist das, des Menschen Sohn? Ist er so schön wie du, Jochanaan?
Jochanaan
Weiche von mir! Ich höre die Flügel des Todesengels im Palaste rauschen …
Salome
Jochanaan!
Narraboth
Prinzessin, ich flehe, geh’ hinein!
Salome
Jochanaan! Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiss wie die Lilien auf einem Felde[,] von der Sichel unberührt. Dein Leib ist weiss wie der Schnee auf den Bergen Judäas. Die Rosen im Garten von Arabiens Königin sind nicht so weiss wie dein Leib. Nicht die Rosen im Garten der Königin, nicht die Füsse der Dämmerung auf den Blättern, nicht die Brüste des Mondes auf dem Meere, nichts in der Welt ist so weiss wie dein Leib. Lass mich ihn berühren, deinen Leib.
Jochanaan
Zurück, Tochter Babylons! Durch das Weib kam das Übel in die Welt. Sprich nicht zu mir. Ich will dich nicht anhör’n! Ich höre nur auf die Stimme des Herrn, meines Gottes.
Salome
Dein Leib ist grauenvoll. Er ist wie der Leib eines Aussätzigen. Er ist wie eine getünchte Wand, wo Nattern gekrochen sind, wie eine getünchte Wand, wo Skorpione ihr Nest gebaut. Er ist wie ein übertünchtes Grab voll widerlicher Dinge. Er ist grässlich, dein Leib ist grässlich. In dein Haar bin ich verliebt, Jochanaan. Dein Haar ist wie Weintrauben, wie Büschel schwarzer Trauben an den Weinstöcken Edoms. Dein Haar ist wie die Cedern, die grossen Cedern vom Libanon, die den Löwen und Räubern Schatten spenden. Die langen schwarzen Nächte, wenn der Mond sich verbirgt, wenn die Sterne bangen, sind nicht so schwarz wie dein Haar. Des Waldes Schweigen … Nichts in der Welt ist so schwarz wie dein Haar. Lass mich es berühren, dein Haar.
Jochanaan
Zurück, Tochter Sodoms! Berühre mich nicht! Entweihe nicht den Tempel des Herrn, meines Gottes!
Salome
Dein Haar ist grässlich! Es starrt von Staub und Unrat. Es ist wie eine Dornenkrone auf deinen Kopf gesetzt. Es ist wie ein Schlangenknoten gewickelt um deinen Hals. Ich liebe dein Haar nicht. (mit höchster Leidenschaft) Deinen Mund begehre ich, Jochanaan. Deinen Mund begehre ich, Jochanaan. Dein Mund ist wie ein Scharlachband an einem Turm von Elfenbein. Er ist wie ein Granatapfel, von einem Silbermesser zerteilt. Die Granatapfelblüten in den Gärten von Tyrus, glüh’nder als Rosen, sind nicht so rot. Die roten Fanfaren der Trompeten, die das Nah’n von Kön’gen künden und vor denen der Feind erzittert, sind nicht so rot wie dein roter Mund. Dein Mund ist röter als die Füsse der Männer, die den Wein stampfen in der Kelter. Er ist röter als die Füsse der Tauben, die in den Tempeln wohnen. Dein Mund ist wie ein Korallenzweig in der Dämmrung des Meers, wie der Purpur in den Gruben von Moab, der Purpur der Könige … (ausser sich) Nichts in der Welt ist so rot wie dein Mund. Lass mich ihn küssen, deinen Mund.
Jochanaan
(leise, in tonlosem Schauder)
Niemals, Tochter Babylons, Tochter Sodoms … Niemals!
Salome
Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen …
Narraboth
(in höchster Angst und Verzweiflung)
Prinzessin, Prinzessin, die wie ein Garten von Myrrhen ist, die die Taube aller Tauben ist, sieh diesen Mann nicht an. Sprich nicht solche Worte zu ihm. Ich kann es nicht ertragen …
Salome
Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen …
(Narraboth ersticht sich und fällt tot zwischen Salome und Jochanaan.)
Salome
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.
Jochanaan
Wird dir nicht bange, Tochter der Herodias?
Salome
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.
Jochanaan
Tochter der Unzucht, es lebt nur Einer, der dich retten kann. Geh, such’ ihn. Such’ ihn! (mit grösster Wärme) Er ist in einem Nachen auf dem See von Galiläa und redet zu seinen Jüngern. (sehr feierlich) Knie nieder am Ufer des Sees, ruf ihn an und rufe ihn beim Namen. Wenn er zu dir kommt, und er kommt zu allen, die ihn rufen, dann bücke dich zu seinen Füssen, dass er dir deine Sünden vergebe.
Salome
(wie verzweifelt)
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.
Jochanaan
Sei verflucht, Tochter der blutschänderischen Mutter. Sei verflucht.
Salome
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.
Jochanaan
Ich will dich nicht ansehn. Du bist verflucht, Salome. Du bist verflucht. Du bist verflucht. Du bist verflucht.
(Er geht wieder in die Cisterne hinab.)
Vierte Szene
(Herodes tritt rasch ein, gefolgt von Herodias.)
Herodes
Wo ist Salome? Wo ist die Prinzessin? Warum kam sie nicht wieder zum Bankett, wie ich ihr befohlen hatte? Ah! Da ist sie!
Herodias
Du sollst sie nicht ansehn. Fortwährend siehst du sie an!
Herodes
Wie der Mond heute Nacht aussieht! Ist es nicht ein seltsames Bild? Es sieht aus wie ein wahnwitziges Weib, das überall nach Buhlen sucht … wie ein betrunkenes Weib, das durch Wolken taumelt …
Herodias
Nein, der Mond ist wie der Mond, das ist alles. Wir wollen hineingehn.
Herodes
Ich will hier bleiben. Manasseh, leg Teppiche hierher! Zündet Fackeln an! Ich will noch Wein mit meinen Gästen trinken! Ah! Ich bin ausgeglitten. Ich bin in Blut getreten, das ist ein böses Zeichen. Warum ist hier Blut? Und dieser Tote? Wer ist dieser Tote hier? Wer ist dieser Tote? Ich will ihn nicht sehn.
1. Soldat
Es ist unser Hauptmann, Herr.
Herodes
Ich erliess keinen Befehl, dass er getötet werde.
1. Soldat
Er hat sich selbst getötet, Herr.
Herodes
Das scheint mir seltsam. Der junge Syrier, er war sehr schön. Ich erinnre mich, ich sah seine schmachtenden Augen, wenn er Salome ansah. Fort mit ihm.
(Sie tragen den Leichnam weg.)
Es ist kalt hier. Es weht ein Wind … Weht nicht ein Wind?
Herodias
(trocken)
Nein, es weht kein Wind.
Herodes
Ich sage euch: es weht ein Wind, und in der Luft hör ich etwas wie das Rauschen von mächtgen Flügeln … Hört ihr es nicht?
Herodias
Ich höre nichts.
Herodes
Jetzt höre ich es nicht mehr. Aber ich habe es gehört, es war das Wehn des Windes. Es ist vorüber. Horch! Hört ihr es nicht? Das Rauschen von mächtgen Flügeln …
Herodias
Du bist krank, wir wollen hineingehn.
Herodes
Ich bin nicht krank. Aber deine Tochter ist krank zu Tode. Niemals hab’ ich sie so blass gesehn –
Herodias
Ich habe dir gesagt, du sollst sie nicht ansehn.
Herodes
Schenkt mir Wein ein! Salome, komm, trink Wein mit mir, einen köstlichen Wein, Cäsar selbst hat ihn mir geschickt. Tauche deine kleinen Lippen hinein[,] deine kleinen roten Lippen, dann will ich den Becher leeren.
Salome
Ich bin nicht durstig, Tetrarch.
Herodes
Hörst du, wie sie mir antwortet, diese deine Tochter?
Herodias
Sie hat recht. Warum starrst du sie immer an?
Herodes
Bringt reife Früchte! Salome, komm, iss mit mir von diesen Früchten. Den Abdruck deiner kleinen, weissen Zähne in einer Frucht seh’ ich so gern. Beiss nur ein wenig ab – nur ein wenig von dieser Frucht – dann will ich essen, was übrig ist.
Salome
Ich bin nicht hungrig, Tetrarch.
Herodes
Du siehst, wie du diese deine Tochter erzogen hast!
Herodias
Meine Tochter und ich stammen aus königlichem Blut. Dein Vater war Kameltreiber, dein Vater war ein Dieb und ein Räuber obendrein.
Herodes
Salome, komm, setz dich zu mir. Du sollst auf dem Thron deiner Mutter sitzen.
Salome
Ich bin nicht müde, Tetrarch.
Herodias
Du siehst, wie sie dich achtet.
Herodes
Bringt mir – Was wünsche ich denn? Ich habe es vergessen. Ah! Ah! Ich erinnre mich –
Stimme des Jochanaan
Sieh, die Zeit ist gekommen, der Tag, von dem ich sprach, ist da.
Herodias
Heiss’ ihn schweigen! Dieser Mensch beschimpft mich!
Herodes
Er hat nichts gegen dich gesagt. Überdies ist er ein sehr grosser Prophet.
Herodias
Ich glaube nicht an Propheten. Aber du, du hast Angst vor ihm!
Herodes
Ich habe vor niemandem Angst.
Herodias
Ich sage dir, du hast Angst vor ihm. Warum lieferst du ihn nicht den Juden aus, die seit Monaten nach ihm schreien?
1. Jude
Wahrhaftig, Herr, es wäre besser, ihn in unsre Hände zu geben.
Herodes
Genug davon! Ich werde ihn nicht in eure Hände geben. Er ist ein heil’ger Mann. Er ist ein Mann, der Gott geschaut hat.
1. Jude
Das kann nicht sein. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehn. Er war der letzte, der Gott von Angesicht geschaut. In unsren Tagen zeigt sich Gott nicht. Gott verbirgt sich. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen – grosses Übel.
2. Jude
In Wahrheit weiss niemand, ob Elias in der Tat Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah.
3. Jude
Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist im Schlimmen ebenso wie im Guten.
4. Jude
Du solltest das nicht sagen, es ist eine sehr gefährliche Lehre aus Alexandria. Und die Griechen sind Heiden.
5. Jude
Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Wir können nur unser Haupt unter seinen Willen beugen, denn Gott ist sehr stark.
1. Jude
Du sagst die Wahrheit. Fürwahr, Gott ist furchtbar. Aber was diesen Menschen angeht, der hat Gott nie gesehn. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehn. Er war der letzte, er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. In unsren Tagen zeigt sich Gott nicht. Gott verbirgt sich. Gott verbirgt sich. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen. Darum ist grosses Übel, grosses Übel über das Land gekommen. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut.
2. Jude
In Wahrheit weiss niemand, ob Elias in der Tat Gott gesehen hat. Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten, möglicherweise, möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah. In Wahrheit weiss niemand, ob Elias auch wirklich Gott gesehen hat. Gott ist furchtbar, er bricht den Starken in Stücke, den Starken wie den Schwachen, denn jeder gilt ihm gleich. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes …
3. Jude
Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten. Er zeigt sich an allen Orten. Gott ist im Schlimmen ebenso wie im Guten. Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Gott zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist im Guten ebenso wie im Bösen …
4. Jude
(zum dritten)
Du solltest das nicht sagen – es ist eine sehr gefährliche Lehre aus Alexandria. Und die Griechen sind Heiden. Sie sind nicht einmal beschnitten. Die Griechen sind Heiden, sie sind nicht einmal beschnitten. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt, denn Gott ist sehr stark. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Gott ist sehr stark. Er bricht den Starken wie den Schwachen in Stücke. Gott ist stark.
5. Jude
Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt, seine Wege sind sehr dunkel. Es kann sein, dass die Dinge, die wir gut nennen, sehr schlimm sind, und die Dinge, die wir schlimm nennen, sehr gut sind. Wir wissen von nichts etwas. Wir wissen von nichts etwas, von nichts etwas …
Herodias
(zu Herodes)
(heftig)
Heiss sie schweigen. Sie langweilen mich!
Herodes
Doch hab’ ich davon sprechen hören, Jochanaan sei in Wahrheit euer Prophet Elias.
1. Jude
Das kann nicht sein, seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen.
Ein Nazarener
Mir ist sicher, dass er der Prophet Elias ist.
2. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
3. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
1. Jude
Das kann nicht sein. Seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen …
5. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
4. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
Herodias
Heiss sie schweigen!
Stimme des Jochanaan
Siehe, der Tag ist nahe, der Tag des Herrn, und ich höre auf den Bergen die Schritte Dessen, der sein wird der Erlöser der Welt.
Herodes
Was soll das heissen, der Erlöser der Welt?
1. Nazarener
(emphatisch)
Der Messias ist gekommen.
1. Jude
(schreiend)
Der Messias ist nicht gekommen.
1. Nazarener
Er ist gekommen, und allenthalben tut er Wunder. (sehr ruhig) Bei einer Hochzeit in Galiläa hat er Wasser in Wein verwandelt. Er heilte zwei Aussätzige von Capernaum.
2. Nazarener
Durch blosses Berühren!
1. Nazarener
Er hat auch Blinde geheilt. Man hat ihn auf einem Berge im Gespräch mit Engeln gesehn!
Herodias
Oho! Ich glaube nicht an Wunder, ich habe ihrer zu viele gesehn!
1. Nazarener
Die Tochter des Jairus hat er von den Toten erweckt.
Herodes
(erschreckt)
Wie, er erweckt die Toten?
1. / 2. Nazarener
Jawohl. Er erweckt die Toten.
Herodes
Ich verbiete ihm, das zu tun. Es wäre schrecklich, wenn die Toten wiederkämen! Wo ist der Mann zur Zeit?
1. Nazarener
Herr, er ist überall, aber es ist schwer, ihn zu finden.
Herodes
Der Mann muss gefunden werden.
2. Nazarener
Es heisst, in Samaria weile er jetzt.
1. Nazarener
Vor ein paar Tagen verliess er Samaria, ich glaube, im Augenblick ist er in der Nähe von Jerusalem.
Herodes
So hört: Ich verbiete ihm, die Toten zu erwecken! Es müsste schrecklich sein, wenn die Toten wiederkämen!
Stimme des Jochanaan
O über dieses geile Weib, die Tochter Babylons. So spricht der Herr, unser Gott:
Herodias
(wütend)
Befiehl ihm, er soll schweigen.
Stimme des Jochanaan
Eine Menge Menschen wird sich gegen sie sammeln, und sie werden Steine nehmen und sie steinigen!
Herodias
Wahrhaftig, es ist schändlich!
Stimme des Jochanaan
Die Kriegshauptleute werden sie mit ihren Schwertern durchbohren, sie werden sie mit ihren Schilden zermalmen!
Herodias
Er soll schweigen, er soll schweigen!
Stimme des Jochanaan
Es ist so, dass ich alle Verruchtheit austilgen werde, dass ich alle Weiber lehren werde, nicht auf den Wegen ihrer Greuel zu wandeln!
Herodias
Du hörst, was er gegen mich sagt, du duldest es, dass er die schmähe, die dein Weib ist.
Herodes
Er hat deinen Namen nicht genannt.
Stimme des Jochanaan
(sehr feierlich)
Es kommt ein Tag, da wird die Sonne finster werden wie ein schwarzes Tuch. Und der Mond wird werden wie Blut, und die Sterne des Himmels werden zur Erde fallen wie unreife Feigen vom Feigenbaum. Es kommt ein Tag, wo die Kön’ge der Erde erzittern.
Herodias
Haha! Dieser Prophet schwatzt wie ein Betrunkener … aber ich kann den Klang seiner Stimme nicht ertragen, ich hasse seine Stimme. Befiehl ihm, er soll schweigen.
Herodes
Tanz für mich, Salome.
Herodias
(heftig)
Ich will nicht haben, dass sie tanzt.
Salome
(ruhig)
Ich habe keine Lust, zu tanzen, Tetrarch.
Herodes
Salome, Tochter der Herodias, tanz für mich!
Salome
Ich will nicht tanzen, Tetrarch.
Herodias
Du siehst, wie sie dir gehorcht.
Stimme des Jochanaan
(mächtig)
Er wird auf seinem Throne sitzen, er wird gekleidet sein in Scharlach und Purpur. Und der Engel des Herrn wird ihn darnieder schlagen. Er wird von den Würmern gefressen werden.
Herodes
Salome, Salome, tanz für mich, ich bitte dich. Ich bin traurig heute Nacht, drum tanz für mich. Salome, tanz für mich! Wenn du für mich tanzest, kannst du von mir begehren, was du willst. Ich werde es dir geben.
Salome
(aufstehend)
Willst du mir wirklich alles geben, was ich von dir begehre, Tetrarch?
Herodias
Tanze nicht, meine Tochter!
Herodes
Alles, alles, was du von mir begehren wirst, und wär’s die Hälfte meines Königreichs.
Salome
Du schwörst es, Tetrarch?
Herodes
Ich schwör es, Salome.
Salome
Wobei willst du das beschwören, Tetrarch?
Herodes
Bei meinem Leben, bei meiner Krone, bei meinen Göttern.
Herodias
Tanze nicht, meine Tochter!
Herodes
O Salome, Salome, tanz für mich.
Salome
Du hast einen Eid geschworen, Tetrarch.
Herodes
Ich habe einen Eid geschworen.
Herodias
Meine Tochter, tanze nicht.
Herodes
Und wärs die Hälfte meines Königreichs. Du wirst schön sein als Königin, unermesslich schön. (erschauernd) Ah, es ist kalt hier. Es weht ein eis’ger Wind, und ich höre … Warum höre ich in der Luft dieses Rauschen von Flügeln? Ah! Es ist doch so, als ob ein ungeheurer, schwarzer Vogel über der Terrasse schwebte? Warum kann ich ihn nicht sehn, diesen Vogel? Dieses Rauschen ist schrecklich. Es ist ein schneidender Wind. Aber nein, er ist nicht kalt, er ist heiss. Giesst mir Wasser über die Hände, gebt mir Schnee zu essen, macht mir den Mantel los. Schnell, schnell, macht mir den Mantel los! Doch nein! Lasst ihn! Dieser Kranz drückt mich. Diese Rosen sind wie Feuer. (Er reisst sich das Kranzgewinde ab und wirft es auf den Tisch.) Ah! Jetzt kann ich atmen. Jetzt bin ich glücklich – (matt) Willst du für mich tanzen, Salome?
Herodias
Ich will nicht haben, dass sie tanze!
Salome
Ich will für dich tanzen.
(Sklavinnen bringen Salben und die sieben Schleier und nehmen Salome die Sandalen ab.)
Stimme des Jochanaan
Wer ist Der, der von Edom kommt, wer ist Der, der von Bozra kommt, dessen Kleid mit Purpur gefärbt ist, der in der Schönheit seiner Gewänder leuchtet, der mächtig in seiner Grösse wandelt, warum ist dein Kleid mit Scharlach gefleckt?
Herodias
Wir wollen hineingehn. Die Stimme dieses Menschen macht mich wahnsinnig. (immer heftiger) Ich will nicht haben, dass meine Tochter tanzt, während er immer dazwischen schreit. Ich will nicht haben, dass sie tanzt, während du sie auf solche Art ansiehst. Mit einem Wort: ich will nicht haben, dass sie tanzt.
Herodes
Steh nicht auf, mein Weib, meine Königin. Es wird dir nichts helfen, ich gehe nicht hinein, bevor sie getanzt hat. Tanze, Salome, tanz für mich!
Herodias
Tanze nicht, meine Tochter!
Salome
Ich bin bereit, Tetrarch.
Salomes Tanz
(Die Musikanten beginnen einen wilden Tanz.)
(Salome noch bewegungslos)
(Jetzt richtet sich Salome hoch auf und gibt den Musikanten ein Zeichen, worauf der wilde Rhythmus sofort abgedämpft wird und in eine sanft wiegende Weise überleitet.)
(Salome tanzt den Tanz der sieben Schleier.)
(Salome scheint einen Augenblick zu ermatten, jetzt rafft sie sich wie neubeschwingt auf.)
(Salome verweilt einen Augenblick in visionärer Haltung an der Cisterne, in der Jochanaan gefangen gehalten wird, – dann stürzt sie vor und zu Herodes’ Füssen.)
Herodes
Ah! Herrlich! Wundervoll, wundervoll! (zu Herodias) Siehst du, sie hat für mich getanzt, deine Tochter. Komm her, Salome, komm her, du sollst deinen Lohn haben. Ich will dich königlich belohnen. Ich will dir alles geben, was dein Herz begehrt. Was willst du haben? Sprich!
Salome
(süss)
Ich möchte, dass sie mir gleich in einer Silberschüssel …
Herodes
In einer Silberschüssel – gewiss doch – in einer Silberschüssel … Sie ist reizend, nicht? Was ist’s, das du in einer Silberschüssel haben möchtest, o süsse, schöne Salome, du, die schöner ist als alle Töchter Judäas? Was sollen sie dir in einer Silberschüssel bringen? Sag es mir! Was es auch sein mag, du sollst es erhalten. Meine Reichtümer gehören dir. Was ist es, das du haben möchtest, Salome?
(Salome steht auf.)
Salome
(lächelnd)
Den Kopf des Jochanaan.
Herodes
(fährt auf)
Nein, nein.
Herodias
Ah! Das sagst du gut, meine Tochter, das sagst du gut!
Herodes
Nein, nein, Salome; das ist es nicht, was du begehrst. Hör’ nicht auf die Stimme deiner Mutter. Sie gab dir immer schlechten Rat. Achte nicht auf sie.
Salome
Ich achte nicht auf die Stimme meiner Mutter. Zu meiner eignen Lust will ich den Kopf des Jochanaan in einer Silberschüssel haben. Du hast einen Eid geschworen, Herodes. Du hast einen Eid geschworen, vergiss das nicht!
Herodes
(hastig)
Ich weiss, ich habe einen Eid geschworen. Ich weiss es wohl. Bei meinen Göttern habe ich geschworen. Aber ich beschwöre dich, Salome, verlange etwas andres von mir. Verlange die Hälfte meines Königreichs. Ich will sie dir geben. Aber verlange nicht von mir, was deine Lippen verlangten.
Salome
(stark)
Ich verlange von dir den Kopf des Jochanaan.
Herodes
Nein, nein, ich will ihn dir nicht geben.
Salome
Du hast einen Eid geschworen, Herodes.
Herodias
Ja, du hast einen Eid geschworen. Alle haben es gehört.
Herodes
Still, Weib, zu dir spreche ich nicht.
Herodias
Meine Tochter hat recht daran getan, den Kopf des Jochanaan zu verlangen. Er hat mich mit Schimpf und Schande bedeckt. Man kann sehn, dass sie ihre Mutter liebt. Gib nicht nach, meine Tochter, gib nicht nach. Er hat einen Eid geschworen.
Herodes
Still, sprich nicht zu mir! Salome, ich beschwöre dich: Sei nicht trotzig. Sieh, ich habe dich immer lieb gehabt! Kann sein, ich habe dich zu lieb gehabt. Darum verlange das nicht von mir. Der Kopf eines Mannes, der vom Rumpf getrennt ist, ist ein übler Anblick. Hör’, was ich sage! Ich habe einen Smaragd. Er ist der schönste Smaragd der ganzen Welt. Den willst du haben, nicht wahr? Verlang’ ihn von mir, ich will ihn dir geben, den schönsten Smaragd.
Salome
Ich fordre den Kopf des Jochanaan.
Herodes
Du hörst nicht zu, du hörst nicht zu. Lass mich zu dir reden, Salome!
Salome
Den Kopf des Jochanaan.
Herodes
Das sagst du nur, um mich zu quälen, weil ich dich so angeschaut habe. Deine Schönheit hat mich verwirrt. Oh! Oh! Bringt Wein! Mich dürstet. Salome, Salome, lass uns wie Freunde zueinander sein! Bedenk’ dich! Ah! Was wollt ich sagen? Was war’s? … Ah! Ich weiss es wieder! … Salome, du kennst meine weissen Pfauen, meine schönen, weissen Pfauen, die im Garten zwischen den Myrten wandeln. Ich will sie dir alle, alle geben. In der ganzen Welt lebt kein König, der solche Pfauen hat. Ich habe bloss hundert. Aber alle will ich dir geben.
Salome
Gib mir den Kopf des Jochanaan!
Herodias
Gut gesagt, meine Tochter! (zu Herodes) Und du, du bist lächerlich mit deinen Pfauen.
Herodes
Still, Weib! Du kreischest wie ein Raubvogel. Deine Stimme peinigt mich. Still, sag’ ich dir. Salome, bedenk, was du tun willst. Es kann sein, dass der Mann von Gott gesandt ist. Er ist ein heilger Mann. Der Finger Gottes hat ihn berührt. Du möchtest nicht, dass mich ein Unheil trifft, Salome? Hör’ jetzt auf mich!
Salome
Ich will den Kopf des Jochanaan.
Herodes
(auffahrend)
Ach! Du willst nicht auf mich hören. Sei ruhig, Salome. Ich – siehst du, bin ruhig. Höre: (leise und heimlich) Ich habe an diesem Ort Juwelen versteckt, Juwelen, die selbst deine Mutter nie gesehen hat. Ich habe ein Halsband mit vier Reihen Perlen, Topase, gelb wie die Augen der Tiger. Topase, hellrot wie die Augen der Waldtaube, und grüne Topase, wie Katzenaugen. Ich habe Opale, die immer funkeln, mit einem Feuer, kalt wie Eis. Ich will sie dir alle geben, alle. (immer aufgeregter) Ich habe Chrysolithe und Berylle, Chrysoprase und Rubine. Ich habe Sardonyx- und Hyacinthsteine und Steine von Chalcedon. Ich will sie dir alle geben, alle und noch andre Dinge. Ich habe einen Krystall, in den zu schaun keinem Weibe vergönnt ist. In einem Perlenmutterkästchen habe ich drei wunderbare Türkise; wer sie an seiner Stirne trägt, kann Dinge sehn, die nicht wirklich sind. Es sind unbezahlbare Schätze. Was begehrst du sonst noch, Salome? Alles, was du verlangst, will ich dir geben, nur eines nicht. Nur nicht das Leben dieses einen Mannes. Ich will dir den Mantel des Hohenpriesters geben. Ich will dir den Vorhang des Allerheiligsten geben …
Die Juden
Oh, oh, oh!
Salome
(wild)
Gib mir den Kopf des Jochanaan!
(Herodes sinkt verzweifelt auf seinen Sitz zurück.)
Herodes
(matt)
Man soll ihr geben, was sie verlangt! Sie ist in Wahrheit ihrer Mutter Kind.
(Herodias zieht dem Tetrarchen den Todesring vom Finger und gibt ihn dem ersten Soldaten, der ihn auf der Stelle dem Henker überbringt.)
Herodes
Wer hat meinen Ring genommen?
(Der Henker geht in die Cisterne hinab.)
Herodes
Ich hatte einen Ring an meiner rechten Hand. Wer hat meinen Wein getrunken? Es war Wein in meinem Becher. Er war mit Wein gefüllt. Es hat ihn jemand ausgetrunken. (leise) Oh! Gewiss wird Unheil über einen kommen.
Herodias
Meine Tochter hat recht getan!
Herodes
Ich bin sicher, es wird ein Unheil geschehn.
(Salome an der Cisterne lauschend)
Salome
Es ist kein Laut zu vernehmen. Ich höre nichts. Warum schreit er nicht, der Mann? Ah! Wenn einer mich zu töten käme, ich würde schreien, ich würde mich wehren, ich würde es nicht dulden! … Schlag’ zu, schlag’ zu, Naaman, schlag’ zu, sag’ ich dir … Nein, ich höre nichts. (gedehnt) Es ist eine schreckliche Stille! Ah! Es ist etwas zu Boden gefallen. Ich hörte etwas fallen. Es war das Schwert des Henkers. Er hat Angst, dieser Sklave. Er hat das Schwert fallen lassen! Er traut sich nicht, ihn zu töten. Er ist eine Memme, dieser Sklave. Schickt Soldaten hin! (zum Pagen) Komm hierher, du warst der Freund dieses Toten, nicht? Wohlan, ich sage dir: es sind noch nicht genug Tote. Geh zu den Soldaten und befiehl ihnen, hinabzusteigen und mir zu holen, was ich verlange, was der Tetrarch mir versprochen hat, was mein ist! Hierher, ihr Soldaten, geht ihr in die Cisterne hinunter und holt mir den Kopf des Mannes! (schreiend) Tetrarch, Tetrarch, befiehl deinen Soldaten, dass sie mir den Kopf des Jochanaan holen!
(Ein riesengrosser, schwarzer Arm, der Arm des Henkers, streckt sich aus der Cisterne heraus, auf einem silbernen Schild den Kopf des Jochanaan haltend, Salome ergreift ihn.)
Salome
Ah! Du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan. Wohl, ich werde ihn jetzt küssen! Ich will mit meinen Zähnen hineinbeissen, wie man in eine reife Frucht beissen mag. Ja, ich will ihn jetzt küssen, deinen Mund, Jochanaan. Ich hab’ es gesagt. Hab’ ich’s nicht gesagt? Ja, ich hab’ es gesagt. Ah! Ah! Ich will ihn jetzt küssen … Aber warum siehst du mich nicht an, Jochanaan? Deine Augen, die so schrecklich waren, so voller Wut und Verachtung, sind jetzt geschlossen. Warum sind sie geschlossen? Öffne doch die Augen, erhebe deine Lider, Jochanaan! Warum siehst du mich nicht an? Hast du Angst vor mir, Jochanaan, dass du mich nicht ansehen willst? Und deine Zunge, sie spricht kein Wort, Jochanaan, diese Scharlachnatter, die ihren Geifer gegen mich spie. Es ist seltsam, nicht? Wie kommt es, dass diese rote Natter sich nicht mehr rührt? Du sprachst böse Worte gegen mich, gegen mich, Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa. Nun wohl! Ich lebe noch, aber du bist tot, und dein Kopf, dein Kopf gehört mir. Ich kann mit ihm tun, was ich will. Ich kann ihn den Hunden vorwerfen und den Vögeln der Luft. Was die Hunde übrig lassen, sollen die Vögel der Luft verzehren … Ah! Ah! Jochanaan, Jochanaan, du warst schön. Dein Leib war eine Elfenbeinsäule auf silbernen Füssen. Er war ein Garten voller Tauben in der Silberlilien Glanz. Nichts in der Welt war so weiss wie dein Leib. Nichts in der Welt war so schwarz wie dein Haar. In der ganzen Welt war nichts so rot wie dein Mund. Deine Stimme war ein Weihrauchgefäss, und wenn ich dich ansah, hörte ich geheimnissvolle [sic] Musik …
(Salome in den Anblick von Jochanaans Haupt versunken)
Oh! Warum hast du mich nicht angesehn, Jochanaan? Du legtest über deine Augen die Binde Eines, der seinen Gott schauen wollte. Wohl! Du hast deinen Gott gesehn, Jochanaan, aber mich, mich, mich hast du nie gesehn. Hättest du mich gesehn, du hättest mich geliebt! Ich dürste nach deiner Schönheit. Ich hungre nach deinem Leib. Nicht Wein noch Äpfel können mein Verlangen stillen … Was soll ich jetzt tun, Jochanaan? Nicht die Fluten, noch die grossen Wasser können dieses brünstige Begehren löschen … Oh! Warum sahst du mich nicht an? Hättest du mich angesehn, du hättest mich geliebt. Ich weiss es wohl, du hättest mich geliebt. Und das Geheimnis der Liebe ist grösser als das Geheimnis des Todes …
Herodes
(leise zu Herodias)
Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter. Ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer!
Herodias
(stark)
Meine Tochter hat recht getan. Ich möchte jetzt hierbleiben.
Herodes
Ah! Da spricht meines Bruders Weib. (schwächer) Komm, ich will nicht an diesem Orte bleiben. (heftig) Komm, sag’ ich dir. Sicher, es wird Schreckliches geschehn. Wir wollen uns im Palast verbergen, Herodias, ich fange an, zu erzittern …
(Der Mond verschwindet.)
(auffahrend) Manasseh, Issachar, Ozias, löscht die Fackeln aus. Verbergt den Mond, verbergt die Sterne!
(Es wird ganz dunkel.)
Es wird Schreckliches geschehn …
Salome
(matt)
Ah! Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan. Ah! Ich habe ihn geküsst, deinen Mund, es war ein bitterer Geschmack auf deinen Lippen – Hat es nach Blut geschmeckt? Nein! Doch es schmeckte vielleicht nach Liebe … Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke … Allein was tut’s? Was tut’s? Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan. Ich habe ihn geküsst, deinen Mund.
(Der Mond bricht wieder hervor und beleuchtet Salome.)
Herodes
(sich umwendend)
Man töte dieses Weib!
(Die Soldaten stürzen sich auf Salome und begraben sie unter ihren Schilden.)
(Der Vorhang fällt schnell.)
Edierter GesangstextTextvorlage bei Komposition
Erste Szene
Die Bühne stellt eine grosse Terrasse im Palast des Herodes, die an den Bankettsaal stösst, dar. Einige Soldaten lehnen sich über die Brüstung.
Rechts eine mächtige Treppe, links im Hintergrunde eine alte Cisterne mit einer Einfassung aus grüner Bronze. Der Mond scheint sehr hell.
Eine grosse Terrasse im Palast des Herodes, die an den Bankettsaal stösst. Einige Soldaten lehnen sich über die Brüstung.
Rechts eine mächtige Treppe, links im Hintergrund eine alte Cisterne mit einer Einfassung aus grüner Bronze. Der Mond scheint sehr hell.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht!Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht!
PageDER PAGE DER HERODIAS:
Sieh’ die Mondscheibe, wie sie seltsam aussieht. Wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab.Sieh die Mondscheibe! Wie seltsam sie aussieht. Wie eine Frau, die aus dem Grab aufsteigt. Wie eine tote Frau. Man könnte meinen, sie blickt nach toten Dingen aus.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Sie ist sehr seltsam. Wie eine kleine Prinzessin, deren Füsse weisse Tauben sind. Man könnte meinen, sie tanzt.Sie ist sehr seltsam. Wie eine kleine Prinzessin, die einen gelben Schleier trägt und deren Füsse von Silber sind. Wie eine kleine Prinzessin, deren Füsse weisse Tauben sind. Man könnte meinen, sie tanzt.
PageDER PAGE DER HERODIAS:
Wie eine Frau, die tot ist. Sie gleitet langsam dahin.Wie eine Frau, die tot ist. Sie gleitet langsam dahin.
(Lärm im Bankettsaal)Lärm im Bankettsaal.
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Was für ein Aufruhr! Was sind das für wilde Tiere, die da heulen?Was für ein Aufruhr! Was sind das für wilde Thiere, die da heulen?
2. SoldatZWEITER SOLDAT:
Die Juden. (trocken) Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion.Die Juden. Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion.
ERSTER SOLDAT:
Warum streiten sie über ihre Religion?
ZWEITER SOLDAT:
Ich weiss es nicht. Sie thun das immer. Die Pharisäer zum Beispiel sagen, dass es Engel giebt, und die Sadducäer behaupten, dass es keine giebt.
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Ich finde es lächerlich, über solche Dinge zu streiten.Ich finde es lächerlich, über solche Dinge zu streiten.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
(warm)
Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Abend!Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Abend!
PageDER PAGE DER HERODIAS:
(unruhig)
Du siehst sie immer an. Du siehst sie zu viel an. Es ist gefährlich, Menschen auf diese Art anzusehn. Schreckliches kann geschehn.Du siehst sie immer an. Du siehst sie zuviel an. Es ist gefährlich, Menschen auf diese Art anzusehn. Schreckliches kann geschehen.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Sie ist sehr schön heute Abend.Sie ist sehr schön heute Abend.
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Der Tetrarch sieht finster drein.Der Tetrarch sieht finster drein.
2. SoldatZWEITER SOLDAT:
Ja, er sieht finster drein.Ja, er sieht finster drein.
ERSTER SOLDAT:
Er blickt auf etwas.
ZWEITER SOLDAT:
Er blickt auf jemanden.
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Auf wen blickt er?Auf wen blickt er?
2. SoldatZWEITER SOLDAT:
Ich weiss nicht.Ich weiss nicht.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Wie blass die Prinzessin ist. Niemals habe ich sie so blass gesehn. Sie ist wie der Schatten einer weissen Rose in einem silbernen Spiegel.Wie blass die Prinzessin ist. Niemals habe ich sie so blass gesehen. Sie ist wie der Schatten einer weissen Rose in einem silbernen Spiegel.
PageDER PAGE DER HERODIAS:
(sehr unruhig)
Du musst sie nicht ansehn. Du siehst sie zu viel an. Schreckliches kann geschehn.Du musst sie nicht ansehn. Du siehst sie zuviel an.
ERSTER SOLDAT:
Herodias hat den Becher des Tetrarchen gefüllt.
Der CAPPADOCIER:
Ist das die Königin Herodias, dort mit dem perlenbesetzten schwarzen Kopfputz und dem blauen Puder im Haar?
ERSTER SOLDAT:
Ja, das ist Herodias, die Frau des Tetrarchen.
ZWEITER SOLDAT:
Der Tetrarch liebt den Wein sehr. Er hat drei Sorten Wein. Den einen bringt man von der Insel Samothrake, er ist purpurn wie der Mantel des Cäsar.
DER CAPPADOCIER:
Ich habe Cäsar nie gesehn.
ZWEITER SOLDAT:
Der zweite kommt aus einer Stadt namens Cypern und ist gelb wie Gold.
DER CAPPADOCIER:
Ich liebe Gold.
ZWEITER SOLDAT:
Und der dritte ist ein Wein aus Sizilien. Dieser Wein ist rot wie Blut.
DER NUBIER:
Die Götter meines Landes lieben Blut sehr. Zweimal im Jahre opfern wir ihnen Jünglinge und Jungfrauen: fünfzig Jünglinge und fünfzig Jungfrauen. Aber ich fürchte, wir geben ihnen nie genug, denn sie sind sehr hart gegen uns.
DER CAPPADOCIER:
In meinem Lande sind keine Götter mehr. Die Römer haben sie ausgetrieben. Einige sagen, sie hielten sich in den Bergen versteckt, aber ich glaube es nicht. Drei Nächte bin ich in den Bergen gewesen und habe sie überall gesucht. Ich fand sie nicht und zuletzt rief ich sie beim Namen, aber sie kamen nicht. Sie sind wohl tot.
ERSTER SOLDAT:
Die Juden beten einen Gott an, den man nicht sehen kann.
DER CAPPADOCIER:
Ich kann das nicht verstehen.
ERSTER SOLDAT:
Wirklich, sie glauben nur an Dinge, die man nicht sehen kann.
DER CAPPADOCIER:
Das finde ich ganz und gar lächerlich.
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
(aus der Cisterne)
Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm zu lösen den Riemen an seinen Schuhn. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätten frohlocken. Wenn er kommt, werden die Augen der Blinden den Tag sehn, wenn er kommt, die Ohren der Tauben geöffnet.Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm die Riemen an seinen Schuhen zu lösen. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätten frohlocken. Sie werden aufblühen wie die Rosen. Die Augen der Blinden werden den Tag sehen und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Das Kind wird an der Höhle des Drachen spielen, es wird die Löwen an ihren Mähnen führen.
2. SoldatZWEITER SOLDAT:
Heiss ihn schweigen!Heiss ihn schweigen! Er sagt immer lächerliche Dinge.
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Er ist ein heilger Mann.Nein, nein. Er ist ein heiliger Mann. Und er ist sehr sanft. Jeden Tag, wenn ich ihm zu essen gebe, dankt er mir.
2. Soldat
Er sagt immer lächerliche Dinge.
1. Soldat
Er ist sehr sanft. Jeden Tag, den ich ihm zu essen gebe, dankt er mir.
KappadokierDer CAPPADOCIER:
Wer ist es?Wer ist es?
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Ein Prophet.Ein Prophet.
KappadokierDer CAPPADOCIER:
Wie ist sein Name?Wie ist sein Name?
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Jochanaan.Jochanaan.
KappadokierDer CAPPADOCIER:
Woher kommt er?Woher kommt er?
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Aus der Wüste. Eine Schar von Jüngern war dort immer um ihn.Aus der Wüste, wo er sich von Heuschrecken und wildem Honig nährte. Er trug ein Kleid von Kameelhaaren und um die Lenden einen ledernen Gürtel. Er war sehr schrecklich anzusehn. Eine grosse Schar war immer um ihn. Er hatte auch Jünger, die ihm folgten.
KappadokierDer CAPPADOCIER:
Wovon redet er?Wovon redet er?
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Unmöglich ist’s, zu verstehn, was er sagt.Das kann man nie wissen. Manchmal sagt er Dinge, die Einen erschrecken, aber es ist unmöglich zu verstehen, was er sagt.
KappadokierDer CAPPADOCIER:
Kann man ihn sehn?Kann man ihn sehen?
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Nein, der Tetrarch hat es verboten.Nein, der Tetrarch hat es verboten.
DER JUNGE SYRIER:
Die Prinzessin verbirgt ihr Gesicht hinter dem Fächer. Ihre kleinen weissen Hände flattern wie Tauben, wenn sie in den Schlag fliegen. Sie sind wie weisse Schmetterlinge. Sie sind genau wie weisse Schmetterlinge.
DER PAGE DER HERODIAS:
Was geht es dich an? Warum siehst du sie an? Du sollst sie nicht ansehn … Schreckliches kann geschehen.
DER CAPPADOCIER
(auf die Cisterne zeigend):
Ein sonderbares Gefängnis.
ZWEITER SOLDAT:
Es ist eine alte Cisterne.
DER CAPPADOCIER:
Eine alte Cisterne? Das muss ein mörderischer Ort zum Wohnen sein.
ZWEITER SOLDAT:
O nein! Zum Beispiel, des Tetrarchen Bruder, sein älterer Bruder, der erste Mann der Königin Herodias, war da zwölf Jahre gefangen. Es hat ihn nicht umgebracht. Nach Verlauf der zwölf Jahre musste man ihn erdrosseln.
DER CAPPADOCIER:
Erdrosseln? Wer wagte das?
ZWEITER SOLDAT
(deutet auf den Henker, einen riesigen Neger):
Der Mann dort, Naaman.
DER CAPPADOCIER:
Fürchtete er sich nicht?
ZWEITER SOLDAT:
O nein! Der Tetrarch sandte ihm den Ring.
DER CAPPADOCIER:
Was für einen Ring?
ZWEITER SOLDAT:
Den Todesring. Da fürchtete er sich nicht.
DER GAPPADOCIER [sic]:
Es ist aber doch etwas Schreckliches, einen König zu erdrosseln.
ERSTER SOLDAT:
Wieso? Könige haben auch nur einen Hals wie andere Leute.
DER CAPPADOCIER:
Ich finde es schrecklich.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
(sehr erregt)
Die Prinzessin erhebt sich! Sie verlässt die Tafel. Sie ist sehr erregt. Sie kommt hierher.Die Prinzessin erhebt sich! Sie verlässt die Tafel. Sie ist sehr erregt. Sie kommt hierher. Ja, sie kommt auf uns zu. Wie blass sie ist. Ich habe sie nie so blass gesehn.
PageDER PAGE DER HERODIAS:
Sieh sie nicht an!Sieh sie nicht an. Ich bitte dich, sieh sie nicht an.
Narraboth
Ja, sie kommt auf uns zu.
Page
Ich bitte dich, sieh sie nicht an!
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Sie ist wie eine verirrteSie ist wie eine Taube, die sich verirrt hat … Sie ist wie eine Narcisse, die im Winde zittert … Sie ist wie eine silberne Blume.
Zweite Szene
Taube.
Salome tritt ein.
SalomeSALOME:
(tritt erregt ein)
Ich will nicht bleiben. Ich kann nicht bleiben. Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern? Es ist seltsam, dass der Mann meiner Mutter mich so ansieht. Wie süss ist hier die Luft. Hier kann ich atmen … Da drinnen sitzen Juden aus Jerusalem, die einander über ihre närrischen Gebräuche in Stücke reissen … Schweigsame, listge Egypter … Und brutale, ungeschlachte Römer mit ihrer plumpen Sprache … O, wie ich diese Römer hasse! Ich will nicht bleiben. Ich kann nicht bleiben. Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfs-Augen unter den zuckenden Lidern? Es ist seltsam, dass der Mann meiner Mutter mich so ansieht. Ich weiss nicht, was es heissen soll. In Wahrheit – ich weiss es nur zu gut.
DER JUNGE SYRIER:
Ihr habt das Fest verlassen, Prinzessin?
SALOME:
Wie süss die Luft hier ist! Hier kann ich athmen. Da drinnen sitzen Juden aus Jerusalem, die einander über ihre närrischen Gebräuche in Stücke reissen, und Barbaren, die trinken und trinken und ihren Wein auf den Estrich schütten, und Griechen aus Smyrna mit bemalten Augen und Backen, mit ihrem gekräuselten Haar und ihren Säulenlocken, und schweigsame, listige Egypter mit langen Achatnägeln und rostbraunen Mänteln, und brutale ungeschlachte Römer mit ihrer plumpen Sprache. O, wie ich diese Römer hasse! Sie sind grob und gemein und geben sich das Ansehen, als ob sie Fürsten wären.
DER JUNGE SYRIER:
Wollt Ihr nicht sitzen, Prinzessin?
PageDER PAGE DER HERODIAS:
(zu Narraboth)
Schreckliches wird geschehn. Warum siehst du sie so an?Warum sprichst du zu ihr? O, es wird Schreckliches geschehen. Warum siehst du sie an?
SalomeSALOME:
Wie gut ist’s, in den Mond zu sehn. Er ist wie eine silberne Blume, kühl und keusch. Ja, wie die Schönheit einer Jungfrau, die rein geblieben ist …Wie gut ist es, in den Mond zu sehen! Er ist wie eine silberne Blume. Kühl und keusch. Wie eine Jungfrau. Ja, wie die Schönheit einer Jungfrau. Gewiss, wie eine Jungfrau, die rein geblieben ist[.] Die sich nie Männern preisgegeben hat wie die andern Göttinnen.
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
Siehe, der Herr ist gekommen, des Menschen Sohn ist nahe.Siehe! Der Herr ist gekommen. Des Menschen Sohn ist nahe. Die Centauren haben sich in die Ströme geflüchtet und die Nymphen haben die Ströme verlassen und liegen unter den Blättern des Waldes begraben.
SalomeSALOME:
Wer war das, der hier gerufen hat?Wer war das, der hier gerufen hat?
2. SoldatZWEITER SOLDAT:
Der Prophet, Prinzessin.Der Prophet, Prinzessin.
SalomeSALOME:
Ach, der Prophet. Der, vor dem der Tetrarch Angst hat?Ach, der Prophet! Der, vor dem der Tetrarch Angst hat?
2. SoldatZWEITER SOLDAT:
Wir wissen davon nichts, Prinzessin. Es war der Prophet Jochanaan, der hier rief.Wir wissen davon nichts, Prinzessin. Es war der Prophet Jochanaan, der gerufen hat.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
(zu Salome)
Beliebt es Euch, dass ich Eure Sänfte holen lasse, Prinzessin? Die Nacht ist schön im Garten …Beliebt es Euch, dass ich Eure Sänfte holen lasse, Prinzessin? Die Nacht ist schön im Garten.
SalomeSALOME:
Er sagt schreckliche Dinge über meine Mutter, nicht wahr?Er sagt schreckliche Dinge über meine Mutter, nicht wahr?
2. SoldatZWEITER SOLDAT:
Wir verstehen nie, was er sagt, Prinzessin.Wir verstehen nie, was er sagt, Prinzessin.
SalomeSALOME:
Ja, er sagt schreckliche Dinge über sie.Ja, er sagt schreckliche Dinge über sie.
Ein SKLAVE tritt ein.
Ein SklaveDER SKLAVE:
(eintretend)
Prinzessin, der Tetrarch ersucht Euch, wieder zum Fest hineinzugehn.Prinzessin, der Tetrarch ersucht Euch, wieder zum Fest hineinzugehn.
SalomeSALOME:
(heftig)
Ich will nicht hineingehn.Ich will nicht hineingehn.
(Sklave ab)
DER JUNGE SYRIER:
Verzeihung, Prinzessin, aber wenn Ihr nicht hineingeht, kann Schlimmes geschehen.
SalomeSALOME:
Ist dieser Prophet ein alter Mann?Ist dieser Prophet ein alter Mann?
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
(dringender)
Prinzessin, es wäre besser hineinzugehn. Gestattet, dass ich Euch führe!Prinzessin, es wäre besser, hineinzugehn. Gestattet, dass ich Euch führe.
SalomeSALOME:
(gesteigert)
Ist dieser Prophet ein alter Mann?Ist der Prophet ein alter Mann?
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Nein, Prinzessin, er ist ganz jung.Nein, Prinzessin, er ist ganz jung.
ZWEITER SOLDAT:
Man kann es nicht sicher wissen. Welche sagen, es sei Elias.
SALOME:
Wer ist Elias?
ZWEITER SOLDAT:
Ein Prophet dieses Landes aus vergangenen Tagen, Prinzessin.
DER SKLAVE:
Welche Antwort soll ich dem Tetrarchen von der Prinzessin bringen?
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
Jauchze nicht, du Land Palästina, weil der Stab dessen, der dich schlug, gebrochen ist. Denn aus dem Samen der Schlange wird ein Basilisk kommen, und seine Brut wird die Vögel verschlingen.Jauchze nicht, du Land Palästina, weil der Stab Dessen, der dich schlug, zerbrochen ist. Denn aus dem Samen der Schlange wird ein Basilisk kommen, und seine Brut wird die Vögel verschlingen.
SalomeSALOME:
Welch’ seltsame Stimme! Ich möchte mit ihm sprechen …Welch seltsame Stimme! Ich möchte mit ihm sprechen.
2. SoldatERSTER SOLDAT:
Prinzessin, der Tetrarch duldet nicht, dass irgendwer mit ihm spricht. Er hat selbst dem Hohepriester verboten, mit ihm zu sprechen.Ich fürchte, das kann nicht sein, Prinzessin. Der Tetrarch duldet nicht, dass irgendwer mit ihm spricht. Er hat selbst dem Hohepriester verboten mit ihm zu sprechen.
SalomeSALOME:
Ich wünsche, mit ihm zu sprechen.Ich wünsche mit ihm zu sprechen.
2. SoldatERSTER SOLDAT:
Es ist unmöglich, Prinzessin.Es ist unmöglich, Prinzessin.
SalomeSALOME:
(immer heftiger)
Ich will mit ihm sprechen … Bringt diesen Propheten heraus!Ich will mit ihm sprechen.
DER JUNGE SYRIER:
Wäre es nicht besser, wieder zum Bankett zu gehen?
SALOME:
Bringt diesen Propheten heraus.
Der SKLAVE geht ab.
2. SoldatERSTER SOLDAT:
Wir dürfen nicht, Prinzessin.Wir dürfen nicht, Prinzessin.
SalomeSALOME
(tritt an die Cisterne heran und blickt hinunter)(tritt an die Cisterne heran und blickt hinunter):
Wie schwarz es da drunten ist! Es muss schrecklich sein, in so einer schwarzen Höhle zu leben … Es ist wie eine Gruft … (wild) Habt Ihr nicht gehört? Bringt den Propheten heraus! Ich möchte ihn sehn!Wie schwarz es da drunten ist! Es muss schrecklich sein, in so einer schwarzen Höhle zu leben. Es ist wie eine Gruft … (Zu den Soldaten): Habt ihr nicht gehört? Bringt den Propheten heraus. Ich möchte ihn sehen.
ZWEITER SOLDAT:
Prinzessin, ich bitte Euch, verlangt das nicht von uns.
SALOME:
Ich soll wohl warten, bis es euch beliebt?
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Prinzessin, wir dürfen nicht tun, was Ihr von uns begehrt.Prinzessin, unser Leben gehört Euch, aber wir können nicht thun, was Ihr von uns begehrt. Und Ihr solltet das wirklich von uns nicht verlangen.
SalomeSALOME
(erblickt Narraboth)(einen Blick auf den jungen Syrier werfend):
Ah!Ah!
PageDER PAGE DER HERODIAS:
O, was wird geschehn? Ich weiss, es wird Schreckliches geschehn.O, was wird geschehen? Ich weiss, es wird Schreckliches geschehen.
SalomeSALOME
(tritt an Narraboth heran)(tritt an den jungen Syrier heran):
(leise und lebhaft sprechend)
Du wirst das für mich tun, Narraboth, nicht wahr? Ich war dir immer gewogen. Du wirst das für mich tun. Ich möchte ihn blos [sic] sehn, diesen seltsamen Propheten. Die Leute haben so viel von ihm gesprochen. Ich glaube, der Tetrarch hat Angst vor ihm.Du wirst das für mich thun, Narraboth, nicht wahr? Du wirst das für mich thun. Ich war dir immer gewogen. Du wirst es für mich thun. Ich möchte ihn bloss sehen, diesen seltsamen Propheten. Die Leute haben soviel von ihm gesprochen. Ich habe den Tetrarchen oft von ihm sprechen hören. Ich glaube, der Tetrarch hat Angst vor ihm. Hast du auch Angst vor ihm, Narraboth, du auch?
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Der Tetrarch hat es ausdrücklich verboten, dass irgendwer den Deckel zu diesem Brunnen aufhebt.Ich fürchte ihn nicht, Prinzessin; ich fürchte niemanden. Aber der Tetrarch hat es ausdrücklich verboten, dass irgendwer den Deckel zu diesem Brunnen aufhebt.
SalomeSALOME:
Du wirst das für mich tun, Narraboth, (sehr hastig) und morgen, wenn ich in einer Sänfte an dem Torweg, wo die Götzenbilder stehn, vorbeikomme, werde ich eine kleine Blume für dich fallen lassen, ein kleines, grünes Blümchen.Du wirst das für mich thun, Narraboth, und morgen, wenn ich in meiner Sänfte an dem Thorweg, wo die Götzenbildhändler stehen, vorbeikomme, werde ich eine kleine Blume für dich fallen lassen, ein kleines, grünes Blümchen.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Prinzessin, ich kann nicht, ich kann nicht.Prinzessin, ich kann nicht, ich kann nicht.
SalomeSALOME
(bestimmter)(lächelnd):
Du wirst das für mich tun, Narraboth. Du weisst, dass du das für mich tun wirst. Und morgen früh werde ich unter den Muss’linschleiern dir einen Blick zuwerfen, Narraboth, ich werde dich ansehn, kann sein, ich werde dir zulächeln. Sieh mich an, Narraboth, sieh mich an. Ah, wie gut du weisst, dass du tun wirst, um was ich dich bitte. Wie du es weisst! (stark) Ich weiss, du wirst das tun!Du wirst das für mich thun, Narraboth. Du weisst, dass du das für mich thun wirst. Und morgen früh, wenn ich in meiner Sänfte an der Brücke vorbeikomme, wo man Götzenbilder kauft, werde ich unter den Musselinschleiern dir einen Blick zuwerfen, Narraboth, ich werde dich ansehen, kann sein, ich werde dir zulächeln. Sieh mich an, Narraboth, sieh mich an. Ah! wie gut du weisst, dass du thun wirst, um was ich dich bitte! Wie du es weisst … Ich weiss, du wirst das thun.
NarrabothDER JUNGE SYRIER
(gibt den Soldaten ein Zeichen)(giebt dem dritten Soldaten ein Zeichen):
Lasst den Propheten herauskommen … die Prinzessin Salome wünscht ihn zu sehn.Lass den Propheten herauskommen … Die Prinzessin Salome wünscht ihn zu sehen.
SalomeSALOME:
Ah!Ah!
DER PAGE DER HERODIAS:
O, wie seltsam der Mond aussieht! Wie die Hand einer toten Frau, die das Laken über sich ziehen will.
DER JUNGE SYRIER:
Ja, sehr seltsam! Wie eine kleine Prinzessin, mit Augen wie Bernstein-Augen. Durch die Wolken von Musselin lächelt das Gesicht hervor wie eine kleine Prinzessin.
(Der Prophet kommt aus der Cisterne.)Der Prophet kommt aus der Cisterne. Salome sieht ihn an und weicht langsam zurück.
Dritte Szene
(Salome, in seinen Anblick versunken, weicht langsam vor ihm zurück.)
JochanaanJOCHANAAN:
(stark)
Wo ist er, dessen Sündenbecher jetzt voll ist? Wo ist er, der eines Tages im Angesicht alles Volkes in einem Silbermantel sterben wird? Heisst ihn herkommen, auf dass er die Stimme Dessen höre, der in der Wüste und in den Häusern der Könige gekündet hat.Wo ist er, dessen Sündenbecher jetzt voll ist? Wo ist er, der eines Tages im Angesichte alles Volkes in einem Silbermantel sterben wird? Heisst ihn herkommen, auf dass er die Stimme Dessen höre, der in den Wüsten und in den Häusern der Könige gekündet hat.
SalomeSALOME:
Von wem spricht er?Von wem spricht er?
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Niemand kann es sagen, Prinzessin.Niemand kann es sagen, Prinzessin.
JochanaanJOCHANAAN:
Wo ist sie, die sich hingab der Lust ihrer Augen, die gestanden hat vor buntgemalten Männerbildern und Gesandte in’s Land der Chaldäer schickte?Wo ist sie, die vor den gemalten Männerbildern gestanden hat, vor den buntgemalten Bildern der Chaldäer, die sich hingab der Lust ihrer Augen und Gesandte ins Land der Chaldäer schickte?
SalomeSALOME:
(tonlos)
Er spricht von meiner Mutter.Er spricht von meiner Mutter.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
(hastig)
Nein, nein, Prinzessin.O nein, Prinzessin.
SalomeSALOME:
(matt)
Ja, er spricht von meiner Mutter.Ja, er spricht von meiner Mutter.
JochanaanJOCHANAAN:
Wo ist sie, die den Hauptleuten Assyriens sich gab? Wo ist sie, die sich den jungen Männern der Egypter gegeben hat, die in feinem Leinen und Hyacinthgesteinen prangen, deren Schilde von Gold sind und die Leiber wie Riesen? Geht, heisst sie aufstehn vom Bett ihrer Greuel, vom Bett ihrer Blutschande, auf dass sie die Worte Dessen vernehme, der dem Herrn die Wege bereitet, und ihre Missetaten bereue. Und wenn sie gleich nicht bereut, heisst sie herkommen, denn die Geißel des Herrn ist in seiner Hand.Wo ist sie, die sich den Hauptleuten Assyriens gab, mit ihren Wehrgehängen und bunten Kronen auf dem Kopf? Wo ist sie, die sich den jungen Männern der Egypter gegeben hat, die in feinem Leinen und Hyacinthgesteinen prangen, deren Schilde von Gold sind und die Helme von Silber und die Leiber wie von Riesen? Geht, heisst sie aufstehn von dem Bett ihrer Greuel, vom Bett ihrer Blutschande, auf dass sie die Worte Dessen vernehme, der dem Herrn die Wege bereitet, und ihre Missethaten bereue. Und wenn sie gleich nicht bereut, sondern verstockt bleibt in ihren Sündengreueln, heisst sie herkommen, denn die Geissel des Herrn ist in seiner Hand.
SalomeSALOME:
Er ist schrecklich. Er ist wirklich schrecklich.O, er ist schrecklich, er ist wirklich schrecklich!
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Bleibt nicht hier, Prinzessin, ich bitte Euch!Bleibt nicht hier, Prinzessin, ich bitte Euch.
SalomeSALOME:
Seine Augen sind von allem das Schrecklichste. Sie sind wie die schwarzen Höhlen, wo die Drachen hausen! Sie sind wie schwarze Seen, aus denen irres Mondlicht flackert. Glaubt ihr, daß er noch einmal sprechen wird?Seine Augen sind von allem das Schrecklichste. Sie sind, als ob schwarze Löcher mit Fackeln in einen syrischen Teppich gebrannt worden wären. Sie sind wie die schwarzen Höhlen, wo die Drachen leben, die schwarzen Höhlen Egyptens, wo die Drachen hausen. Sie sind wie schwarze Seen, aus denen irres Mondlicht flackert … Glaubt ihr, dass er noch einmal sprechen wird?
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
(immer aufgeregter)
Bleibt nicht hier, Prinzessin, ich bitte Euch, bleibt nicht hier!Bleibt nicht hier, Prinzessin. Ich bitte inständig, bleibt nicht hier.
SalomeSALOME:
Wie abgezehrt er ist! Er ist wie ein Bildnis aus Elfenbein. Gewiss ist er keusch wie der Mond. Sein Fleisch muss sehr kühl sein, kühl wie Elfenbein. Ich möchte ihn näher besehn.Wie abgezehrt er ist! Er ist wie eine dünne Elfenbeinfigur. Er ist wie ein Bildnis aus Silber. Gewiss ist er keusch wie der Mond. Er ist wie ein Mondenstrahl, wie ein Silberschaft. Sein Fleisch muss sehr kühl sein, kühl wie Elfenbein … Ich möchte ihn näher besehen.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Nein, nein, Prinzessin.Nein, nein, Prinzessin.
SalomeSALOME:
Ich muß ihn näher besehn.Ich muss ihn näher besehen.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Prinzessin, Prinzessin.Prinzessin! Prinzessin!
JochanaanJOCHANAAN:
Wer ist dies Weib, das mich ansieht? Ich will ihre Augen nicht auf mir haben. Warum sieht sie mich so an mit ihren Goldaugen unter den gleissenden Lidern? Ich weiss nicht, wer sie ist. Ich will nicht wissen, wer sie ist. Heisst sie gehn! Zu ihr will ich nicht sprechen.Wer ist dies Weib, das mich ansieht? Ich will ihre Augen nicht auf mir haben. Warum sieht sie mich an mit ihren Goldaugen unter den gleissenden Lidern? Ich weiss nicht, wer sie ist. Ich will nicht wissen, wer sie ist. Heisst sie gehen. Zu ihr will ich nicht sprechen.
SalomeSALOME:
Ich bin Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa.Ich bin Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa.
JochanaanJOCHANAAN:
Zurück, Tochter Babylons! Komm dem Erwählten des Herrn nicht nahe! Deine Mutter hat die Erde erfüllt mit dem Wein ihrer Lüste, und das Unmass ihrer Sünden schreit zu Gott.Zurück, Tochter Babylons! Komm dem Erwählten des Herrn nicht nahe! Deine Mutter hat die Erde erfüllt mit dem Wein ihrer Lüste, und das Unmaass [sic] ihrer Sünden schreit zu Gott.
SalomeSALOME:
Sprich mehr, Jochanaan, deine Stimme ist wie Musik in meinen Ohren.Sprich mehr, Jochanaan. Deine Stimme ist wie Musik in meinen Ohren.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Prinzessin, Prinzessin, Prinzessin.Prinzessin! Prinzessin! Prinzessin!
SalomeSALOME:
Sprich mehr, sprich mehr, Jochanaan, und sag’ mir, was ich tun soll?Sprich mehr! Sprich mehr, Jochanaan, und sage mir, was ich thun soll.
JochanaanJOCHANAAN:
Tochter Sodoms, komm mir nicht nahe! Vielmehr bedecke dein Gesicht mit einem Schleier, streue Asche auf deinen Kopf, mach’ dich auf in die Wüste und suche des Menschen Sohn!Tochter Sodoms, komm mir nicht nahe! Vielmehr bedecke dein Gesicht mit einem Schleier und streue Asche auf deinen Kopf und mach dich auf in die Wüste und suche des Menschen Sohn.
SalomeSALOME:
Wer ist das, des Menschen Sohn? Ist er so schön wie du, Jochanaan?Wer ist das, des Menschen Sohn? Ist er so schön wie du Jochanaan?
JochanaanJOCHANAAN:
Weiche von mir! Ich höre die Flügel des Todesengels im Palaste rauschen …Weiche von mir! Ich höre die Flügel des Todesengels im Palaste rauschen.
Salome
Jochanaan!
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
Prinzessin, ich flehe, geh hinein!Prinzessin, ich flehe geh hinein.
JOCHANAAN:
Engel des Herrn meines Gottes was thust du hier mit deinem Schwert? Wen suchst du in diesem Palast? Der Tag Dessen, der im Silbermantel sterben soll, ist noch nicht gekommen.
SALOME:
Jochanaan!
JOCHANAAN:
Wer spricht hier?
SalomeSALOME:
Jochanaan! Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiss wie die Lilien auf einem Felde[,] von der Sichel unberührt. Dein Leib ist weiss wie der Schnee auf den Bergen Judäas. Die Rosen im Garten von Arabiens Königin sind nicht so weiss wie dein Leib. Nicht die Rosen im Garten der Königin, nicht die Füsse der Dämmerung auf den Blättern, nicht die Brüste des Mondes auf dem Meere, nichts in der Welt ist so weiss wie dein Leib. Lass mich ihn berühren, deinen Leib. Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiss wie die Lilien auf einem Felde, das nie die Sichel berührt hat. Dein Leib ist weiss wie der Schnee, der auf den Bergen Judäas liegt und in die Thäler herabkommt. Die Rosen im Garten der Königin von Arabien sind nicht so weiss wie dein Leib. Nicht die Rosen im Garten der Königin von Arabien, im Gewürzgarten der Königin von Arabien, nicht die Füsse der Dämmerung, wenn sie auf die Blätter herabsteigt, nicht die Brüste des Mondes, wenn er auf dem Meere liegt … Nichts in der Welt ist so weiss wie dein Leib … Lass mich ihn berühren, deinen Leib!
JochanaanJOCHANAAN:
Zurück, Tochter Babylons! Durch das Weib kam das Übel in die Welt. Sprich nicht zu mir. Ich will dich nicht anhör’n! Ich höre nur auf die Stimme des Herrn, meines Gottes.Zurück, Tochter Babylons! Durch das Weib kam das Übel in die Welt. Sprich nicht zu mir. Ich will dich nicht anhören. Ich höre nur auf die Stimme des Herrn meines Gottes.
SalomeSALOME:
Dein Leib ist grauenvoll. Er ist wie der Leib eines Aussätzigen. Er ist wie eine getünchte Wand, wo Nattern gekrochen sind, wie eine getünchte Wand, wo Skorpione ihr Nest gebaut. Er ist wie ein übertünchtes Grab voll widerlicher Dinge. Er ist grässlich, dein Leib ist grässlich. In dein Haar bin ich verliebt, Jochanaan. Dein Haar ist wie Weintrauben, wie Büschel schwarzer Trauben an den Weinstöcken Edoms. Dein Haar ist wie die Cedern, die grossen Cedern vom Libanon, die den Löwen und Räubern Schatten spenden. Die langen schwarzen Nächte, wenn der Mond sich verbirgt, wenn die Sterne bangen, sind nicht so schwarz wie dein Haar. Des Waldes Schweigen … Nichts in der Welt ist so schwarz wie dein Haar. Lass mich es berühren, dein Haar.Dein Leib ist grauenvoll. Er ist wie der Leib eines Aussätzigen. Er ist wie eine getünchte Wand, wo Nattern gekrochen sind; wie eine getünchte Wand, wo die Skorpione ihr Nest gebaut haben. Er ist wie ein übertünchtes Grab, voll widerlicher Dinge. Er ist grässlich, dein Leib ist grässlich. In dein Haar bin ich verliebt, Jochanaan. Dein Haar ist wie Weintrauben, wie Büschel schwarzer Trauben, die an den Weinstöcken Edoms hängen im Lande der Edomiter. Dein Haar ist wie die Cedern vom Libanon, wie die grossen Cedern vom Libanon, die den Löwen und Räubern ihren Schatten spenden, wenn sie sich am Tage verbergen wollen. Die langen schwarzen Nächte, wenn der Mond sein Gesicht verbirgt, wenn den Sternen bange ist, sind nicht so schwarz wie dein Haar. Das Schweigen, das im Walde wohnt, ist nicht so schwarz. Nichts in der Welt ist so schwarz wie dein Haar … Lass mich es berühren, dein Haar!
JochanaanJOCHANAAN:
Zurück, Tochter Sodoms! Berühre mich nicht! Entweihe nicht den Tempel des Herrn, meines Gottes!Zurück, Tochter Sodoms! Berühre mich nicht. Entweihe nicht den Tempel des Herrn meines Gottes!
SalomeSALOME:
Dein Haar ist grässlich! Es starrt von Staub und Unrat. Es ist wie eine Dornenkrone auf deinen Kopf gesetzt. Es ist wie ein Schlangenknoten gewickelt um deinen Hals. Ich liebe dein Haar nicht. (mit höchster Leidenschaft) Deinen Mund begehre ich, Jochanaan. Deinen Mund begehre ich, Jochanaan. Dein Mund ist wie ein Scharlachband an einem Turm von Elfenbein. Er ist wie ein Granatapfel, von einem Silbermesser zerteilt. Die Granatapfelblüten in den Gärten von Tyrus, glüh’nder als Rosen, sind nicht so rot. Die roten Fanfaren der Trompeten, die das Nah’n von Kön’gen künden und vor denen der Feind erzittert, sind nicht so rot wie dein roter Mund. Dein Mund ist röter als die Füsse der Männer, die den Wein stampfen in der Kelter. Er ist röter als die Füsse der Tauben, die in den Tempeln wohnen. Dein Mund ist wie ein Korallenzweig in der Dämmrung des Meers, wie der Purpur in den Gruben von Moab, der Purpur der Könige … (ausser sich) Nichts in der Welt ist so rot wie dein Mund. Lass mich ihn küssen, deinen Mund.Dein Haar ist grässlich. Es starrt von Staub und Unrath. Es ist wie eine Dornenkrone auf deinen Kopf gesetzt. Es ist wie ein Schlangenknoten um deinen Hals gewickelt. Ich liebe dein Haar nicht … Deinen Mund begehre ich, Jochanaan. Dein Mund ist wie ein Scharlachband an einem Thurm von Elfenbein. Er ist wie ein Granatapfel, von einem Elfenbeinmesser zertheilt. Die Granatapfelblüthen, die in den Gärten von Tyrus wachsen, die glühender sind als Rosen, sind nicht so roth. Die rothen Fanfaren der Trompeten, die das Nahen von Königen künden und vor denen der Feind erzittert, sind nicht so roth. Dein Mund ist röther als die Füsse der Männer, die den Wein in der Kelter stampfen. Er ist röther als die Füsse der Tauben, die in den Tempeln wohnen und von den Priestern ihr Futter bekommen. Er ist röther als die Füsse des Mannes, der aus dem Walde kommt, wo er einen Löwen erschlagen und goldfarbige Tiger erblickt hat. Dein Mund ist wie ein Korallenzweig, den die Fischer in der Dämmerung des Meeres gefunden haben, wie die Koralle, die sie für Könige bewahren! … Er ist wie der Purpur, den die Moabiter in den Gruben von Moab finden, wie der Purpur, den die Könige von ihnen haben. Er ist wie der Bogen des Perserkönigs, der mit Purpur bemalt und mit Korallen besetzt ist. Nichts in der Welt ist so roth wie dein Mund … Lass mich ihn küssen, deinen Mund!
JochanaanJOCHANAAN:
(leise, in tonlosem Schauder)
Niemals, Tochter Babylons, Tochter Sodoms … Niemals!Niemals! Tochter Babylons! Tochter Sodoms! Niemals!
SalomeSALOME:
Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen …Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen.
NarrabothDER JUNGE SYRIER:
(in höchster Angst und Verzweiflung)
Prinzessin, Prinzessin, die wie ein Garten von Myrrhen ist, die die Taube aller Tauben ist, sieh diesen Mann nicht an. Sprich nicht solche Worte zu ihm. Ich kann es nicht ertragen …Prinzessin, Prinzessin, die wie ein Garten von Myrrhen ist, die die Taube aller Tauben ist, sieh’ diesen Mann nicht an, sieh ihn nicht an. Sprich nicht solche Worte zu ihm. Ich kann es nicht ertragen … Prinzessin, sprich nicht solche Dinge.
SalomeSALOME:
Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen …Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan.
(Narraboth ersticht sich und fällt tot zwischen Salome und Jochanaan.)
Salome
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.
DER JUNGE SYRIER:
Ah! (Er tötet sich und fällt zwischen Salome und Jochanaan.)
DER PAGE DER HERODIAS:
Der junge Syrier hat sich getötet. Der junge Hauptmann hat sich getötet. Der mein Freund war, hat sich getötet. Ich habe ihm eine kleine Nardenbüchse und silberne Ohrringe geschenkt, und nun hat er sich getötet. Ach, sagte er nicht, dass Schlimmes geschehen würde? Ich sagte es auch, und es ist eingetroffen. Wohl wusste ich, dass der Mond etwas Totes suchte, aber ich wusste nicht, dass er es war, den er suchte. Ach, warum barg ich ihn nicht vor dem Mond! Hätte ich ihn in einer Höhle verborgen, dann hätte er ihn nicht gesehen.
ERSTER SOLDAT:
Prinzessin, der junge Hauptmann hat sich eben getötet.
SALOME:
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan!
JochanaanJOCHANAAN:
Wird dir nicht bange, Tochter der Herodias?Wird dir nicht bange, Tochter der Herodias? Habe ich dir nicht gesagt, dass ich im Palaste den Flügelschlag des Todesengels gehört habe, und ist er nicht gekommen, der Engel des Todes?
SalomeSALOME:
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.Lass mich deinen Mund küssen!
JochanaanJOCHANAAN:
Tochter der Unzucht, es lebt nur Einer, der dich retten kann. Geh, such’ ihn. Such’ ihn! (mit grösster Wärme) Er ist in einem Nachen auf dem See von Galiläa und redet zu seinen Jüngern. (sehr feierlich) Knie nieder am Ufer des Sees, ruf ihn an und rufe ihn beim Namen. Wenn er zu dir kommt, und er kommt zu allen, die ihn rufen, dann bücke dich zu seinen Füssen, dass er dir deine Sünden vergebe.Tochter der Unzucht, es lebt nur Einer, der dich retten kann. Er ist Der, von dem ich sprach. Geh’, such’ ihn. Er ist in einem Nachen auf dem See von Galiläa und redet zu seinen Jüngern. Knie nieder am Ufer des Sees, rufe ihn an und nenne ihn beim Namen. Wenn Er zu dir kommt, und Er kommt zu allen, die ihn anrufen, dann bücke dich zu seinen Füssen, dass er dir deine Sünden vergebe.
SalomeSALOME:
(wie verzweifelt)
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.Lass mich deinen Mund küssen!
JochanaanJOCHANAAN:
Sei verflucht, Tochter der blutschänderischen Mutter. Sei verflucht.Sei verflucht! Tochter einer blutschänderischen Mutter, sei verflucht!
SalomeSALOME:
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan!
JochanaanJOCHANAAN:
Ich will dich nicht ansehn. Du bist verflucht, Salome. Du bist verflucht. Du bist verflucht. Du bist verflucht.Ich will dich nicht ansehen. Du bist verflucht, Salome, du bist verflucht. (Er geht in die Cisterne hinab.)
(Er geht wieder in die Cisterne hinab.)
SALOME:
Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan, ich will deinen Mund küssen! ...
ERSTER SOLDAT:
Wir müssen den Leichnam an einen anderen Ort tragen. Der Tetrarch mag keine Toten sehen, ausser wenn er selbst gemordet hat.
DER PAGE DER HERODIAS:
Er war mein Bruder, ja er war mir näher als ein Bruder. Ich gab ihm eine kleine Nardenbüchse und einen Achatring, den er immer an der Hand trug. Abends gingen wir oft am Fluss spazieren und unter den Mandelbäumen, und er erzählte mir gern von seiner Heimath. Er sprach immer sehr leise. Der Klang seiner Stimme war wie der Klang der Flöte, wie wenn einer auf der Flöte spielt. Er hatte auch grosse Freude daran, im Fluss sein Bild zu betrachten. Ich habe ihn oft darum getadelt.
ZWEITER SOLDAT:
Du hast recht, wir müssen den Leichnam verstecken. Der Tetrach darf ihn nicht sehen.
ERSTER SOLDAT:
Der Tetrarch wird nicht hierher kommen. Er kommt nie auf die Terrasse. Er hat zu grosse Angst vor dem Propheten.
Vierte Szene
(Herodes tritt rasch ein, gefolgt von Herodias.)(HERODES, HERODIAS und der ganze Hof treten ein.)
HerodesHERODES:
Wo ist Salome? Wo ist die Prinzessin? Warum kam sie nicht wieder zum Bankett, wie ich ihr befohlen hatte? Ah! Da ist sie!Wo ist Salome? Wo ist die Prinzessin? Warum kam sie nicht wieder zum Bankett, wie ich ihr befohlen hatte? Ah! hier ist sie!
HerodiasHERODIAS:
Du sollst sie nicht ansehn. Fortwährend siehst du sie an!Du sollst sie nicht ansehen! Fortwährend siehst du sie an!
HerodesHERODES:
Wie der Mond heute Nacht aussieht! Ist es nicht ein seltsames Bild? Es sieht aus wie ein wahnwitziges Weib, das überall nach Buhlen sucht … wie ein betrunkenes Weib, das durch Wolken taumelt …Wie der Mond heute Nacht aussieht! Es steckt Seltsames in ihm. Ist es nicht ein seltsames Bild? Es sieht aus wie ein wahnsinniges Weib, ein wahnsinniges Weib, das überall nach Buhlen sucht. Und nackt ist, ganz nackt. Die Wolken wollen seine Nacktheit bekleiden, aber das Weib lässt sie nicht. Er stellt sich nackt am Himmel zur Schau, wie ein betrunkenes Weib, das durch die Wolken taumelt … Gewiss, es sucht nach Buhlen. Sieht es nicht aus wie ein betrunkenes Weib? Es steckt heut etwas im Mond wie ein wahnsinniges Weib, nicht?
HerodiasHERODIAS:
Nein, der Mond ist wie der Mond, das ist alles. Wir wollen hineingehn.Nein, der Mond ist wie der Mond, das ist alles. Wir wollen hineingehn … Wir haben hier nichts zu thun.
HerodesHERODES:
Ich will hier bleiben. Manasseh, leg Teppiche hierher! Zündet Fackeln an! Ich will noch Wein mit meinen Gästen trinken! Ah! Ich bin ausgeglitten. Ich bin in Blut getreten, das ist ein böses Zeichen. Warum ist hier Blut? Und dieser Tote? Wer ist dieser Tote hier? Wer ist dieser Tote? Ich will ihn nicht sehn.Ich will hier bleiben! Manasseh, leg Teppiche hierher! Zündet Fackeln an! Bringt die Elfenbeintische heraus und die Tische von Jaspis! Die Luft ist süss hier. Ich will noch Wein mit meinen Gästen trinken. Wir müssen den Gesandten des Cäsar alle Ehren erweisen.
HERODIAS:
Nicht um ihretwillen willst du bleiben.
HERODES:
Doch; die Luft ist sehr süss. Komm, Herodias, unsere Gäste warten auf uns. Ah! Ich bin ausgeglitten. Ich bin in Blut getreten! Das ist ein böses Zeichen, das ist ein sehr böses Zeichen. Warum ist hier Blut? … Und dieser Tote? Was soll dieser Tote hier? Denkt ihr, ich sei wie der König von Egypten, der seinen Gästen kein Fest giebt, ohne ihnen einen Leichnam zu zeigen? Wer ist der Tote? Ich will ihn nicht sehen.
1. SoldatERSTER SOLDAT:
Es ist unser Hauptmann, Herr.Es ist unser Hauptmann, Herr. Es ist der junge Syrier, den Ihr erst vor drei Tagen zum Hauptmann der Leibwache ernannt habt.
HerodesHERODES:
Ich erliess keinen Befehl, dass er getötet werde.Ich erliess keinen Befehl, dass er getötet werde.
1. SoldatErster SOLDAT:
Er hat sich selbst getötet, Herr.Er hat sich selbst getötet, Herr.
HERODES:
Aus welchem Grund? Ich hatte ihn zum Hauptmann meiner Leibwache ernannt!
ZWEITER SOLDAT:
Wir wissen es nicht, Herr. Aber mit eigener Hand hat er sich getötet.
HerodesHERODES:
Das scheint mir seltsam. Der junge Syrier, er war sehr schön. Ich erinnre mich, ich sah seine schmachtenden Augen, wenn er Salome ansah. Fort mit ihm.Das scheint mir seltsam. Ich hätte gedacht, nur die römischen Philosophen töten sich selbst. Nicht wahr, Tigellinus, die Philosophen in Rom töten sich selbst?
(Sie tragen den Leichnam weg.)
Es ist kalt hier. Es weht ein Wind … Weht nicht ein Wind?
TIGELLINUS:
Es gibt dort einige, die sich selbst töten. Es sind die Stoiker. Die Stoiker sind Leute ohne Bildung. Es sind lächerliche Leute. Ich für meinen Theil halte sie für ganz und gar lächerlich.
HERODES:
Ich auch. Es ist lächerlich, sich selbst zu töten.
TIGELLINUS:
Alle Welt in Rom lacht über sie[.] Der Kaiser hat eine Satire gegen sie geschrieben. Man trägt sie überall vor.
HERODES:
Ah! Er hat eine Satire gegen sie geschrieben? Cäsar ist erstaunlich. Er kann alles … Es ist seltsam, dass der junge Syrier sich getötet hat. Es thut mir leid, dass er sich getötet hat. Es thut mir sehr leid. Denn er war schön zu sehen. Er war sehr schön. Er hatte so schmachtende Augen. Ich erinnere mich, ich sah seine schmachtenden Augen, wenn er Salome ansah. Wahrhaftig, ich dachte: er sieht sie zuviel an.
HERODIAS:
Es gibt noch andere, die sie zuviel ansehen.
HERODES:
Sein Vater war ein König. Ich vertrieb ihn aus seinem Reich. Und seine Mutter, die eine Königin war, machtest du zur Sklavin, Herodias. Er war also sozusagen mein Gast, und darum ernannte ich ihn zu meinem Hauptmann. Es thut mir leid, dass er tot ist. He! Warum habt ihr den Leichnam hier liegen lassen? Er muss fort gebracht werden. Ich will ihn nicht sehen – fort mit ihm! (Sie tragen den Leichnam weg.) Es ist kalt hier. Es weht ein Wind. Weht nicht ein Wind?
HerodiasHERODIAS:
(trocken)
Nein, es weht kein Wind.Nein, es weht kein Wind.
HerodesHERODES:
Ich sage euch: es weht ein Wind, und in der Luft hör ich etwas wie das Rauschen von mächtgen Flügeln … Hört ihr es nicht?Ich sage euch, es weht ein Wind … Und in der Luft höre ich etwas wie das Rauschen von Flügeln, wie das Rauschen von mächtigen Flügeln. Hört ihr es nicht?
HerodiasHERODIAS:
Ich höre nichts.Ich höre nichts.
HerodesHERODES:
Jetzt höre ich es nicht mehr. Aber ich habe es gehört, es war das Wehn des Windes. Es ist vorüber. Horch! Hört ihr es nicht? Das Rauschen von mächtgen Flügeln …Jetzt höre ich es nicht mehr. Aber ich habe es gehört. Es war das Wehen des Windes. Es ist vorüber. Horch, jetzt höre ich es wieder. Hört ihr es nicht? Es ist genau wie ein Rauschen von Flügeln.
HerodiasHERODIAS:
Du bist krank, wir wollen hineingehn.Ich sage dir, es ist nichts daran. Du bist krank. Wir wollen hineingehen.
HerodesHERODES:
Ich bin nicht krank. Aber deine Tochter ist krank zu Tode. Niemals hab’ ich sie so blass gesehnIch bin nicht krank. Aber deine Tochter ist krank zu Tode. Niemals habe ich sie so blass gesehen.
HerodiasHERODIAS:
Ich habe dir gesagt, du sollst sie nicht ansehn.Ich habe dir gesagt, du sollst sie nicht ansehen.
HerodesHERODES:
Schenkt mir Wein ein! Salome, komm, trink Wein mit mir, einen köstlichen Wein, Cäsar selbst hat ihn mir geschickt. Tauche deine kleinen Lippen hinein[,] deine kleinen roten Lippen, dann will ich den Becher leeren.Schenkt mir Wein ein. (Es wird Wein gebracht.) Salome, komm, trink Wein mit mir: Ich habe hier einen köstlichen Wein. Cäsar hat ihn mir selbst geschickt. Tauche deine kleinen rothen Lippen hinein, dann will ich den Becher leeren.
SalomeSALOME:
Ich bin nicht durstig, Tetrarch.Ich bin nicht durstig, Tetrarch.
HerodesHERODES:
Hörst du, wie sie mir antwortet, diese deine Tochter?Hörst du, wie sie mir antwortet, diese deine Tochter?
HerodiasHERODIAS:
Sie hat recht. Warum starrst du sie immer an?Sie hat recht. Warum stierst du sie immer an?
HerodesHERODES:
Bringt reife Früchte! Salome, komm, iss mit mir von diesen Früchten. Den Abdruck deiner kleinen, weissen Zähne in einer Frucht seh’ ich so gern. Beiss nur ein wenig abnur ein wenig von dieser Frucht dann will ich essen, was übrig ist.Bringt reife Früchte. (Es werden Früchte gebracht.) Salome, komm, iss mit mir von diesen Früchten. Ich sehe den Abdruck deiner kleinen Zähne in einer Frucht so gern. Beiss nur ein wenig von dieser Frucht hier ab, dann will ich essen, was übrig ist.
SalomeSALOME:
Ich bin nicht hungrig, Tetrarch.Ich bin nicht hungrig, Tetrarch.
HerodesHERODES:
(zu Herodias):
Du siehst, wie du diese deine Tochter erzogen hast!Du siehst, wie du diese deine Tochter erzogen hast.
HerodiasHERODIAS:
Meine Tochter und ich stammen aus königlichem Blut. Dein Vater war Kameltreiber, dein Vater war ein Dieb und ein Räuber obendrein.Meine Tochter und ich stammen aus königlichem Blut. Du aber, weisst du, dein Vater war Kameeltreiber! Dein Vater war ein Dieb und ein Räuber obendrein!
HERODES:
Du lügst!
HERODIAS:
Du weisst wohl, dass es wahr ist.
HerodesHERODES:
Salome, komm, setz dich zu mir. Du sollst auf dem Thron deiner Mutter sitzen.Salome, komm, setz dich zu mir. Du sollst auf dem Thron deiner Mutter sitzen.
SalomeSALOME:
Ich bin nicht müde, Tetrarch.Ich bin nicht müde, Tetrarch.
HerodiasHERODIAS:
Du siehst, wie sie dich achtet.Du siehst, wie sie dich achtet.
HerodesHERODES:
Bringt mir – Was wünsche ich denn? Ich habe es vergessen. Ah! Ah! Ich erinnre michBringt mir – Was wünsche ich denn? Ich hab’ es vergessen. Ah! Ah! Ich erinnere mich.
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
Sieh, die Zeit ist gekommen, der Tag, von dem ich sprach, ist da.Siehe, die Zeit ist gekommen! Was ich vorhersagte, ist eingetroffen. Der Tag, von dem ich sprach, ist da.
HerodiasHERODIAS:
Heiss’ ihn schweigen! Dieser Mensch beschimpft mich!Heiss’ ihn schweigen. Ich will seine Stimme nicht hören. Dieser Mensch beschimpft mich fortwährend.
HerodesHERODES
Er hat nichts gegen dich gesagt. Überdies ist er ein sehr grosser Prophet.Er hat nichts gegen dich gesagt. Überdies ist er ein sehr grosser Prophet.
HerodiasHERODIAS:
Ich glaube nicht an Propheten. Aber du, du hast Angst vor ihm!Ich glaube nicht an Propheten. Kann jemand sagen, was sich in Zukunft ereignen wird? Niemand weiss das. Auch beschimpft er mich fortwährend. Aber ich glaube, du hast Angst vor ihm. Ich weiss wohl, dass du Angst vor ihm hast.
HerodesHERODES:
Ich habe vor niemandem Angst.Ich habe keine Angst vor ihm. Ich habe vor niemandem Angst.
HerodiasHERODIAS:
Ich sage dir, du hast Angst vor ihm. Warum lieferst du ihn nicht den Juden aus, die seit Monaten nach ihm schreien?Ich sage dir, du hast Angst vor ihm. Wenn du keine Angst vor ihm hast, warum lieferst du ihn nicht den Juden aus, die seit sechs Monaten nach ihm schreien?
1. JudeEIN JUDE:
Wahrhaftig, Herr, es wäre besser, ihn in unsre Hände zu geben.Wahrhaftig, Herr, es wäre besser, ihn in unsere Hände zu geben.
HerodesHERODES:
Genug davon! Ich werde ihn nicht in eure Hände geben. Er ist ein heil’ger Mann. Er ist ein Mann, der Gott geschaut hat.Genug davon. Ich habe euch meine Antwort schon gegeben. Ich werde ihn nicht in eure Hände geben. Er ist ein heiliger Mann. Er ist ein Mann, der Gott geschaut hat.
1. JudeEIN JUDE:
Das kann nicht sein. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehn. Er war der letzte, der Gott von Angesicht geschaut. In unsren Tagen zeigt sich Gott nicht. Gott verbirgt sich. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen grosses Übel.Das kann nicht sein. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehen. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut hat. In unseren Tagen zeigt Gott sich nicht. Gott verbirgt sich. Darum ist grosses Uebel über das Land gekommen.
2. JudeEIN ANDERER JUDE:
In Wahrheit weiss niemand, ob Elias in der Tat Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah.In Wahrheit weiss niemand, ob Elias in der That Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah.
3. JudeEIN DRITTER JUDE:
Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist im Schlimmen ebenso wie im Guten.Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist in dem Schlimmen ebenso wie in dem Guten.
4. JudeEIN VIERTER JUDE:
Du solltest das nicht sagen, es ist eine sehr gefährliche Lehre aus Alexandria. Und die Griechen sind Heiden.Du solltest das nicht sagen. Es ist eine sehr gefährliche Lehre. Es ist eine Lehre, die aus Alexandria kommt, wo die griechische Philiosophie gelehrt wird. Und die Griechen sind Heiden. Sie sind nicht einmal beschnitten.
5. JudeEIN FÜNFTER JUDE:
Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Wir können nur unser Haupt unter seinen Willen beugen, denn Gott ist sehr stark.Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Es kann sein, dass die Dinge, die wir schlimm nennen, gut sind, und dass die Dinge, die wir gut nennen, schlimm sind. Wir wissen von nichts etwas. Wir können nur unser Haupt unter seinen Willen beugen, denn Gott ist sehr stark. Er bricht den Starken in Stücke, wie den Schwachen, denn jeder gilt ihm gleich.
1. JudeERSTER JUDE:
Du sagst die Wahrheit. Fürwahr, Gott ist furchtbar. Aber was diesen Menschen angeht, der hat Gott nie gesehn. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehn. Er war der letzte, er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. In unsren Tagen zeigt sich Gott nicht. Gott verbirgt sich. Gott verbirgt sich. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen. Darum ist grosses Übel, grosses Übel über das Land gekommen. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut.Du sagst die Wahrheit. Fürwahr, Gott ist furchtbar. Er bricht den Starken und den Schwachen in Stücke, wie man Körner in einem Mörser zerreibt. Aber was diesen Menschen angeht, der hat Gott nie gesehen. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehen.
2. Jude
In Wahrheit weiss niemand, ob Elias in der Tat Gott gesehen hat. Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten, möglicherweise, möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah. In Wahrheit weiss niemand, ob Elias auch wirklich Gott gesehen hat. Gott ist furchtbar, er bricht den Starken in Stücke, den Starken wie den Schwachen, denn jeder gilt ihm gleich. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes …
3. Jude
Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten. Er zeigt sich an allen Orten. Gott ist im Schlimmen ebenso wie im Guten. Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Gott zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist im Guten ebenso wie im Bösen …
4. Jude
(zum dritten)
Du solltest das nicht sagen – es ist eine sehr gefährliche Lehre aus Alexandria. Und die Griechen sind Heiden. Sie sind nicht einmal beschnitten. Die Griechen sind Heiden, sie sind nicht einmal beschnitten. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt, denn Gott ist sehr stark. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Gott ist sehr stark. Er bricht den Starken wie den Schwachen in Stücke. Gott ist stark.
5. Jude
Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt, seine Wege sind sehr dunkel. Es kann sein, dass die Dinge, die wir gut nennen, sehr schlimm sind, und die Dinge, die wir schlimm nennen, sehr gut sind. Wir wissen von nichts etwas. Wir wissen von nichts etwas, von nichts etwas …
HerodiasHERODIAS:
(zu Herodes)
(heftig)
Heiss sie schweigen. Sie langweilen mich!Heiss sie schweigen. Sie langweilen mich!
HerodesHERODES:
Doch hab’ ich davon sprechen hören, Jochanaan sei in Wahrheit euer Prophet Elias.Doch hab’ ich davon sprechen hören, Jochanaan sei in Wahrheit euer Prophet Elias.
1. JudeDER JUDE:
Das kann nicht sein, seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen.Das kann nicht sein. Seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen.
HERODES:
Welche sagen, der Mann sei der Prophet Elias.
Ein NazarenerEIN NAZARENER:
Mir ist sicher, dass er der Prophet Elias ist.Mir ist es sicher, dass er der Prophet Elias ist.
2. JudeDER JUDE:
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
3. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
1. Jude
Das kann nicht sein. Seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen …
5. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
4. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
Herodias
Heiss sie schweigen!
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
Siehe, der Tag ist nahe, der Tag des Herrn, und ich höre auf den Bergen die Schritte Dessen, der sein wird der Erlöser der Welt.Siehe, der Tag ist nahe, der Tag des Herrn, und ich höre auf den Bergen die Schritte Dessen, der der Erlöser der Welt sein wird.
HerodesHERODES:
Was soll das heissen, der Erlöser der Welt?Was soll das heissen: der Erlöser der Welt?
TIGELLINUS:
Es ist ein Titel, den Cäsar führt.
HERODES:
Aber Cäsar kommt nicht nach Judäa. Erst gestern hatte ich Briefe von Rom. Es stand nichts von dieser Sache darin. Und Ihr, Tigellinus, Ihr wart ja den Winter über in Rom. Ihr habt nichts von dieser Sache gehört, was?
TIGELLINUS:
Herr, ich habe nichts von der Sache gehört. Ich wollte bloss den Titel erklären. Es ist einer von Cäsars Titeln.
HERODES:
Aber Cäsar kann nicht kommen. Er wird zu sehr von der Gicht geplagt. Es heisst, seine Füsse seien wie die eines Elephanten. Es sprechen auch politische Erwägungen mit. Wer Rom verlässt, hat Rom verloren. Er wird nicht kommen. Indessen, Cäsar ist der Herr, er wird kommen, wenn es ihm so beliebt. Trotzdem glaube ich, er wird nicht kommen.
ERSTER NAZARENER:
Herr, die Worte, die der Prophet sprach, haben sich nicht auf Cäsar bezogen.
HERODES:
Wie? Nicht auf Cäsar bezogen?
ERSTER NAZARENER:
Nein, Herr!
HERODES:
Auf wen bezogen sie sich denn?
1. NazarenerERSTER NAZARENER:
(emphatisch)
Der Messias ist gekommen.Auf den Messias, der gekommen ist.
1. JudeEIN JUDE:
(schreiend)
Der Messias ist nicht gekommen.Der Messias ist nicht gekommen.
1. NazarenerERSTER NAZARENER:
Er ist gekommen, und allenthalben tut er Wunder. (sehr ruhig) Bei einer Hochzeit in Galiläa hat er Wasser in Wein verwandelt. Er heilte zwei Aussätzige von Capernaum.Er ist gekommen und allenthalben thut er Wunder!
HERODIAS:
Oho! Wunder! Ich glaube nicht an Wunder. Ich habe ihrer zu viele gesehen! (Zu dem Pagen): Meinen Fächer.
ERSTER NAZARENER:
Der Mann thut wirkliche Wunder. Zum Beispiel hat er bei einer Hochzeit, die in einer kleinen Stadt in Galiläa stattfand, Wasser in Wein verwandelt. Zuverlässige Leute, die dabei waren, haben es mir berichtet. Ferner heilte er zwei Aussätzige, die vor dem Thore von Capernaum sassen, durch einfaches Berühren.
2. Nazarener
Durch blosses Berühren!
ZWEITER NAZARENER:
Nein, zwei Blinde heilte er in Capernaum.
1. NazarenerERSTER NAZARENER:
Er hat auch Blinde geheilt. Man hat ihn auf einem Berge im Gespräch mit Engeln gesehn!Nein, es waren Aussätzige. Aber er hat auch Blinde geheilt, und man hat ihn auf einem Berge im Gespräch mit Engeln gesehn.
Herodias
Oho! Ich glaube nicht an Wunder, ich habe ihrer zu viele gesehn!
EIN SADDUCÄER:
Es giebt keine Engel.
EIN PHARISÄER:
Es giebt Engel, aber ich glaube nicht, dass der Mann mit ihnen gesprochen hat.
ERSTER NAZARENER:
Eine grosse Menge Volkes hat ihn gesehen, wie er mit Engeln sprach.
HERODIAS:
Wie diese Menschen mich langweilen! Sie sind lächerlich! Sie sind alle miteinander lächerlich! (Zu dem Pagen): Nun! mein Fächer? (Der Page giebt ihr den Fächer.) Du blickst drein wie ein Träumer. Du sollst nicht träumen. Bloss kranke Menschen träumen. (Sie schlägt den Pagen mit ihrem Fächer.)
ZWEITER NAZARENER:
Dann ist ferner das Wunder mit der Tochter des Jairus.
ERSTER NAZARENER:
Jawohl, das ist gewiss. Niemand kann es bestreiten.
HERODIAS:
Diese Menschen sind verrückt. Sie haben zu lang in den Mond gesehen. Befiehl ihnen, dass sie schweigen!
HERODES:
Was ist das für ein Wunder mit der Tochter des Jairus?
1. NazarenerERSTER NAZARENER:
Die Tochter des Jairus hat er von den Toten erweckt.Die Tochter des Jairus war tot. Der Mann erweckte sie von den Toten.
HerodesHERODES:
(erschreckt)
Wie, er erweckt die Toten?Wie! Er erweckt die Menschen vom Tode?
1. / 2. NazarenerERSTER NAZARENER:
Jawohl. Er erweckt die Toten.Jawohl, Herr, er erweckt die Toten.
HerodesHERODES:
Ich verbiete ihm, das zu tun. Es wäre schrecklich, wenn die Toten wiederkämen! Wo ist der Mann zur Zeit?Ich will nicht, dass er das thue. Ich verbiete ihm, das zu thun. Ich erlaube niemandem, die Toten zu erwecken. Der Mann muss gefunden werden, und man soll ihm sagen, dass ich ihm verbiete, die Toten zu erwecken. Wo ist der Mann zur Zeit?
1. NazarenerZWEITER NAZARENER:
Herr, er ist überall, aber es ist schwer, ihn zu finden.Herr, er ist überall, aber es ist schwer, ihn zu finden.
Herodes
Der Mann muss gefunden werden.
2. NazarenerERSTER NAZARENER:
Es heisst, in Samaria weile er jetzt.Es heisst, er sei jetzt in Samaria.
EIN JUDE:
Man kann leicht sehen, dass das nicht der Messias ist, wenn er in Samaria ist. Nicht zu den Leuten von Samaria soll der Messias kommen. Die von Samaria sind verflucht. Sie bringen keine Opfer zum Tempel.
1. NazarenerZWEITER NAZARENER:
Vor ein paar Tagen verliess er Samaria, ich glaube, im Augenblick ist er in der Nähe von Jerusalem.Vor ein paar Tagen verliess er Samaria. Ich glaube, im Augenblick ist er in der Nähe von Jerusalem.
ERSTER NAZARENER:
Nein, dort ist er nicht. Ich bin erst aus Jerusalem gekommen. In zwei Monaten haben sie keine Nachricht von ihm gehabt.
HerodesHERODES:
So hört: Ich verbiete ihm, die Toten zu erwecken! Es müsste schrecklich sein, wenn die Toten wiederkämen!Thut nichts! Er soll gefunden werden, und man soll ihm sagen, so spricht Herodes, der König: » Ich will nicht dulden, dass du die Toten erweckest Wasser in Wein verwandeln, Aussätzige und Blinde heilen … derlei Dinge mag er thun, wenn er will. Ich sage nichts gegen diese Dinge. In Wahrheit, ich halte es für eine gute That, einen Aussätzigen zu heilen. Aber niemand soll die Toten erwecken … Es müsste schrecklich sein, wenn die Toten wiederkämen.
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
O über dieses geile Weib, die Tochter Babylons. So spricht der Herr, unser Gott: O über dies geile Weib! Diese Hure! Ha! die Tochter Babylons mit ihren Goldaugen und ihren gleissenden Lidern! So sagt der Herr, unser Gott: Eine Menge Menschen wird sich gegen sie sammeln. Und sie werden Steine nehmen und sie steinigen …
HerodiasHERODIAS:
(wütend)
Befiehl ihm, er soll schweigen.Befiehl ihm, er soll schweigen!
Stimme des Jochanaan
Eine Menge Menschen wird sich gegen sie sammeln, und sie werden Steine nehmen und sie steinigen!
Herodias
Wahrhaftig, es ist schändlich!
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
Die Kriegshauptleute werden sie mit ihren Schwertern durchbohren, sie werden sie mit ihren Schilden zermalmen!Die Kriegshauptleute werden sie mit ihren Schwertern durchbohren, sie werden sie unter ihren Schilden zermalmen.
HERODIAS:
Wahrhaftig es ist schändlich!
Herodias
Er soll schweigen, er soll schweigen!
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
Es ist so, dass ich alle Verruchtheit austilgen werde, dass ich alle Weiber lehren werde, nicht auf den Wegen ihrer Greuel zu wandeln!Es ist so, dass ich alle Verruchtheit von der Erde austilgen werde, und dass alle Weiber lernen werden, nicht auf den Wegen ihrer Greuel zu wandeln!
HerodiasHERODIAS:
Du hörst, was er gegen mich sagt, du duldest es, dass er die schmähe, die dein Weib ist.Du hörst, was er gegen mich sagt? Du duldest es, dass er die schmähe, die dein Weib ist!
HerodesHERODES:
Er hat deinen Namen nicht genannt.Er hat deinen Namen nicht genannt.
HERODIAS:
Was thut das zur Sache? Du weisst wohl, dass ich es bin, die er zu schmähen sucht. Und ich bin dein Weib – oder nicht?
HERODES:
In der That, theure und vieledle Herodias, du bist mein Weib, und zuvor warst du das Weib meines Bruders.
HERODIAS:
Nämlich, du rissest mich aus seinen Armen.
HERODES:
In der That war ich stärker als er … Aber wir wollen von dieser Sache nicht reden. Ich wünsche nicht, davon zu reden. Es handelt sich um die schrecklichen Worte, die der Prophet gesprochen hat. Am Ende bedeuten diese Worte, dass Schlimmes geschehen wird. Wir wollen von dieser Sache nicht reden. Edle Herodias, wir sind gegen unsere Gäste nicht aufmerksam. Füll du mein Glas, Vielgeliebte. He! füllt die grossen Pokale von Silber und die grossen Pokale von Glas mit Wein. Ich will auf Cäsar trinken. Es sind Römer hier, wir müssen auf Cäsar trinken!
ALLE:
Cäsar! Cäsar!
HERODES:
Siehst du nicht, wie blass deine Tochter ist?
HERODIAS:
Was kümmert es dich, ob sie blass ist oder nicht?
HERODES:
Nie habe ich sie so blass gesehen.
HERODIAS:
Du brauchst sie nicht anzusehen.
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
(sehr feierlich)
Es kommt ein Tag, da wird die Sonne finster werden wie ein schwarzes Tuch. Und der Mond wird werden wie Blut, und die Sterne des Himmels werden zur Erde fallen wie unreife Feigen vom Feigenbaum. Es kommt ein Tag, wo die Kön’ge der Erde erzittern.Es kommt ein Tag, da wird die Sonne finster werden wie ein schwarzes Tuch, und der Mond wird werden wie Blut, und die Sterne des Himmels werden auf die Erde fallen wie unreife Feigen vom Feigenbaum, und die Könige der Erde werden erzittern.
HerodiasHERODIAS:
Haha! Dieser Prophet schwatzt wie ein Betrunkener … aber ich kann den Klang seiner Stimme nicht ertragen, ich hasse seine Stimme. Befiehl ihm, er soll schweigen.Haha! den Tag möcht’ ich sehen, von dem er spricht, wenn der Mond wie Blut wird und die Sterne wie unreife Feigen zur Erde fallen. Dieser Prophet schwatzt wie ein Betrunkener … aber ich kann den Klang seiner Stimme nicht ertragen. Ich hasse seine Stimme. Befiehl ihm, er soll schweigen.
HERODES:
Ich will nicht. Ich kann nicht verstehen, was das sein soll, wovon er spricht, aber vielleicht ist es ein Zeichen.
HERODIAS:
Ich glaube nicht an Zeichen. Er spricht wie ein Betrunkener.
HERODES:
Kann sein, er ist trunken vom Weine Gottes.
HERODIAS:
Was ist das für ein Wein, der Wein Gottes? Auf was für Weinbergen ist er gewachsen? In welcher Kelter findet man ihn?
HERODES:
(sieht von diesem Augenblicke ab fortwährend Salome an):
Tigellinus, als Ihr jüngst in Rom wart, sprach der Kaiser mit Euch über …?
TIGELLINUS:
Worüber, Herr?
HERODES:
Worüber? Ach, ich fragte Euch etwas, nicht? Ich habe vergessen, was ich Euch fragen wollte …
HERODIAS:
Du fängst wieder an, meine Tochter anzusehn. Du sollst sie nicht anzusehn. Ich habe es schon gesagt.
HERODES:
Du sagst nichts anderes.
HERODIAS:
Ich sage es nochmals.
HERODES:
Und dann, der Ausbau des Tempels, von dem sie soviel geredet haben, wird da etwas geschehn? Sie sagen, der Vorhang zum Allerheiligsten sei verschwunden, nicht wahr?
HERODIAS:
Du hast ihn selber gestohlen. Du schwatzest in den Tag hinein und sinnloses Zeug. Ich will nicht hier bleiben. Wir wollen hineingehn.
HerodesHERODES:
Tanz für mich, Salome.Tanz für mich, Salome.
HerodiasHERODIAS:
(heftig)
Ich will nicht haben, dass sie tanzt.Ich will nicht haben, dass sie tanzt.
SalomeSALOME:
(ruhig)
Ich habe keine Lust, zu tanzen, Tetrarch.Ich habe keine Lust zu tanzen, Tetrarch.
HerodesHERODES:
Salome, Tochter der Herodias, tanz für mich!Salome, Tochter der Herodias, tanz für mich!
HERODIAS:
Sei still! Lass sie in Frieden.
HERODES:
Ich befehle dir zu tanzen, Salome.
SalomeSALOME:
Ich will nicht tanzen, Tetrarch.Ich will nicht tanzen, Tetrarch.
HerodiasHERODIAS:
(lachend):
Du siehst, wie sie dir gehorcht.Du siehst, wie sie dir gehorcht.
HERODES:
Was kümmert es mich, ob sie tanzt oder nicht? Das gilt mir gleich. Heut Nacht bin ich glücklich. Ich bin ausnehmend glücklich. Ich bin nie so glücklich gewesen …
ERSTER SOLDAT:
Der Tetrarch blickt finster drein. Sieht er nicht finster drein?
ZWEITER SOLDAT:
Ja, er sieht finster drein.
HERODES:
Warum sollte ich nicht glücklich sein? Cäsar, der der Herr der Welt ist, Cäsar, der der Herr über alles ist, liebt mich gar sehr. Er hat mir höchst kostbare Geschenke übersandt. Auch hat er mir versprochen, den König von Cappadocien, der mein Feind ist, nach Rom vorzuladen. Kann sein, dass er ihn in Rom ans Kreuz schlagen lässt, denn er ist imstande, alles zu thun, wonach ihm der Sinn steht. Cäsar ist in Wahrheit ein Herr. Drum thue ich wohl daran, glücklich zu sein. Ich bin sehr glücklich, nie bin ich so glücklich gewesen. Nichts in der Welt kann mein Glück stören.
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
(mächtig)
Er wird auf seinem Throne sitzen, er wird gekleidet sein in Scharlach und Purpur. Und der Engel des Herrn wird ihn darnieder schlagen. Er wird von den Würmern gefressen werden.Er wird auf seinem Throne sitzen. Er wird gekleidet sein in Scharlach und Purpur. In seiner Hand wird er einen goldenen Becher halten, der voll ist seiner Lästerungen. Und der Engel des Herrn wird ihn darniederschlagen. Er wird von den Würmern gefressen werden.
HERODIAS:
Du hörst, was er über dich sagt. Er sagt, du wirst von den Würmern gefressen werden.
HERODES:
Er spricht nicht von mir. Er spricht nie gegen mich. Er spricht von dem König von Cappadocien, der mein Feind ist. Der wird von den Würmern gefressen werden. Ich bin es nicht. Nie hat er ein Wort gegen mich gesprochen, dieser Prophet, ausser, dass ich sündigte, als ich das Weib meines Bruders zum Weibe nahm. Kann sein, er hat recht. Denn in der That, du bist unfruchtbar.
HERODIAS:
Ich bin unfruchtbar, ich? Das sagst du, du, der fortwährend meine Tochter ansieht, du, der sich an ihrem Tanze weiden möchte? Du sprichst wie ein Narr. Ich habe ein Kind geboren. Du hast kein Kind gezeugt, nein, nicht mit einer einzigen deiner Sklavinnen. An dir liegt es, nicht an mir!
HERODES:
Still, Weib! Ich sage, du bist unfruchtbar. Du hast mir kein Kind geboren, und der Prophet sagt, dass unsere Ehe keine rechte Ehe ist. Er sagt, dass es eine Ehe der Blutschande ist, eine Ehe, die Unheil bringen wird … Ich fürchte, er hat recht; es ist mir sicher, dass er recht hat. Aber es ist nicht die Stunde, von diesen Dingen zu sprechen. Ich möchte glücklich sein heute. Wahrhaftig, ich bin glücklich. Es giebt nichts, was ich misse.
HERODIAS:
Ich bin froh, dass du heut Nacht so gut gelaunt bist. Es kommt nicht oft vor bei dir. Aber es ist spät. Wir wollen hineingehen. Vergiss nicht, dass wir bei Sonnenaufgang zur Jagd gehen. Alle Ehren müssen Cäsars Gesandten erwiesen werden, nicht?
ZWEITER SOLDAT:
Der Tetrarch blickt finster drein.
ERSTER SOLDAT:
Ja, er blickt finster drein.
HerodesHERODES:
Salome, Salome, tanz für mich, ich bitte dich. Ich bin traurig heute Nacht, drum tanz für mich. Salome, tanz für mich! Wenn du für mich tanzest, kannst du von mir begehren, was du willst. Ich werde es dir geben.Salome, Salome, tanz für mich. Ich bitte dich, tanz für mich. Ich bin traurig heut Nacht. Als ich hierher kam, bin ich in Blut getreten, und das ist ein böses Zeichen; auch hört’ ich in der Luft ein Rauschen von Flügeln, ein Rauschen von reisengrossen Flügeln. Ich weiss nicht, worauf das deuten mag … Ich bin traurig heut Nacht. Drum tanz’ für mich. Tanz für mich, Salome, ich bitte gar sehr. Wenn du für mich tanzest, kannst du von mir begehren, was du willst, ich werde es dir geben. Ja, tanz für mich, Salome, und was du immer von mir begehren magst, das will ich dir geben, und wär’s die Hälfte meines Königreichs.
SalomeSALOME
(aufstehend)(steht auf):
Willst du mir wirklich alles geben, was ich von dir begehre, Tetrarch?Willst du mir wirklich alles geben, was ich von dir begehre, Tetrarch?
HerodiasHERODIAS:
Tanze nicht, meine Tochter!Tanze nicht, meine Tochter!
HerodesHERODES:
Alles, alles, was du von mir begehren wirst, und wär’s die Hälfte meines Königreichs.Alles, was du von mir begehren wirst, und wär’s die Hälfte meines Königreichs.
SalomeSALOME:
Du schwörst es, Tetrarch?Du schwörst es, Tetrarch?
HerodesHERODES:
Ich schwör es, Salome.Ich schwöre es, Salome.
HERODIAS:
Tanze nicht, meine Tochter!
SalomeSALOME:
Wobei willst du das beschwören, Tetrarch?Wobei willst du das beschwören, Tetrarch?
HerodesHERODES:
Bei meinem Leben, bei meiner Krone, bei meinen Göttern.Bei meinem Leben, bei meiner Krone, bei meinen Göttern. Verlange, was du willst, ich will es dir geben, und wär’s die Hälfte meines Königreichs, wenn du nur für mich tanzen willst. O Salome, Salome, tanz für mich!
Herodias
Tanze nicht, meine Tochter!
Herodes
O Salome, Salome, tanz für mich.
SalomeSALOME:
Du hast einen Eid geschworen, Tetrarch.Du hast einen Eid geschworen, Tetrarch.
HerodesHERODES:
Ich habe einen Eid geschworen.Ich habe einen Eid geschworen!
HerodiasHERODIAS:
Meine Tochter, tanze nicht.Meine Tochter, tanze nicht!
HerodesHERODES:
Und wärs die Hälfte meines Königreichs. Du wirst schön sein als Königin, unermesslich schön. (erschauernd) Ah, es ist kalt hier. Es weht ein eis’ger Wind, und ich höre … Warum höre ich in der Luft dieses Rauschen von Flügeln? Ah! Es ist doch so, als ob ein ungeheurer, schwarzer Vogel über der Terrasse schwebte? Warum kann ich ihn nicht sehn, diesen Vogel? Dieses Rauschen ist schrecklich. Es ist ein schneidender Wind. Aber nein, er ist nicht kalt, er ist heiss. Giesst mir Wasser über die Hände, gebt mir Schnee zu essen, macht mir den Mantel los. Schnell, schnell, macht mir den Mantel los! Doch nein! Lasst ihn! Dieser Kranz drückt mich. Diese Rosen sind wie Feuer. (Er reisst sich das Kranzgewinde ab und wirft es auf den Tisch.) Ah! Jetzt kann ich atmen. Jetzt bin ich glücklich (matt) Willst du für mich tanzen, Salome?Und wär’s die Hälfte meines Königreichs. Du wirst unermesslich schön sein als Königin, Salome, wenn es dir gefällt, die Hälfte meines Königreichs zu begehren. Wird sie nicht schön sein als Königin? Ah, es ist kalt hier! Es geht ein eisiger Wind, und ich höre … warum hör’ ich in der Luft dies Rauschen von Flügeln? Ah! Es ist doch so, als ob ein ungeheurer schwarzer Vogel über der Terrasse schwebte. Warum kann ich ihn nicht sehen, diesen Vogel? Das Rauschen seiner Flügel ist schrecklich. Der sausende Wind von diesen Flügelschlägen ist schrecklich. Es ist ein schneidender Wind. Aber nein, er ist nicht kalt, er ist heiss. Es ist zum Ersticken. Giesst mir Wasser über die Hände. Gebt mir Schnee zu essen. Macht mir den Mantel los! Schnell, schnell, macht mir den Mantel los! Doch nein, lasst ihn. Mein Kranz drückt mich, die Rosen meines Kranzes. Die Blumen sind wie Feuer. Sie haben mir die Stirn verbrannt. (Er reisst das Gewinde vom Kopf und wirft es auf den Tisch.) Ah! Jetzt kann ich athmen. Wie roth diese Rosenblätter sind! Sie sind wie Blutflecken auf einem Gewande. Doch lassen wir’s. Es ist thöricht, in allem, was man sieht, Bedeutung zu spüren. Es bringt zu viel Entsetzen ins Leben. Es wäre besser zu sagen, dass Blutflecken so lieblich wie Rosenblätter sind. Es wäre ferner besser zu sagen, dass … Aber wir wollen nicht davon sprechen. Ich bin jetzt glücklich. Ich bin über die Massen glücklich. Hab’ ich nicht das Recht, glücklich zu sein? Deine Tochter will für mich tanzen. Wirst du nicht für mich tanzen, Salome? Du hast versprochen, für mich zu tanzen.
HerodiasHERODIAS:
Ich will nicht haben, dass sie tanze!Ich will nicht haben, dass sie tanze.
SalomeSALOME:
Ich will für dich tanzen.Ich will für dich tanzen, Tetrach.
(Sklavinnen bringen Salben und die sieben Schleier und nehmen Salome die Sandalen ab.)
HERODES:
Du hörst, was deine Tochter sagt. Sie will für mich tanzen. Du thust recht, wenn du für mich tanzest, Salome. Und wenn du für mich getanzt hast, vergiss nicht, von mir zu begehren, was zu begehren dir in den Sinn kommen mag. Alles, was du verlangst, werde ich dir geben, und wär’s die Hälfte meines Königreichs. Ich habe es geschworen – oder nicht?
SALOME:
Du hast es geschworen, Tetrarch!
HERODES:
Und ich habe immer mein Wort gehalten. Ich bin keiner von Denen, die ihre Eide brechen. Ich verstehe mich nicht aufs Lügen. Ich bin der Sklave meines Worts, und mein Wort ist das Wort eines Königs. Der König von Cappadocien trug immer Lügen im Mund, aber er ist kein echter König. Er ist ein Wicht. Er schuldet mir auch Geld, das er nicht heimzahlt. Er hat sogar meine Gesandten beleidigt. Er hat Worte gesprochen, die kränkend waren. Aber Cäsar wird ihn ans Kreuz schlagen lassen, wenn er nach Rom kommt. Ich weiss, Cäsar wird ihn kreuzigen lassen. Und wenn er ihn nicht kreuzigen lässt, wird er doch sterben und von den Würmern gefressen werden. Der Prophet hat es prophezeit. Nun! Warum zögerst du, Salome?
SALOME:
Ich warte, bis meine Sklavinnen mir Salben und die sieben Schleier bringen und die Sandalen von meinen Füssen lösen.
SKLAVINNEN bringen Salben und die sieben Schleier und nehmen Salome die Sandalen ab.
HERODES:
Ah, du wirst mit nackten Füssen tanzen! ’s ist gut! ’s ist gut! Deine kleinen Füsse werden wie weisse Tauben sein. Sie werden wie kleine weisse Blumen sein, die auf Bäumen tanzen … Nein, nein, sie wird auf Blut tanzen! Da auf dem Boden ist Blut vergossen! Sie soll nicht auf Blut tanzen! Es wäre ein böses Zeichen.
HERODIAS:
Was kümmert es dich, ob sie auf Blut tanzt? Du hast tief genug darin gewatet …
HERODES:
Was kümmert es mich? Ah, sieh den Mond an! Er ist roth geworden. Er ist roth geworden wie Blut. Ah, der Prophet hat wahr prophezeit. Er prophezeite, dass der Mond wie Blut werden würde. Hat er das nicht prophezeit? Ihr alle habt gehört, wie er es prophezeite. Und jetzt ist der Mond wie Blut geworden. Seht ihr es nicht?
HERODIAS:
O ja, ich sehe es gut, und die Sterne fallen wie unreife Feigen, nicht? Und die Sonne wird finster wie ein schwarzes Tuch, und die Könige der Erde erzittern. Das wenigstens kann man sehen. Darin wenigstens hat der Prophet Recht behalten mit seinem Wort, denn fürwahr, die Könige der Erde zittern … Wir wollen hineingehen. Du bist krank. Sie werden in Rom sagen, dass du verrückt bist. Wir wollen hineingehen, sage ich.
Stimme des JochanaanDIE STIMME DES JOCHANAAN:
Wer ist Der, der von Edom kommt, wer ist Der, der von Bozra kommt, dessen Kleid mit Purpur gefärbt ist, der in der Schönheit seiner Gewänder leuchtet, der mächtig in seiner Grösse wandelt, warum ist dein Kleid mit Scharlach gefleckt?Wer ist Der, der von Edom kommt, wer ist Der, der von Bozra kommt, dessen Kleid mit Purpur gefärbt ist, der in der Schönheit seiner Gewänder leuchtet, der mächtig in seiner Grösse wandelt? Warum ist dein Kleid mit Scharlach gefleckt?
HerodiasHERODIAS:
Wir wollen hineingehn. Die Stimme dieses Menschen macht mich wahnsinnig. (immer heftiger) Ich will nicht haben, dass meine Tochter tanzt, während er immer dazwischen schreit. Ich will nicht haben, dass sie tanzt, während du sie auf solche Art ansiehst. Mit einem Wort: ich will nicht haben, dass sie tanzt.Wir wollen hineingehen. Die Stimme dieses Menschen macht mich wahnsinnig. Ich will nicht haben, dass meine Tochter tanzt, während er fortwährend dazwischenschreit. Ich will nicht, dass sie tanzt, während du sie auf solche Art ansiehst. Mit einem Wort, ich will nicht haben, dass sie tanzt.
HerodesHERODES:
Steh nicht auf, mein Weib, meine Königin. Es wird dir nichts helfen, ich gehe nicht hinein, bevor sie getanzt hat. Tanze, Salome, tanz für mich!Steh nicht auf, mein Weib, meine Königin, es wird dir nichts helfen. Ich gehe nicht hinein, bevor sie getanzt hat. Tanze, Salome, tanze für mich!
HerodiasHERODIAS:
Tanze nicht, meine Tochter!Tanze nicht, meine Tochter!
SalomeSALOME:
Ich bin bereit, Tetrarch.Ich bin bereit, Tetrarch.
Salomes Tanz
(Die Musikanten beginnen einen wilden Tanz.)
(Salome noch bewegungslos)
(Jetzt richtet sich Salome hoch auf und gibt den Musikanten ein Zeichen, worauf der wilde Rhythmus sofort abgedämpft wird und in eine sanft wiegende Weise überleitet.)
(Salome tanzt den Tanz der sieben Schleier.)SALOME tanzt den Tanz der sieben Schleier.
(Salome scheint einen Augenblick zu ermatten, jetzt rafft sie sich wie neubeschwingt auf.)
(Salome verweilt einen Augenblick in visionärer Haltung an der Cisterne, in der Jochanaan gefangen gehalten wird, – dann stürzt sie vor und zu Herodes’ Füssen.)
HerodesHERODES:
Ah! Herrlich! Wundervoll, wundervoll! (zu Herodias) Siehst du, sie hat für mich getanzt, deine Tochter. Komm her, Salome, komm her, du sollst deinen Lohn haben. Ich will dich königlich belohnen. Ich will dir alles geben, was dein Herz begehrt. Was willst du haben? Sprich!Ah! Wundervoll! Wundervoll! Siehst du, sie hat für mich getanzt, deine Tochter. Komm her, Salome, komm her, du sollst deinen Lohn haben. Ah! Ich zahle Denen königlichen Preis, die mir zur Lust tanzen wollen. Ich will dich königlich belohnen. Ich will dir alles geben, was dein Herz begehrt. Was willst du haben? Sprich!
SalomeSALOME
(süss)(knieend):
Ich möchte, dass sie mir gleich in einer Silberschüssel …Ich möchte, dass sie mir gleich in einer Silberschüssel …
HerodesHERODES
(lachend):
In einer Silberschüssel gewiss doch in einer Silberschüssel … Sie ist reizend, nicht? Was ist’s, das du in einer Silberschüssel haben möchtest, o süsse, schöne Salome, du, die schöner ist als alle Töchter Judäas? Was sollen sie dir in einer Silberschüssel bringen? Sag es mir! Was es auch sein mag, du sollst es erhalten. Meine Reichtümer gehören dir. Was ist es, das du haben möchtest, Salome?In einer Silberschüssel? Gewiss doch, in einer Silberschüssel! Sie ist reizend, nicht? Was ist es, das du in einer Silberschüssel haben möchtest, o süsse schöne Salome, du, die schöner ist als alle Töchter Judäas? Was sollen sie dir in einer Silberschüssel bringen? Sag es mir! Was es auch sein mag, du sollst es erhalten. Meine Reichtümer gehören dir. Was ist es, das du haben möchtest, Salome?
(Salome steht auf.)
SalomeSALOME
(lächelnd)(steht auf):
Den Kopf des Jochanaan.Den Kopf des Jochanaan.
HERODIAS:
Ah! Das sagst du gut, meine Tochter.
HerodesHERODES:
(fährt auf)
Nein, nein.Nein, nein!
HerodiasHERODIAS:
Ah! Das sagst du gut, meine Tochter, das sagst du gut!Ah! Das sagst du gut, meine Tochter.
HerodesHERODES:
Nein, nein, Salome; das ist es nicht, was du begehrst. Hör’ nicht auf die Stimme deiner Mutter. Sie gab dir immer schlechten Rat. Achte nicht auf sie.Nein, nein, Salome. Das ist es nicht, was du begehrst. Hör’ nicht auf die Stimme deiner Mutter. Sie hat dir immer schlechten Rath gegeben. Achte nicht auf sie.
SalomeSALOME:
Ich achte nicht auf die Stimme meiner Mutter. Zu meiner eignen Lust will ich den Kopf des Jochanaan in einer Silberschüssel haben. Du hast einen Eid geschworen, Herodes. Du hast einen Eid geschworen, vergiss das nicht!Ich achte nicht auf die Stimme meiner Mutter. Zu meiner eigenen Lust will ich den Kopf des Jochanaan in einer Silberschüssel haben. Du hast einen Eid geschworen, Herodes. Vergiss es nicht, du hast einen Eid geschworen!
HerodesHERODES:
(hastig)
Ich weiss, ich habe einen Eid geschworen. Ich weiss es wohl. Bei meinen Göttern habe ich geschworen. Aber ich beschwöre dich, Salome, verlange etwas andres von mir. Verlange die Hälfte meines Königreichs. Ich will sie dir geben. Aber verlange nicht von mir, was deine Lippen verlangten.Ich weiss es. Ich habe einen Eid geschworen, bei meinen Göttern habe ich geschworen[.] Ich weiss es wohl. Aber ich beschwöre dich, Salome, verlange etwas anderes von mir. Verlange die Hälfte meines Königreichs von mir. Ich will sie dir geben. Aber verlange nicht von mir, was deine Lippen verlangt haben.
SalomeSALOME:
(stark)
Ich verlange von dir den Kopf des Jochanaan.Ich verlange von dir den Kopf des Jochanaan.
HerodesHERODES:
Nein, nein, ich will ihn dir nicht geben.Nein, nein, ich will ihn dir nicht geben.
SalomeSALOME:
Du hast einen Eid geschworen, Herodes.Du hast einen Eid geschworen, Herodes.
HerodiasHERODIAS:
Ja, du hast einen Eid geschworen. Alle haben es gehört.Ja, du hast einen Eid geschworen. Alle haben es gehört. Du hast es vor allen geschworen.
HerodesHERODES:
Still, Weib, zu dir spreche ich nicht.Still, Weib! Zu dir spreche ich nicht.
HerodiasHERODIAS:
Meine Tochter hat recht daran getan, den Kopf des Jochanaan zu verlangen. Er hat mich mit Schimpf und Schande bedeckt. Man kann sehn, dass sie ihre Mutter liebt. Gib nicht nach, meine Tochter, gib nicht nach. Er hat einen Eid geschworen.Meine Tochter hat wohl daran gethan, den Kopf des Jochanaan zu verlangen. Er hat mich mit Schimpf und Schande bedeckt. Er hat unsägliche Dinge gegen mich gesagt. Man kann sehen, dass sie ihre Mutter lieb hat. Gieb nicht nach, meine Tochter. Er hat einen Eid geschworen, er hat einen Eid geschworen.
HerodesHERODES:
Still, sprich nicht zu mir! Salome, ich beschwöre dich: Sei nicht trotzig. Sieh, ich habe dich immer lieb gehabt! Kann sein, ich habe dich zu lieb gehabt. Darum verlange das nicht von mir. Der Kopf eines Mannes, der vom Rumpf getrennt ist, ist ein übler Anblick. Hör’, was ich sage! Ich habe einen Smaragd. Er ist der schönste Smaragd der ganzen Welt. Den willst du haben, nicht wahr? Verlang’ ihn von mir, ich will ihn dir geben, den schönsten Smaragd.Still, sprich nicht zu mir! … Salome, ich beschwöre dich, sei nicht trotzig. Ich bin immer gut zu dir gewesen. Ich habe dich immer lieb gehabt … Kann sein, ich habe dich zu lieb gehabt. Darum verlange das nicht von mir. Das ist etwas Schreckliches, etwas Grauenvolles, was du von mir verlangst. Sicher, ich glaube, du willst scherzen. Der Kopf eines Mannes, der vom Rumpf getrennt ist, das ist ein übler Anblick, nicht? Es ziemt sich nicht, dass die Augen eines Mädchens auf so etwas fallen. Was für eine Lust könntest du darin finden? Du könntest keine Lust darin finden. Nein, nein, das begehrst du nicht. Horch, was ich sage. Ich habe einen Smaragd, einen grossen Smaragd, einen runden, den Cäsars Freundin mir hergeschickt hat. Wenn du durch diesen Smaragd siehst, kannst du sehen, was weit weg vor sich geht. Cäsar selbst trägt solch einen Smaragd, wenn er in den Circus geht. Aber mein Smaragd ist der grössere. Ich weiss es, er ist der grössere. Er ist der grösste Smaragd in der ganzen Welt. Den willst du haben, nicht wahr? Verlange ihn von mir, ich werde ihn dir geben.
SalomeSALOME:
Ich fordre den Kopf des Jochanaan.Ich fordere den Kopf des Jochanaan.
HerodesHERODES:
Du hörst nicht zu, du hörst nicht zu. Lass mich zu dir reden, Salome!Du hörst nicht zu. Du hörst nicht zu. Lass mich zu dir reden, Salome.
SalomeSALOME:
Den Kopf des Jochanaan.Den Kopf des Jochanaan.
HerodesHERODES:
Das sagst du nur, um mich zu quälen, weil ich dich so angeschaut habe. Deine Schönheit hat mich verwirrt. Oh! Oh! Bringt Wein! Mich dürstet. Salome, Salome, lass uns wie Freunde zueinander sein! Bedenk’ dich! Ah! Was wollt ich sagen? Was war’s? … Ah! Ich weiss es wieder! … Salome, du kennst meine weissen Pfauen, meine schönen, weissen Pfauen, die im Garten zwischen den Myrten wandeln. Ich will sie dir alle, alle geben. In der ganzen Welt lebt kein König, der solche Pfauen hat. Ich habe bloss hundert. Aber alle will ich dir geben.Nein, nein, du möchtest das nicht haben. Du sagst das nur, um mich zu quälen, weil ich dich so angesehen habe und es den ganzen Abend nicht gelassen habe. Es ist wahr, ich habe dich angesehen und hab’s den ganzen Abend nicht gelassen. Deine Schönheit hat mich verwirrt. Deine Schönheit hat mich masslos verwirrt, und ich habe dich allzuviel angesehen. Aber ich will dich wahrhaftig nicht mehr ansehen. Man sollte gar nichts ansehen. Weder Dinge noch Menschen sollte man ansehen. Nur im Spiegel sieht es sich gut, denn Spiegel zeigen uns bloss Masken. O! o! bringt Wein! Mich dürstet! … Salome, Salome, lass uns wie Freunde zu einander sein. Bedenk’ dich! … Ah! was wollte ich sagen? Was war’s? Ah! ich weiss es wieder! … Salome – komm doch näher her zu mir, ich fürchte, du hörst sonst meine Worte nicht – Salome, du kennst meine weissen Pfauen, meine schönen weissen Pfauen, die im Garten zwischen den Myrten und den hohen Cypressenbäumen wandeln. Ihre Schnäbel sind mit Gold bemalt, und die Körner, die sie fressen, sind vergoldet, und ihre Füsse sind mit Purpur gefärbt. Wenn sie ihren Schrei ausstossen, kommt Regen, und der Mond zeigt sich am Himmelszelt, wenn sie ihr Rad entfalten. Zwei und zwei wandeln sie zwischen den Cypressenbäumen und den dunklen Myrten, und für jeden ist ein Sklave da, der ihn pflegt. Manchmal fliegen sie über die Bäume weg und zuweilen ruhen sie im Gras und rund um die Teiche. In der ganzen Welt giebt es keine so wunderbaren Vögel. Ich weiss, Cäsar selbst hat nicht so schöne Vögel, wie meine Vögel sind. Ich will dir fünfzig von meinen Pfauen geben. Sie werden dir folgen, wohin du gehen willst, und inmitten ihrer Schaar wirst du wie der Mond sein inmitten einer grossen, weissen Wolke … Ich will sie dir geben, alle. Ich habe bloss hundert, und in der ganzen Welt lebt kein König, der Pfauen hat, wie meine Pfauen sind. Aber ich will sie dir alle geben. Nur musst du mich von meinem Eid entbinden und musst nicht von mir verlangen, was deine Lippen von mir verlangt haben.
Er leert seinen Becher.
SalomeSALOME:
Gib mir den Kopf des Jochanaan!Gieb mir den Kopf des Jochanaan!
HerodiasHERODIAS:
Gut gesagt, meine Tochter! (zu Herodes) Und du, du bist lächerlich mit deinen Pfauen.Gut gesagt, meine Tochter! Und du, du bist lächerlich mit deinen Pfauen!
HerodesHERODES:
Still, Weib! Du kreischest wie ein Raubvogel. Deine Stimme peinigt mich. Still, sag’ ich dir. Salome, bedenk, was du tun willst. Es kann sein, dass der Mann von Gott gesandt ist. Er ist ein heilger Mann. Der Finger Gottes hat ihn berührt. Du möchtest nicht, dass mich ein Unheil trifft, Salome? Hör’ jetzt auf mich!Still! Was kreischest du denn immer? Du kreischest wie ein Raubvogel. Du musst nicht so kreischen. Deine Stimme peinigt mich. Still, sag’ ich dir! … Salome, bedenke, was du thun willst. Es kann sein, dass der Mann von Gott gesandt ist. Er ist ein heiliger Mann. Der Finger Gottes hat ihn berührt. Gott hat schreckliche Worte in seinen Mund gelegt. Im Palaste wie in der Wüste ist immer Gott bei ihm … Es kann wenigstens sein, dass er bei ihm ist. Man kann es nicht sagen, aber es ist möglich, dass Gott bei ihm ist und ihm beisteht. Wenn er daher stirbt, kann mich vielleicht ein Unheil treffen. Er hat wirklich gesagt, an dem Tage, da er stirbt, wird irgend jemanden Unheil treffen. Wen sollte es treffen, wenn nicht mich? Denk’ daran, ich trat in Blut, als ich hierher kam. Und hörte ich nicht auch in der Luft ein Rauschen von Flügeln, ein Rauschen von ungeheuren Flügeln? Das sind schlimme Zeichen. Und es war noch anderes da. Ich bin sicher, es war noch anderes da, ich habe es nur nicht gesehen. Du möchtest nicht, dass mich ein Unheil trifft, Salome? Hör’ jetzt auf mich!
SalomeSALOME:
Ich will den Kopf des Jochanaan.Gieb mir den Kopf des Jochanaan!
HerodesHERODES:
(auffahrend)
Ach! Du willst nicht auf mich hören. Sei ruhig, Salome. Ich siehst du, bin ruhig. Höre: (leise und heimlich) Ich habe an diesem Ort Juwelen versteckt, Juwelen, die selbst deine Mutter nie gesehen hat. Ich habe ein Halsband mit vier Reihen Perlen, Topase, gelb wie die Augen der Tiger. Topase, hellrot wie die Augen der Waldtaube, und grüne Topase, wie Katzenaugen. Ich habe Opale, die immer funkeln, mit einem Feuer, kalt wie Eis. Ich will sie dir alle geben, alle. (immer aufgeregter) Ich habe Chrysolithe und Berylle, Chrysoprase und Rubine. Ich habe Sardonyx- und Hyacinthsteine und Steine von Chalcedon. Ich will sie dir alle geben, alle und noch andre Dinge. Ich habe einen Krystall, in den zu schaun keinem Weibe vergönnt ist. In einem Perlenmutterkästchen habe ich drei wunderbare Türkise; wer sie an seiner Stirne trägt, kann Dinge sehn, die nicht wirklich sind. Es sind unbezahlbare Schätze. Was begehrst du sonst noch, Salome? Alles, was du verlangst, will ich dir geben, nur eines nicht. Nur nicht das Leben dieses einen Mannes. Ich will dir den Mantel des Hohenpriesters geben. Ich will dir den Vorhang des Allerheiligsten geben …Ach! Du willst nicht auf mich hören. Sei ruhig. Ich, siehst Du, ich bin ruhig. Ich bin ganz und gar ruhig. Höre. Ich habe an diesem Ort Juwelen versteckt Juwelen, die selbst deine Mutter nie gesehen hat; Juwelen, die wundervoll zu sehen sind. Ich habe ein Halsband mit vier Reihen Perlen. Sie sind wie Monde, die an silberne Strahlen gekettet sind. Ja, sie sind wie ein halbes Hundert Monde, die man in goldenem Netz gefangen hat. Auf der Elfenbeinbrust einer Königin haben sie geruht. Du sollst schön sein wie eine Königin, wenn du sie trägst. Ich habe zwei Sorten Amethyste; die einen sind wie dunkelschwarzer Wein, und die andern sind roth wie Wein, den man mit Wasser vermengt hat. Ich habe Topase, gelb wie die Augen der Tiger, und Topase, die sind hellroth wie die Augen einer Waldtaube, und grüne Topase, die sind wie Katzenaugen. Ich habe Opale, die immer funkeln, mit einem Feuer, das kalt wie Eis ist, Opale, die den Geist der Menschen traurig stimmen und die das Dunkel nicht ertragen können. Ich habe Onyxe gleich den Augäpfeln einer toten Frau. Ich habe Mondsteine, die ihre Farben wechseln, wenn der Mond wechselt, und erblassen, wenn sie die Sonne sehen. Ich habe Saphire so gross wie ein Ei und so blau wie blaue Blumen. Das Meer wogt in ihnen, und der Mond wandelt nie das Blau ihrer Wellen. Ich habe Chrysolithe und Berylle und Chrysoprase und Rubine, ich habe Sardonyx- und Hyacinthsteine und Steine von Chalcedon und ich will sie dir alle geben, alle, und will noch andre Dinge dazuthun. Der König von Indien hat mir jetzt eben erst vier Fächer geschickt, die aus Papageifedern gefertigt sind, und der König von Numidien ein Gewand von Straussfedern. Ich habe einen Krystall, in den zu schauen keinem Weibe erlaubt ist, und junge Männer dürfen ihn nur betrachten, wenn sie vorher mit Ruthen gestrichen worden. In einem Perlmutterkästchen habe ich drei wunderbare Türkise. Wer sie an seiner Stirne trägt, kann Dinge schauen, die nicht wirklich sind, und wer sie in der Hand trägt, kann einer Frau die Fruchtbarkeit benehmen. Das sind grosse Schätze. Es sind unbezahlbare Schätze. Aber das ist nicht alles. In einem Kästchen aus Ebenholz habe ich zwei Becher aus Bernstein, die sind wie Aepfel von reinem Gold. Wenn ein Feind Gift in diese Becher giesst, werden sie Aepfel von Silber. In einem Kästchen, das mit Bernstein eingelegt ist, habe ich Sandalen, die mit Glas eingelegt sind. Ich habe Mäntel, die man aus dem Lande der Serer gebracht hat, und Armspangen, rundum mit Karfunkeln und Achaten besetzt, die aus der Stadt Euphrates kommen … Was begehrst du noch sonst, Salome? Sage mir, was du begehrst, ich will es dir geben. Alles, was du verlangst, will ich dir geben nur Eines nicht. Ich will dir alles geben, was mein ist – nur nicht das Leben dieses einen Mannes. Ich will dir den Mantel des Hohepriesters geben. Ich will dir den Vorhang des Allerheiligsten geben …
Die JudenDIE JUDEN:
Oh, oh, oh!Oh! Oh!
SalomeSALOME:
(wild)
Gib mir den Kopf des Jochanaan!Gieb mir den Kopf des Jochanaan!
(Herodes sinkt verzweifelt auf seinen Sitz zurück.)
HerodesHERODES
(matt)(sinkt auf seinen Sitz zurück):
Man soll ihr geben, was sie verlangt! Sie ist in Wahrheit ihrer Mutter Kind.Man soll ihr geben, was sie verlangt! Sie ist in Wahrheit ihrer Mutter Kind!
(Herodias zieht dem Tetrarchen den Todesring vom Finger und gibt ihn dem ersten Soldaten, der ihn auf der Stelle dem Henker überbringt.)DER ERSTE SOLDAT tritt näher. HERODIAS zieht dem TETRARCHEN den Todesring vom Finger und giebt ihn dem Soldaten, der ihn auf der Stelle dem Henker überbringt. Der Henker sieht erschrocken drein.
HerodesHERODES:
Wer hat meinen Ring genommen?Wer hat meinen Ring genommen? Ich hatte einen Ring an der rechten Hand. Wer hat meinen Wein getrunken? Es war Wein in meinem Becher. Er war mit Wein gefüllt. Es hat ihn jemand ausgetrunken! O! gewiss wird Unheil über Einen kommen. (Der Henker geht in die Cisterne hinunter.) O! warum habe ich einen Eid geschworen? Von jetzt ab soll kein König mehr einen Eid schwören. Wenn er ihn nicht hält, ist es schrecklich, und wenn er ihn hält, ist es auch schrecklich.
(Der Henker geht in die Cisterne hinab.)
Herodes
Ich hatte einen Ring an meiner rechten Hand. Wer hat meinen Wein getrunken? Es war Wein in meinem Becher. Er war mit Wein gefüllt. Es hat ihn jemand ausgetrunken. (leise) Oh! Gewiss wird Unheil über einen kommen.
HerodiasHERODIAS:
Meine Tochter hat recht getan!Meine Tochter hat recht gethan!
HerodesHERODES:
Ich bin sicher, es wird ein Unheil geschehn.Ich bin sicher, es wird ein Unheil geschehen.
(Salome an der Cisterne lauschend)
SalomeSALOME
(lehnt sich über die Cisterne und horcht):
Es ist kein Laut zu vernehmen. Ich höre nichts. Warum schreit er nicht, der Mann? Ah! Wenn einer mich zu töten käme, ich würde schreien, ich würde mich wehren, ich würde es nicht dulden! … Schlag’ zu, schlag’ zu, Naaman, schlag’ zu, sag’ ich dir … Nein, ich höre nichts. Es ist eine schreckliche Stille! Ah! Es ist etwas zu Boden gefallen. Ich hörte etwas fallen. Es war das Schwert des Henkers. Er hat Angst, dieser Sklave. Er hat das Schwert fallen lassen! Er traut sich nicht, ihn zu töten. Er ist eine Memme, dieser Sklave. Schickt Soldaten hin! (zum Pagen) Komm hierher, du warst der Freund dieses Toten, nicht? Wohlan, ich sage dir: es sind noch nicht genug Tote. Geh zu den Soldaten und befiehl ihnen, hinabzusteigen und mir zu holen, was ich verlange, was der Tetrarch mir versprochen hat, was mein ist! Hierher, ihr Soldaten, geht ihr in die Cisterne hinunter und holt mir den Kopf des Mannes! (schreiend) Tetrarch, Tetrarch, befiehl deinen Soldaten, dass sie mir den Kopf des Jochanaan holen!Es ist kein Laut zu vernehmen. Ich höre nichts. Warum schreit er nicht, der Mann? Ah! wenn einer mich zu töten käme, ich würde schreien, ich würde mich wehren, ich würde es nicht dulden … Schlag’ zu, schlag’ zu, Naaman, schlag’ zu, sag’ ich dir … Nein, ich höre nichts. Es ist alles still, eine schreckliche Stille. Ah! es ist etwas zu Boden gefallen. Ich hörte etwas fallen. Es war das Schwert des Henkers. Er hat Angst, dieser Sklave. Er hat das Schwert fallen lassen. Er traut sich nicht, ihn zu töten. Er ist eine Memme, dieser Sklave! Schickt Soldaten hin. (Sie sieht den PAGEN der Herodias und redet ihn an.) Komm hierher. Du warst der Freund des Toten, nicht? Wohlan, ich sage dir, es sind noch nicht genug Tote. Geh zu den Soldaten und befiehl ihnen, hinabzusteigen und mir zu holen, was ich verlange, was mir der Tetrarch versprochen hat, was mein ist. (Der Page weicht zurück, sie wendet sich den SOLDATEN zu.) Hierher, ihr Soldaten! Geht ihr in diese Cisterne hinunter und holt mir den Kopf des Mannes. Tetrarch, Tetrarch, befiehl deinen Soldaten, dass sie mir den Kopf des Jochanaan holen!
(Ein riesengrosser, schwarzer Arm, der Arm des Henkers, streckt sich aus der Cisterne heraus, auf einem silbernen Schild den Kopf des Jochanaan haltend, Salome ergreift ihn.)Ein riesengrosser schwarzer Arm, der Arm des Henkers, streckt sich aus der Cisterne heraus, auf einem silbernen Schild den Kopf des Jochanaan haltend. SALOME greift darnach. HERODES verhüllt sein Gesicht mit dem Mantel. HERODIAS fächelt sich zu und lächelt. Die NAZARENER sinken in die Knie und beginnen zu beten.
SalomeSALOME:
Ah! Du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan. Wohl, ich werde ihn jetzt küssen! Ich will mit meinen Zähnen hineinbeissen, wie man in eine reife Frucht beissen mag. Ja, ich will ihn jetzt küssen, deinen Mund, Jochanaan. Ich hab’ es gesagt. Hab’ ich’s nicht gesagt? Ja, ich hab’ es gesagt. Ah! Ah! Ich will ihn jetzt küssen … Aber warum siehst du mich nicht an, Jochanaan? Deine Augen, die so schrecklich waren, so voller Wut und Verachtung, sind jetzt geschlossen. Warum sind sie geschlossen? Öffne doch die Augen, erhebe deine Lider, Jochanaan! Warum siehst du mich nicht an? Hast du Angst vor mir, Jochanaan, dass du mich nicht ansehen willst? Und deine Zunge, sie spricht kein Wort, Jochanaan, diese Scharlachnatter, die ihren Geifer gegen mich spie. Es ist seltsam, nicht? Wie kommt es, dass diese rote Natter sich nicht mehr rührt? Du sprachst böse Worte gegen mich, gegen mich, Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa. Nun wohl! Ich lebe noch, aber du bist tot, und dein Kopf, dein Kopf gehört mir. Ich kann mit ihm tun, was ich will. Ich kann ihn den Hunden vorwerfen und den Vögeln der Luft. Was die Hunde übrig lassen, sollen die Vögel der Luft verzehren … Ah! Ah! Jochanaan, Jochanaan, du warst schön. Dein Leib war eine Elfenbeinsäule auf silbernen Füssen. Er war ein Garten voller Tauben in der Silberlilien Glanz. Nichts in der Welt war so weiss wie dein Leib. Nichts in der Welt war so schwarz wie dein Haar. In der ganzen Welt war nichts so rot wie dein Mund. Deine Stimme war ein Weihrauchgefäss, und wenn ich dich ansah, hörte ich geheimnissvolle [sic] Musik …Ah! du wolltest mich deinen Mund nicht küssen lassen, Jochanaan. Wohl! Ich will ihn jetzt küssen. Ich will mit meinen Zähnen hineinbeissen, wie man in eine reife Frucht beissen mag. Ja, ich will ihn küssen, deinen Mund, Jochanaan. Ich hab’ es gesagt; hab’ ich’s nicht gesagt? Ich hab’ es gesagt. Ah! ich will ihn jetzt küssen … Aber warum siehst du mich nicht an, Jochanaan? Deine Augen, die so schrecklich waren, so voller Wuth und Verachtung, sind jetzt geschlossen. Warum sind sie geschlossen? Öffne doch deine Augen! Erhebe deine Lider, Jochanaan! Warum siehst du mich nicht an? Hast du Angst vor mir, Jochanaan, dass du mich nicht ansehen willst? … Und deine Zunge, die wie eine rothe, giftsprühende Schlange war, sie bewegt sich nicht mehr, sie spricht kein Wort, Jochanaan, diese Scharlachnatter, die ihren Geifer auf mich spie. Es ist seltsam, nicht? Wie kommt es, dass die rothe Natter sich nicht mehr rührt? … Du wolltest mich nicht haben, Jochanaan! Du wiesest mich von dir. Du sprachst böse Worte gegen mich. Du benahmst dich gegen mich wie gegen eine Hure, wie gegen ein geiles Weib, gegen mich, Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa! Nun wohl, ich lebe noch, aber du bist tot, und dein Kopf gehört mir. Ich kann mit ihm thun, was ich will. Ich kann ihn den Hunden vorwerfen und den Vögeln der Luft. Was die Hunde übrig lassen, sollen die Vögel der Luft verzehren … Ah! Jochanaan, Jochanaan, du warst der Mann, den ich allein von allen Männern liebte! Alle anderen Männer waren mir verhasst. Doch du warst schön! Dein Leib war eine Elfenbeinsäule auf silbernen Füssen. Er war ein Garten voller Tauben und Silberlilien. Er war ein silberner Thurm, mit Elfenbeinschilden gedeckt. Nichts in der Welt war so weiss wie dein Leib. Nichts in der Welt war so schwarz wie dein Haar. In der ganzen Welt war nichts so roth wie dein Mund. Deine Stimme war ein Weihrauchgefäss, das seltene Düfte verbreitete, und wenn ich dich ansah, hörte ich geheimnisvolle Musik.
(Salome in den Anblick von Jochanaans Haupt versunken)
Oh! Warum hast du mich nicht angesehn, Jochanaan? Du legtest über deine Augen die Binde Eines, der seinen Gott schauen wollte. Wohl! Du hast deinen Gott gesehn, Jochanaan, aber mich, mich, mich hast du nie gesehn. Hättest du mich gesehn, du hättest mich geliebt! Ich dürste nach deiner Schönheit. Ich hungre nach deinem Leib. Nicht Wein noch Äpfel können mein Verlangen stillen … Was soll ich jetzt tun, Jochanaan? Nicht die Fluten, noch die grossen Wasser können dieses brünstige Begehren löschen … Oh! Warum sahst du mich nicht an? Hättest du mich angesehn, du hättest mich geliebt. Ich weiss es wohl, du hättest mich geliebt. Und das Geheimnis der Liebe ist grösser als das Geheimnis des Todes …O! warum hast du mich nicht angesehen, Jochanaan! Mit deinen Händen als Mantel und mit dem Mantel deiner Lästerworte verhülltest du dein Gesicht. Du legtest über deine Augen die Binde Eines, der seinen Gott schauen wollte. Wohl, du hast deinen Gott gesehen, Jochanaan, aber mich, mich, mich hast du nie gesehen! Hättest du mich gesehen, so hättest du mich geliebt! Ich sah dich und ich liebte dich! O, wie liebte ich dich! Ich liebe dich noch, Jochanaan! Ich liebe nur dich … Ich dürste nach deiner Schönheit; ich hungre nach deinem Leib; nicht Wein noch Aepfel können mein Verlangen stillen. Was soll ich jetzt thun, Jochanaan? Nicht die Fluten, noch die grossen Wasser können dieses brünstige Begehren löschen. Ich war eine Fürstin, und du verachtetest mich! Ich war eine Jungfrau, und du nahmst mir meine Keuschheit. Ich war rein und züchtig, und du hast Feuer in meine Adern gegossen … Ah! Ah! warum sahst du mich nicht an? Hättest du mich angesehen, du hättest mich geliebt. Ich weiss es wohl, du hättest mich geliebt, und das Geheimniss [sic] der Liebe ist grösser als das Geheimniss [sic] des Todes …
HerodesHERODES:
(leise zu Herodias)
Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter. Ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer!Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter; ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer. In Wahrheit, was sie gethan hat, ist ein grosses Verbrechen. Mir ist gewiss, es ist ein Verbrechen gegen einen unbekannten Gott.
HerodiasHERODIAS:
(stark)
Meine Tochter hat recht getan. Ich möchte jetzt hierbleiben.Ich bin ganz zufrieden mit meiner Tochter. Sie hat recht gethan. Und ich möchte jetzt hier bleiben.
HerodesHERODES
(steht auf):
Ah! Da spricht meines Bruders Weib. (schwächer) Komm, ich will nicht an diesem Orte bleiben. (heftig) Komm, sag’ ich dir. Sicher, es wird Schreckliches geschehn. Wir wollen uns im Palast verbergen, Herodias, ich fange an, zu erzittern …Ah! da spricht meines Bruders Weib! Komm! Ich will nicht an diesem Orte bleiben. Komm, sag’ ich dir! Sicher, es wird Schreckliches geschehen.
(Der Mond verschwindet.)
(auffahrend) Manasseh, Issachar, Ozias, löscht die Fackeln aus. Verbergt den Mond, verbergt die Sterne! Mannaseh, Issachar, Ozias, löscht die Fackeln aus. Ich will all die Dinge nicht sehen, ich will nicht leiden, dass all die Dinge mich sehen. Löscht die Fackeln aus! Verbergt den Mond! Verbergt die Sterne! Wir wollen uns selber im Palast verbergen, Herodias. Ich fange an zu erzittern.
(Es wird ganz dunkel.)
Es wird Schreckliches geschehn …
Die Sklaven löschen die Fackeln aus. Die Sterne verschwinden. Eine grosse Wolke zieht über den Mond und verhüllt ihn völlig. Die Bühne wird ganz dunkel. Der Tetrarch beginnt die Treppe hinaufzusteigen.
SalomeDIE STIMME DER SALOME:
(matt)
Ah! Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan. Ah! Ich habe ihn geküsst, deinen Mund, es war ein bitterer Geschmack auf deinen Lippen Hat es nach Blut geschmeckt? Nein! Doch es schmeckte vielleicht nach Liebe … Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke … Allein was tut’s? Was tut’s? Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan. Ich habe ihn geküsst, deinen Mund.Ah, ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan; ich hab’ ihn geküsst, deinen Mund. Es war ein bitterer Geschmack auf deinen Lippen. Hat es nach Blut geschmeckt? … Nein; doch schmeckte es vielleicht nach Liebe … Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke … Doch was thut’s, was thut’s? Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan, ich hab’ ihn geküsst, deinen Mund!
(Der Mond bricht wieder hervor und beleuchtet Salome.)Ein Strahl des Mondlichts fällt auf Salome und beleuchtet sie.
HerodesHERODES
(sich umwendend)(wendet sich um und erblickt Salome):
Man töte dieses Weib!Man töte dieses Weib!
(Die Soldaten stürzen sich auf Salome und begraben sie unter ihren Schilden.)(Die SOLDATEN stürzen vor und zermalmen SALOME, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa, unter ihren Schilden).
(Der Vorhang fällt schnell.)
Edierter GesangstextTextbuch
Eine große Terrasse im Palast des Herodes, die an den Bankettsaal stößt. Einige Soldaten lehnen sich über die Brüstung.
Rechts eine mächtige Treppe, links im Hintergrund eine alte Cisterne mit einer Einfassung aus grüner Bronze. Der Mond scheint sehr hell.
Erste SzeneErste Szene.
Die Bühne stellt eine grosse Terrasse im Palast des Herodes, die an den Bankettsaal stösst, dar. Einige Soldaten lehnen sich über die Brüstung.
Rechts eine mächtige Treppe, links im Hintergrunde eine alte Cisterne mit einer Einfassung aus grüner Bronze. Der Mond scheint sehr hell.
NarrabothNarraboth.
Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht!Wie schön ist die Prinzessin Salome heute nacht!
PagePage.
Sieh’ die Mondscheibe, wie sie seltsam aussieht. Wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab.Sieh die Mondscheibe, wie sie seltsam aussieht. Wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab.
NarrabothNarraboth.
Sie ist sehr seltsam. Wie eine kleine Prinzessin, deren Füsse weisse Tauben sind. Man könnte meinen, sie tanzt.Sie ist sehr seltsam. Wie eine kleine Prinzessin, deren Füße weiße Tauben sind. Man könnte meinen, sie tanzt.
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Wie eine Frau, die tot ist. Sie gleitet langsam dahin.Wie eine Frau, die tot ist. Sie gleitet langsam dahin.
(Lärm im Bankettsaal)(Lärm im Bankettsaal.)
1. SoldatErster Soldat.
Was für ein Aufruhr! Was sind das für wilde Tiere, die da heulen?Was für ein Aufruhr! Was sind das für wilde Tiere, die da heulen?
2. SoldatZweiter Soldat.
Die Juden. (trocken) Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion.Die Juden. (Trocken) Sie sind immer so. Sie streiten über ihre Religion.
1. SoldatErster Soldat.
Ich finde es lächerlich, über solche Dinge zu streiten.Ich finde es lächerlich, über solche Dinge zu streiten.
NarrabothNarraboth
(warm)(warm).
Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Abend!Wie schön ist die Prinzessin Salome heute abend!
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(unruhig)(unruhig).
Du siehst sie immer an. Du siehst sie zu viel an. Es ist gefährlich, Menschen auf diese Art anzusehn. Schreckliches kann geschehn.Du siehst sie immer an. Du siehst sie zuviel an. Es ist gefährlich, Menschen auf diese Art anzusehn. Schreckliches kann geschehn.
NarrabothNarraboth.
Sie ist sehr schön heute Abend.Sie ist sehr schön heute abend.
1. SoldatErster Soldat.
Der Tetrarch sieht finster drein.Der Tetrarch sieht finster drein.
2. SoldatZweiter Soldat.
Ja, er sieht finster drein.Ja, er sieht finster drein.
1. SoldatErster Soldat.
Auf wen blickt er?Auf wen blickt er?
2. SoldatZweiter Soldat.
Ich weiss nicht.Ich weiß nicht.
NarrabothNarraboth.
Wie blass die Prinzessin ist. Niemals habe ich sie so blass gesehn. Sie ist wie der Schatten einer weissen Rose in einem silbernen Spiegel.Wie blaß die Prinzessin ist. Niemals habe ich sie so blaß gesehn. Sie ist wie der Schatten einer weißen Rose in einem silbernen Spiegel.
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(sehr unruhig)(sehr unruhig).
Du musst sie nicht ansehn. Du siehst sie zu viel an. Schreckliches kann geschehn.Du mußt sie nicht ansehn. Du siehst sie zuviel an. Schreckliches kann geschehn.
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan
(aus der Cisterne)(aus der Cisterne).
Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm zu lösen den Riemen an seinen Schuhn. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätten frohlocken. Wenn er kommt, werden die Augen der Blinden den Tag sehn, wenn er kommt, die Ohren der Tauben geöffnet.Nach mir wird Einer kommen, der ist stärker als ich. Ich bin nicht wert, ihm zu lösen den Riemen an seinen Schuh’n. Wenn er kommt, werden die verödeten Stätten frohlocken. Wenn er kommt, werden die Augen der Blinden den Tag sehn. Wenn er kommt, die Ohren der Tauben geöffnet.
2. SoldatZweiter Soldat.
Heiss ihn schweigen!Heiß’ ihn schweigen! Er sagt immer lächerliche Dinge.
1. SoldatErster Soldat.
Er ist ein heilger Mann.Er ist ein heil’ger Mann. Er ist sehr sanft. Jeden Tag, den ich ihm zu essen gebe, dankt er mir.
2. Soldat
Er sagt immer lächerliche Dinge.
1. Soldat
Er ist sehr sanft. Jeden Tag, den ich ihm zu essen gebe, dankt er mir.
KappadokierEin Cappadocier.
Wer ist es?Wer ist es?
1. SoldatErster Soldat.
Ein Prophet.Ein Prophet.
KappadokierEin Cappadocier.
Wie ist sein Name?Wie ist sein Name?
1. SoldatErster Soldat.
Jochanaan.Jochanaan.
KappadokierEin Cappadocier.
Woher kommt er?Woher kommt er?
1. SoldatErster Soldat.
Aus der Wüste. Eine Schar von Jüngern war dort immer um ihn.Aus der Wüste. Eine Schar von Jüngern war dort immer um ihn.
KappadokierEin Cappadocier.
Wovon redet er?Wovon redet er?
1. SoldatErster Soldat.
Unmöglich ist’s, zu verstehn, was er sagt.Unmöglich ist’s, zu verstehn, was er sagt.
KappadokierEin Cappadocier.
Kann man ihn sehn?Kann man ihn sehn?
1. SoldatErster Soldat.
Nein, der Tetrarch hat es verboten.Nein, der Tetrarch hat es verboten.
NarrabothNarraboth
(sehr erregt)(sehr erregt).
Die Prinzessin erhebt sich! Sie verlässt die Tafel. Sie ist sehr erregt. Sie kommt hierher.Die Prinzessin erhebt sich! Sie verläßt die Tafel. Sie ist sehr erregt. Sie kommt hierher.
PagePage.
Sieh sie nicht an!Sieh sie nicht an!
NarrabothNarraboth.
Ja, sie kommt auf uns zu.Ja, sie kommt auf uns zu.
PagePage.
Ich bitte dich, sieh sie nicht an!Ich bitte dich, sieh sie nicht an!
NarrabothNarraboth.
Sie ist wie eine verirrteSie ist wie eine verirrte Taube.
Zweite SzeneZweite Szene.
Taube.
(Salome tritt erregt ein.)
SalomeSalome.
(tritt erregt ein)
Ich will nicht bleiben. Ich kann nicht bleiben. Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern? Es ist seltsam, dass der Mann meiner Mutter mich so ansieht. Wie süss ist hier die Luft. Hier kann ich atmen … Da drinnen sitzen Juden aus Jerusalem, die einander über ihre närrischen Gebräuche in Stücke reissen … Schweigsame, listge Egypter  Und brutale, ungeschlachte Römer mit ihrer plumpen Sprache … O, wie ich diese Römer hasse!Ich will nicht bleiben. Ich kann nicht bleiben. Warum sieht mich der Tetrarch fortwährend so an mit seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern? Es ist seltsam, daß der Mann meiner Mutter mich so ansieht. Wie süß ist hier die Luft! Hier kann ich atmen … Da drinnen sitzen Juden aus Jerusalem, die einander über ihre närrischen Gebräuche in Stücke reißen … Schweigsame, list’ge Ägypter und brutale ungeschlachte Römer mit ihrer plumpen Sprache … O, wie ich diese Römer hasse!
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(zu Narraboth)(zu Narraboth).
Schreckliches wird geschehn. Warum siehst du sie so an?Schreckliches wird geschehn. Warum siehst du sie so an?
SalomeSalome.
Wie gut ist’s, in den Mond zu sehn. Er ist wie eine silberne Blume, kühl und keusch. Ja, wie die Schönheit einer Jungfrau, die rein geblieben ist …Wie gut ist’s, in den Mond zu sehn. Er ist wie eine silberne Blume, kühl und keusch. Ja, wie die Schönheit einer Jungfrau, die rein geblieben ist.
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
Siehe, der Herr ist gekommen, des Menschen Sohn ist nahe.Siehe, der Herr ist gekommen, des Menschen Sohn ist nahe.
SalomeSalome.
Wer war das, der hier gerufen hat?Wer war das, der hier gerufen hat?
2. SoldatZweiter Soldat.
Der Prophet, Prinzessin.Der Prophet, Prinzessin.
SalomeSalome.
Ach, der Prophet. Der, vor dem der Tetrarch Angst hat?Ach, der Prophet! Der, vor dem der Tetrarch Angst hat?
2. SoldatZweiter Soldat.
Wir wissen davon nichts, Prinzessin. Es war der Prophet Jochanaan, der hier rief.Wir wissen davon nichts, Prinzessin. Es war der Prophet Jochanaan, der hier rief.
NarrabothNarraboth
(zu Salome)(zu Salome).
Beliebt es Euch, dass ich Eure Sänfte holen lasse, Prinzessin? Die Nacht ist schön im Garten …Beliebt es Euch, daß ich Eure Sänfte holen lasse, Prinzessin? Die Nacht ist schön im Garten.
SalomeSalome.
Er sagt schreckliche Dinge über meine Mutter, nicht wahr?Er sagt schreckliche Dinge über meine Mutter, nicht wahr?
2. SoldatZweiter Soldat.
Wir verstehen nie, was er sagt, Prinzessin.Wir verstehen nie, was er sagt, Prinzessin.
SalomeSalome.
Ja, er sagt schreckliche Dinge über sie.Ja, er sagt schreckliche Dinge über sie.
(Ein Sklave tritt ein.)
Ein SklaveSklave.
(eintretend)
Prinzessin, der Tetrarch ersucht Euch, wieder zum Fest hineinzugehn.Prinzessin, der Tetrarch ersucht Euch, wieder zum Fest hineinzugehn.
SalomeSalome
(heftig)(heftig).
Ich will nicht hineingehn.Ich will nicht hineingehn.
(Sklave ab)(Der Sklave geht ab.)
SalomeSalome.
Ist dieser Prophet ein alter Mann?Ist dieser Prophet ein alter Mann?
NarrabothNarraboth
(dringender)(dringender).
Prinzessin, es wäre besser hineinzugehn. Gestattet, dass ich Euch führe!Prinzessin, es wäre besser hineinzugehn. Gestattet, daß ich Euch führe.
SalomeSalome
(gesteigert)(gesteigert).
Ist dieser Prophet ein alter Mann?Ist der Prophet ein alter Mann?
1. SoldatErster Soldat.
Nein, Prinzessin, er ist ganz jung.Nein, Prinzessin, er ist ganz jung.
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
Jauchze nicht, du Land Palästina, weil der Stab dessen, der dich schlug, gebrochen ist. Denn aus dem Samen der Schlange wird ein Basilisk kommen, und seine Brut wird die Vögel verschlingen.Jauchze nicht, du Land Palästina, weil der Stab dessen, der dich schlug, gebrochen ist. Denn aus dem Samen der Schlange wird ein Basilisk kommen, und seine Brut wird die Vögel verschlingen.
SalomeSalome.
Welch’ seltsame Stimme! Ich möchte mit ihm sprechen …Welch seltsame Stimme! Ich möchte mit ihm sprechen …
2. SoldatZweiter Soldat.
Prinzessin, der Tetrarch duldet nicht, dass irgendwer mit ihm spricht. Er hat selbst dem Hohepriester verboten, mit ihm zu sprechen.Prinzessin, der Tetrarch duldet nicht, dass irgend wer mit ihm spricht. Er hat selbst dem Hohenpriester verboten, mit ihm zu sprechen.
SalomeSalome.
Ich wünsche, mit ihm zu sprechen.Ich wünsche mit ihm zu sprechen.
2. SoldatZweiter Soldat.
Es ist unmöglich, Prinzessin.Es ist unmöglich, Prinzessin.
SalomeSalome
(immer heftiger)(immer heftiger).
Ich will mit ihm sprechen … Bringt diesen Propheten heraus!Ich will mit ihm sprechen … Bringt diesen Propheten heraus!
2. SoldatZweiter Soldat.
Wir dürfen nicht, Prinzessin.Wir dürfen nicht, Prinzessin.
SalomeSalome
(tritt an die Cisterne heran und blickt hinunter)(tritt an die Cisterne heran und blickt hinunter).
Wie schwarz es da drunten ist! Es muss schrecklich sein, in so einer schwarzen Höhle zu leben … Es ist wie eine Gruft … (wild) Habt Ihr nicht gehört? Bringt den Propheten heraus! Ich möchte ihn sehn!Wie schwarz es da drunten ist! Es muß schrecklich sein, in so einer schwarzen Höhle zu leben … Es ist wie eine Gruft … (Wild) Habt ihr nicht gehört? Bringt den Propheten heraus! Ich möchte ihn sehn!
1. SoldatErster Soldat.
Prinzessin, wir dürfen nicht tun, was Ihr von uns begehrt.Prinzessin, wir dürfen nicht tun, was Ihr von uns begehrt.
SalomeSalome
(erblickt Narraboth)(erblickt Narraboth).
Ah!Ah!
PagePage.
O, was wird geschehn? Ich weiss, es wird Schreckliches geschehn.O, was wird geschehn? Ich weiß, es wird Schreckliches geschehn.
SalomeSalome
(tritt an Narraboth heran)(tritt an Narraboth heran, leise und lebhaft sprechend.
(leise und lebhaft sprechend)
Du wirst das für mich tun, Narraboth, nicht wahr? Ich war dir immer gewogen. Du wirst das für mich tun. Ich möchte ihn blos [sic] sehn, diesen seltsamen Propheten. Die Leute haben so viel von ihm gesprochen. Ich glaube, der Tetrarch hat Angst vor ihm.Du wirst das für mich tun, Narraboth, nicht wahr? Ich war dir immer gewogen. Du wirst das für mich tun. Ich möchte ihn bloß sehn, diesen seltsamen Propheten. Die Leute haben soviel von ihm gesprochen. Ich glaube, der Tetrarch hat Angst vor ihm.
NarrabothNarraboth.
Der Tetrarch hat es ausdrücklich verboten, dass irgendwer den Deckel zu diesem Brunnen aufhebt.Der Tetrarch hat es ausdrücklich verboten, daß irgend wer den Deckel zu diesem Brunnen aufhebt.
SalomeSalome.
Du wirst das für mich tun, Narraboth, (sehr hastig) und morgen, wenn ich in einer Sänfte an dem Torweg, wo die Götzenbilder stehn, vorbeikomme, werde ich eine kleine Blume für dich fallen lassen, ein kleines, grünes Blümchen.Du wirst das für mich tun, Narraboth, (sehr hastig) und morgen, wenn ich in meiner Sänfte an dem Torweg, wo die Götzenbilder stehn, vorbeikomme, werde ich eine kleine Blume für dich fallen lassen, ein kleines grünes Blümchen.
NarrabothNarraboth.
Prinzessin, ich kann nicht, ich kann nicht.Prinzessin, ich kann nicht, ich kann nicht.
SalomeSalome
(bestimmter)(bestimmter).
Du wirst das für mich tun, Narraboth. Du weisst, dass du das für mich tun wirst. Und morgen früh werde ich unter den Muss’linschleiern dir einen Blick zuwerfen, Narraboth, ich werde dich ansehn, kann sein, ich werde dir zulächeln. Sieh mich an, Narraboth, sieh mich an. Ah, wie gut du weisst, dass du tun wirst, um was ich dich bitte. Wie du es weisst! (stark) Ich weiss, du wirst das tun!Du wirst das für mich tun, Narraboth. Du weißt, daß du das für mich tun wirst. Und morgen früh werde ich unter den Muss’linschleiern dir einen Blick zuwerfen, Narraboth, ich werde dich ansehn, kann sein, ich werde dir zulächeln. Sieh mich an, Narraboth, sieh mich an. Ah! wie gut du weißt, daß du tun wirst, um was ich dich bitte! Wie du es weißt! (Stark) Ich weiß, du wirst das tun.
NarrabothNarraboth
(gibt den Soldaten ein Zeichen)(gibt den Soldaten ein Zeichen).
Lasst den Propheten herauskommen … die Prinzessin Salome wünscht ihn zu sehn.Laßt den Propheten herauskommen … die Prinzessin Salome wünscht ihn zu sehn.
SalomeSalome.
Ah!Ah!
(Der Prophet kommt aus der Cisterne.)(Der Prophet kommt aus der Cisterne.)
Dritte SzeneDritte Szene.
(Salome, in seinen Anblick versunken, weicht langsam vor ihm zurück.)(Salome, in seinen Anblick versunken, weicht langsam vor ihm zurück.)
JochanaanJochanaan
(stark)(stark).
Wo ist er, dessen Sündenbecher jetzt voll ist? Wo ist er, der eines Tages im Angesicht alles Volkes in einem Silbermantel sterben wird? Heisst ihn herkommen, auf dass er die Stimme Dessen höre, der in der Wüste und in den Häusern der Könige gekündet hat.Wo ist er, dessen Sündenbecher jetzt voll ist? Wo ist er, der eines Tages im Angesicht alles Volkes in einem Silbermantel sterben wird? Heißt ihn herkommen, auf daß er die Stimme Dessen höre, der in den Wüsten und in den Häusern der Könige gekündet hat.
SalomeSalome.
Von wem spricht er?Von wem spricht er?
NarrabothNarraboth.
Niemand kann es sagen, Prinzessin.Niemand kann es sagen, Prinzessin.
JochanaanJochanaan.
Wo ist sie, die sich hingab der Lust ihrer Augen, die gestanden hat vor buntgemalten Männerbildern und Gesandte in’s Land der Chaldäer schickte?Wo ist sie, die sich hingab der Lust ihrer Augen, die gestanden hat vor buntgemalten Männerbildern und Gesandte ins Land der Chaldäer schickte?
SalomeSalome
(tonlos)(tonlos).
Er spricht von meiner Mutter.Er spricht von meiner Mutter.
NarrabothNarraboth
(hastig)(heftig).
Nein, nein, Prinzessin.Nein, nein Prinzessin.
SalomeSalome
(matt)(matt).
Ja, er spricht von meiner Mutter.Ja, er spricht von meiner Mutter.
JochanaanJochanaan.
Wo ist sie, die den Hauptleuten Assyriens sich gab? Wo ist sie, die sich den jungen Männern der Egypter gegeben hat, die in feinem Leinen und Hyacinthgesteinen prangen, deren Schilde von Gold sind und die Leiber wie Riesen? Geht, heisst sie aufstehn vom Bett ihrer Greuel, vom Bett ihrer Blutschande, auf dass sie die Worte Dessen vernehme, der dem Herrn die Wege bereitet, und ihre Missetaten bereue. Und wenn sie gleich nicht bereut, heisst sie herkommen, denn die Geißel des Herrn ist in seiner Hand.Wo ist sie, die den Hauptleuten Assyriens sich gab? Wo ist sie, die sich den jungen Männern der Ägypter gegeben hat, die in feinem Leinen und Hyazinthgesteinen prangen, deren Schilde von Gold sind und die Leiber wie von Riesen? Geht, heißt sie aufstehn von dem Bett ihrer Greuel, vom Bett ihrer Blutschande; auf daß sie die Worte Dessen vernehme, der dem Herrn die Wege bereitet, und ihre Missetaten bereue. Und wenn sie gleich nicht bereut, heißt sie herkommen, denn die Geißel des Herrn ist in seiner Hand.
SalomeSalome.
Er ist schrecklich. Er ist wirklich schrecklich.Er ist schrecklich. Er ist wirklich schrecklich.
NarrabothNarraboth.
Bleibt nicht hier, Prinzessin, ich bitte Euch!Bleibt nicht hier, Prinzessin, ich bitte Euch!
SalomeSalome.
Seine Augen sind von allem das Schrecklichste. Sie sind wie die schwarzen Höhlen, wo die Drachen hausen! Sie sind wie schwarze Seen, aus denen irres Mondlicht flackert. Glaubt ihr, daß er noch einmal sprechen wird?Seine Augen sind von allem das Schrecklichste. Sie sind wie die schwarzen Höhlen, wo die Drachen hausen! Sie sind wie schwarze Seen, aus denen irres Mondlicht flackert. Glaubt ihr, daß er noch einmal sprechen wird?
NarrabothNarraboth
(immer aufgeregter)(immer aufgeregter).
Bleibt nicht hier, Prinzessin, ich bitte Euch, bleibt nicht hier!Bleibt nicht hier, Prinzessin. Ich bitte Euch, bleibt nicht hier.
SalomeSalome.
Wie abgezehrt er ist! Er ist wie ein Bildnis aus Elfenbein. Gewiss ist er keusch wie der Mond. Sein Fleisch muss sehr kühl sein, kühl wie Elfenbein. Ich möchte ihn näher besehn.Wie abgezehrt er ist! Er ist wie ein Bildnis aus Elfenbein. Gewiß ist er keusch wie der Mond. Sein Fleisch muß sehr kühl sein, kühl wie Elfenbein. Ich möchte ihn näher besehn.
NarrabothNarraboth.
Nein, nein, Prinzessin.Nein, nein, Prinzessin.
SalomeSalome.
Ich muß ihn näher besehn.Ich muß ihn näher besehn.
NarrabothNarraboth.
Prinzessin, Prinzessin.Prinzessin! Prinzessin …
JochanaanJochanaan.
Wer ist dies Weib, das mich ansieht? Ich will ihre Augen nicht auf mir haben. Warum sieht sie mich so an mit ihren Goldaugen unter den gleissenden Lidern? Ich weiss nicht, wer sie ist. Ich will nicht wissen, wer sie ist. Heisst sie gehn! Zu ihr will ich nicht sprechen.Wer ist dies Weib, das mich ansieht? Ich will ihre Augen nicht auf mir haben. Warum sieht sie mich so an mit ihren Goldaugen unter den gleißenden Lidern? Ich weiß nicht, wer sie ist. Ich will nicht wissen, wer sie ist. Heißt sie gehn! Zu ihr will ich nicht sprechen.
SalomeSalome.
Ich bin Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa.Ich bin Salome, die Tochter der Herodias. Prinzessin von Judäa.
JochanaanJochanaan.
Zurück, Tochter Babylons! Komm dem Erwählten des Herrn nicht nahe! Deine Mutter hat die Erde erfüllt mit dem Wein ihrer Lüste, und das Unmass ihrer Sünden schreit zu Gott.Zurück, Tochter Babylons! Komm dem Erwählten des Herrn nicht nahe! Deine Mutter hat die Erde erfüllt mit dem Wein ihrer Lüste, und das Unmaß ihrer Sünden schreit zu Gott.
SalomeSalome.
Sprich mehr, Jochanaan, deine Stimme ist wie Musik in meinen Ohren.Sprich mehr, Jochanaan, deine Stimme ist wie Musik in meinen Ohren.
NarrabothNarraboth.
Prinzessin, Prinzessin, Prinzessin.Prinzessin! Prinzessin! Prinzessin!
SalomeSalome.
Sprich mehr, sprich mehr, Jochanaan, und sag’ mir, was ich tun soll?Sprich mehr! Sprich mehr, Jochanaan, und sag’ mir, was ich tun soll?
JochanaanJochanaan.
Tochter Sodoms, komm mir nicht nahe! Vielmehr bedecke dein Gesicht mit einem Schleier, streue Asche auf deinen Kopf, mach’ dich auf in die Wüste und suche des Menschen Sohn!Tochter Sodoms, komm mir nicht nahe! Vielmehr bedecke dein Gesicht mit einem Schleier, streue Asche auf deinen Kopf, mach dich auf in die Wüste und suche des Menschen Sohn.
SalomeSalome.
Wer ist das, des Menschen Sohn? Ist er so schön wie du, Jochanaan?Wer ist das, des Menschen Sohn? Ist er so schön wie du, Jochanaan?
JochanaanJochanaan.
Weiche von mir! Ich höre die Flügel des Todesengels im Palaste rauschen …Weiche von mir! Ich höre die Flügel des Todesengels im Palaste rauschen …
SalomeSalome.
Jochanaan!Jochanaan!
NarrabothNarraboth.
Prinzessin, ich flehe, geh’ hinein!Prinzessin, ich flehe, geh hinein!
SalomeSalome.
Jochanaan! Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiss wie die Lilien auf einem Felde[,] von der Sichel unberührt. Dein Leib ist weiss wie der Schnee auf den Bergen Judäas. Die Rosen im Garten von Arabiens Königin sind nicht so weiss wie dein Leib. Nicht die Rosen im Garten der Königin, nicht die Füsse der Dämmerung auf den Blättern, nicht die Brüste des Mondes auf dem Meere, nichts in der Welt ist so weiss wie dein Leib. Lass mich ihn berühren, deinen Leib.Jochanaan! Ich bin verliebt in deinen Leib, Jochanaan! Dein Leib ist weiß wie die Lilien auf einem Felde, von der Sichel nie berührt. Dein Leib ist weiß wie der Schnee auf den Bergen Judäas. Die Rosen im Garten von Arabiens Königin sind nicht so weiß wie dein Leib, nicht die Rosen im Garten der Königin, nicht die Füße der Dämmerung auf den Blättern, nicht die Brüste des Mondes auf dem Meere, nichts in der Welt ist so weiß wie dein Leib. Laß mich ihn berühren, deinen Leib!
JochanaanJochanaan.
Zurück, Tochter Babylons! Durch das Weib kam das Übel in die Welt. Sprich nicht zu mir. Ich will dich nicht anhör’n! Ich höre nur auf die Stimme des Herrn, meines Gottes.Zurück, Tochter Babylons! Durch das Weib kam das Übel in die Welt. Sprich nicht zu mir. Ich will dich nicht anhör’n! Ich höre nur auf die Stimme des Herrn, meines Gottes.
SalomeSalome.
Dein Leib ist grauenvoll. Er ist wie der Leib eines Aussätzigen. Er ist wie eine getünchte Wand, wo Nattern gekrochen sind, wie eine getünchte Wand, wo Skorpione ihr Nest gebaut. Er ist wie ein übertünchtes Grab voll widerlicher Dinge. Er ist grässlich, dein Leib ist grässlich. In dein Haar bin ich verliebt, Jochanaan. Dein Haar ist wie Weintrauben, wie Büschel schwarzer Trauben an den Weinstöcken Edoms. Dein Haar ist wie die Cedern, die grossen Cedern vom Libanon, die den Löwen und Räubern Schatten spenden. Die langen schwarzen Nächte, wenn der Mond sich verbirgt, wenn die Sterne bangen, sind nicht so schwarz wie dein Haar. Des Waldes Schweigen … Nichts in der Welt ist so schwarz wie dein Haar. Lass mich es berühren, dein Haar.Dein Leib ist grauenvoll. Er ist wie der Leib eines Aussätzigen. Er ist wie eine getünchte Wand, wo Nattern gekrochen sind; wie eine getünchte Wand, wo die Skorpione ihr Nest gebaut. Er ist wie ein übertünchtes Grab voll widerlicher Dinge. Er ist gräßlich, dein Leib ist gräßlich. In dein Haar bin ich verliebt, Jochanaan. Dein Haar ist wie Weintrauben, wie Büschel schwarzer Trauben, an den Weinstöcken Edoms. Dein Haar ist wie die Cedern, die großen Cedern vom Libanon, die den Löwen und Räubern Schatten spenden. Die langen schwarzen Nächte, wenn der Mond sich verbirgt, wenn die Sterne bangen, sind nicht so schwarz wie dein Haar. Des Waldes Schweigen … Nichts in der Welt ist so schwarz wie dein Haar. Laß mich es berühren, dein Haar!
JochanaanJochanaan.
Zurück, Tochter Sodoms! Berühre mich nicht! Entweihe nicht den Tempel des Herrn, meines Gottes!Zurück, Tochter Sodoms! Berühre mich nicht! Entweihe nicht den Tempel des Herrn, meines Gottes!
SalomeSalome.
Dein Haar ist grässlich! Es starrt von Staub und Unrat. Es ist wie eine Dornenkrone auf deinen Kopf gesetzt. Es ist wie ein Schlangenknoten gewickelt um deinen Hals. Ich liebe dein Haar nicht. (mit höchster Leidenschaft) Deinen Mund begehre ich, Jochanaan. Deinen Mund begehre ich, Jochanaan. Dein Mund ist wie ein Scharlachband an einem Turm von Elfenbein. Er ist wie ein Granatapfel, von einem Silbermesser zerteilt. Die Granatapfelblüten in den Gärten von Tyrus, glüh’nder als Rosen, sind nicht so rot. Die roten Fanfaren der Trompeten, die das Nah’n von Kön’gen künden und vor denen der Feind erzittert, sind nicht so rot wie dein roter Mund. Dein Mund ist röter als die Füsse der Männer, die den Wein stampfen in der Kelter. Er ist röter als die Füsse der Tauben, die in den Tempeln wohnen. Dein Mund ist wie ein Korallenzweig in der Dämmrung des Meers, wie der Purpur in den Gruben von Moab, der Purpur der Könige … (ausser sich) Nichts in der Welt ist so rot wie dein Mund. Lass mich ihn küssen, deinen Mund.Dein Haar ist gräßlich! Es starrt von Staub und Unrat. Es ist wie eine Dornenkrone auf deinen Kopf gesetzt. Es ist wie ein Schlangenknoten gewickelt um deinen Hals. Ich liebe dein Haar nicht. (Mit höchster Leidenschaft) Deinen Mund begehre ich, Jochanaan. Dein Mund ist wie ein Scharlachband an einem Turm von Elfenbein. Er ist wie ein Granatapfel, von einem Silbermesser zerteilt. Die Granatapfelblüten in den Gärten von Tyrus, glüh’nder als Rosen, sind nicht so rot. Die roten Fanfaren der Trompeten, die das Nah’n von Kön’gen künden und vor denen der Feind erzittert, sind nicht so rot, wie dein roter Mund. Dein Mund ist röter als die Füße der Männer, die den Wein stampfen in der Kelter. Er ist röter als die Füße der Tauben, die in den Tempeln wohnen. Dein Mund ist wie ein Korallenzweig in der Dämm’rung des Meer’s, wie der Purpur in den Gruben von Moab, der Purpur der Könige. (Außer sich) Nichts in der Welt ist so rot wie dein Mund. Laß mich ihn küssen, deinen Mund.
JochanaanJochanaan
(leise, in tonlosem Schauder)(leise, in tonlosem Schauder).
Niemals, Tochter Babylons, Tochter Sodoms … Niemals!Niemals, Tochter Babylons, Tochter Sodoms … Niemals!
SalomeSalome.
Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen …Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen …
NarrabothNarraboth
(in höchster Angst und Verzweiflung)(in höchster Angst und Verzweiflung).
Prinzessin, Prinzessin, die wie ein Garten von Myrrhen ist, die die Taube aller Tauben ist, sieh diesen Mann nicht an. Sprich nicht solche Worte zu ihm. Ich kann es nicht ertragen …Prinzessin, Prinzessin, die wie ein Garten von Myrrhen ist, die die Taube aller Tauben ist, sieh diesen Mann nicht an. Sprich nicht solche Worte zu ihm. Ich kann es nicht ertragen …
SalomeSalome.
Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen …Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan. Ich will deinen Mund küssen.
(Narraboth ersticht sich und fällt tot zwischen Salome und Jochanaan.)(Narraboth ersticht sich und fällt tot zwischen Salome und Jochanaan.)
SalomeSalome.
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.Laß mich deinen Mund küssen, Jochanaan!
JochanaanJochanaan.
Wird dir nicht bange, Tochter der Herodias?Wird dir nicht bange, Tochter der Herodias?
SalomeSalome.
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.Laß mich deinen Mund küssen, Jochanaan!
JochanaanJochanaan.
Tochter der Unzucht, es lebt nur Einer, der dich retten kann. Geh, such’ ihn. Such’ ihn! (mit grösster Wärme) Er ist in einem Nachen auf dem See von Galiläa und redet zu seinen Jüngern. (sehr feierlich) Knie nieder am Ufer des Sees, ruf ihn an und rufe ihn beim Namen. Wenn er zu dir kommt, und er kommt zu allen, die ihn rufen, dann bücke dich zu seinen Füssen, dass er dir deine Sünden vergebe.Tochter der Unzucht, es lebt nur Einer, der dich retten kann. Geh’, such’ ihn. (Mit größter Wärme) Such’ ihn. Er ist in einem Nachen auf dem See von Galiläa und redet zu seinen Jüngern. (Sehr feierlich) Knie nieder am Ufer des Sees, ruf ihn an und rufe ihn beim Namen. Wenn er zu dir kommt, und er kommt zu allen, die ihn rufen, dann bücke dich zu seinen Füßen, daß er dir deine Sünden vergebe.
SalomeSalome
(wie verzweifelt)(wie verzweifelt).
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.Laß mich deinen Mund küssen, Jochanaan!
JochanaanJochanaan.
Sei verflucht, Tochter der blutschänderischen Mutter. Sei verflucht.Sei verflucht, Tochter der blutschänderischen Mutter, sei verflucht!
SalomeSalome.
Lass mich deinen Mund küssen, Jochanaan.Laß mich deinen Mund küssen, Jochanaan!
JochanaanJochanaan.
Ich will dich nicht ansehn. Du bist verflucht, Salome. Du bist verflucht. Du bist verflucht. Du bist verflucht.Ich will dich nicht ansehn. Du bist verflucht, Salome. Du bist verflucht.
(Er geht wieder in die Cisterne hinab.)(Er geht wieder in die Cisterne hinab.)
Vierte SzeneVierte Szene.
(Herodes tritt rasch ein, gefolgt von Herodias.)(Herodes, Herodias treten mit Gefolge ein.)
HerodesHerodes.
Wo ist Salome? Wo ist die Prinzessin? Warum kam sie nicht wieder zum Bankett, wie ich ihr befohlen hatte? Ah! Da ist sie!Wo ist Salome? Wo ist die Prinzessin? Warum kam sie nicht wieder zum Bankett, wie ich ihr befohlen hatte? Ah! Da ist sie!
HerodiasHerodias.
Du sollst sie nicht ansehn. Fortwährend siehst du sie an!Du sollst sie nicht ansehn. Fortwährend siehst du sie an!
HerodesHerodes.
Wie der Mond heute Nacht aussieht! Ist es nicht ein seltsames Bild? Es sieht aus wie ein wahnwitziges Weib, das überall nach Buhlen sucht … wie ein betrunkenes Weib, das durch Wolken taumelt …Wie der Mond heute nacht aussieht! Ist es nicht ein seltsames Bild? Es sieht aus wie ein wahnwitziges Weib, das überall nach Buhlen sucht …, wie ein betrunkenes Weib, das durch Wolken taumelt …
HerodiasHerodias.
Nein, der Mond ist wie der Mond, das ist alles. Wir wollen hineingehn.Nein, der Mond ist wie der Mond, das ist alles. Wir wollen hineingehn.
HerodesHerodes.
Ich will hier bleiben. Manasseh, leg Teppiche hierher! Zündet Fackeln an! Ich will noch Wein mit meinen Gästen trinken! Ah! Ich bin ausgeglitten. Ich bin in Blut getreten, das ist ein böses Zeichen. Warum ist hier Blut? Und dieser Tote? Wer ist dieser Tote hier? Wer ist dieser Tote? Ich will ihn nicht sehn.Ich will hier bleiben. Manassah, leg Teppiche hierher! Zündet Fackeln an! Ich will noch Wein mit meinen Gästen trinken! Ah! Ich bin ausgeglitten. Ich bin in Blut getreten, das ist ein böses Zeichen. Warum ist hier Blut? Und dieser Tote? Wer ist dieser Tote hier? Wer ist dieser Tote? Ich will ihn nicht sehn.
1. SoldatErster Soldat.
Es ist unser Hauptmann, Herr.Es ist unser Hauptmann, Herr.
HerodesHerodes.
Ich erliess keinen Befehl, dass er getötet werde.Ich erließ keinen Befehl, daß er getötet werde.
1. SoldatErster Soldat.
Er hat sich selbst getötet, Herr.Er hat sich selbst getötet, Herr.
HerodesHerodes.
Das scheint mir seltsam. Der junge Syrier, er war sehr schön. Ich erinnre mich, ich sah seine schmachtenden Augen, wenn er Salome ansah. Fort mit ihm.Das scheint mir seltsam. Der junge Syrier, er war sehr schön. Ich erinnere mich, ich sah seine schmachtenden Augen, wenn er Salome ansah. Fort mit ihm.
(Sie tragen den Leichnam weg.)(Sie tragen den Leichnam weg.)
Es ist kalt hier. Es weht ein Wind … Weht nicht ein Wind?Es ist kalt hier. Es weht ein Wind … Weht nicht ein Wind?
HerodiasHerodias
(trocken)(trocken).
Nein, es weht kein Wind.Nein, es weht kein Wind.
HerodesHerodes.
Ich sage euch: es weht ein Wind, und in der Luft hör ich etwas wie das Rauschen von mächtgen Flügeln … Hört ihr es nicht?Ich sage euch, es weht ein Wind. Und in der Luft höre ich etwas wie das Rauschen von mächtigen Flügeln … Hört ihr es nicht?
HerodiasHerodias.
Ich höre nichts.Ich höre nichts.
HerodesHerodes.
Jetzt höre ich es nicht mehr. Aber ich habe es gehört, es war das Wehn des Windes. Es ist vorüber. Horch! Hört ihr es nicht? Das Rauschen von mächtgen Flügeln …Jetzt höre ich es nicht mehr. Aber ich habe es gehört, es war das Wehn des Windes. Es ist vorüber. Horch! Hört ihr es nicht? Das Rauschen von mächt’gen Flügeln …
HerodiasHerodias.
Du bist krank, wir wollen hineingehn.Du bist krank, wir wollen hineingehn.
HerodesHerodes.
Ich bin nicht krank. Aber deine Tochter ist krank zu Tode. Niemals hab’ ich sie so blass gesehnIch bin nicht krank. Aber deine Tochter ist krank zu Tode. Niemals hab’ ich sie so blaß gesehn.
HerodiasHerodias.
Ich habe dir gesagt, du sollst sie nicht ansehn.Ich habe dir gesagt, du sollst sie nicht ansehn.
HerodesHerodes.
Schenkt mir Wein ein! Salome, komm, trink Wein mit mir, einen köstlichen Wein, Cäsar selbst hat ihn mir geschickt. Tauche deine kleinen Lippen hinein[,] deine kleinen roten Lippen, dann will ich den Becher leeren.Schenkt mir Wein ein. (Es wird Wein gebracht.) Salome, komm, trink Wein mit mir, einen köstlichen Wein. Cäsar selbst hat ihn mir geschickt. Tauche deine kleinen roten Lippen hinein, deine kleinen roten Lippen, dann will ich den Becher leeren.
SalomeSalome.
Ich bin nicht durstig, Tetrarch.Ich bin nicht durstig, Tetrarch.
HerodesHerodes.
Hörst du, wie sie mir antwortet, diese deine Tochter?Hörst du, wie sie mir antwortet, diese deine Tochter?
HerodiasHerodias.
Sie hat recht. Warum starrst du sie immer an?Sie hat recht. Warum starrst du sie immer an?
HerodesHerodes.
Bringt reife Früchte! Salome, komm, iss mit mir von diesen Früchten. Den Abdruck deiner kleinen, weissen Zähne in einer Frucht seh’ ich so gern. Beiss nur ein wenig ab nur ein wenig von dieser Frucht dann will ich essen, was übrig ist.Bringt reife Früchte. (Es werden Früchte gebracht.) Salome, komm, mit mir von diesen Früchten. Den Abdruck deiner kleinen, weißen Zähne in einer Frucht seh’ ich so gern. Beiß nur ein wenig ab, nur ein wenig von dieser Frucht, dann will ich essen, was übrig ist.
SalomeSalome.
Ich bin nicht hungrig, Tetrarch.Ich bin nicht hungrig, Tetrarch.
HerodesHerodes
(zu Herodias).
Du siehst, wie du diese deine Tochter erzogen hast!Du siehst, wie du diese deine Tochter erzogen hast!
HerodiasHerodias.
Meine Tochter und ich stammen aus königlichem Blut. Dein Vater war Kameltreiber, dein Vater war ein Dieb und ein Räuber obendrein.Meine Tochter und ich stammen aus königlichem Blut. Dein Vater war Kameltreiber, dein Vater war ein Dieb und ein Räuber obendrein.
HerodesHerodes.
Salome, komm, setz dich zu mir. Du sollst auf dem Thron deiner Mutter sitzen.Salome, komm, setz dich zu mir. Du sollst auf dem Thron deiner Mutter sitzen.
SalomeSalome.
Ich bin nicht müde, Tetrarch.Ich bin nicht müde, Tetrarch.
HerodiasHerodias.
Du siehst, wie sie dich achtet.Du siehst, wie sie dich achtet.
HerodesHerodes.
Bringt mir – Was wünsche ich denn? Ich habe es vergessen. Ah! Ah! Ich erinnre mich –Bringt mir – Was wünsche ich denn? Ich habe es vergessen. Ah! Ah! Ich erinnre mich –
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
Sieh, die Zeit ist gekommen, der Tag, von dem ich sprach, ist da.Siehe, die Zeit ist gekommen, der Tag, von dem ich sprach, ist da.
HerodiasHerodias.
Heiss’ ihn schweigen! Dieser Mensch beschimpft mich!Heiß’ ihn schweigen! Dieser Mensch beschimpft mich!
HerodesHerodes.
Er hat nichts gegen dich gesagt. Überdies ist er ein sehr grosser Prophet.Er hat nichts gegen dich gesagt. Überdies ist er ein sehr großer Prophet.
HerodiasHerodias.
Ich glaube nicht an Propheten. Aber du, du hast Angst vor ihm!Ich glaube nicht an Propheten. Aber du, du hast Angst vor ihm!
HerodesHerodes.
Ich habe vor niemandem Angst.Ich habe vor niemandem Angst.
HerodiasHerodias.
Ich sage dir, du hast Angst vor ihm. Warum lieferst du ihn nicht den Juden aus, die seit Monaten nach ihm schreien?Ich sage dir, du hast Angst vor ihm. Warum lieferst du ihn nicht den Juden aus, die seit Monaten nach ihm schreien?
1. JudeErster Jude.
Wahrhaftig, Herr, es wäre besser, ihn in unsre Hände zu geben.Wahrhaftig, Herr, es wäre besser, ihn in unsre Hände zu geben!
HerodesHerodes.
Genug davon! Ich werde ihn nicht in eure Hände geben. Er ist ein heil’ger Mann. Er ist ein Mann, der Gott geschaut hat.Genug davon! Ich werde ihn nicht in eure Hände geben. Er ist ein heil’ger Mann. Er ist ein Mann, der Gott geschaut hat.
1. JudeErster Jude.
Das kann nicht sein. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehn. Er war der letzte, der Gott von Angesicht geschaut. In unsren Tagen zeigt sich Gott nicht. Gott verbirgt sich. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen grosses Übel.Das kann nicht sein. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehn. Er war der letzte, der Gott von Angesicht geschaut. In unsren Tagen zeigt sich Gott nicht. Gott verbirgt sich. Darum ist großes Übel über das Land gekommen, großes Übel.
2. JudeZweiter Jude.
In Wahrheit weiss niemand, ob Elias in der Tat Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah.In Wahrheit weiß niemand, ob Elias in der Tat Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah.
3. JudeDritter Jude.
Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist im Schlimmen ebenso wie im Guten.Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist im schlimmen ebenso wie im guten.
4. JudeVierter Jude.
Du solltest das nicht sagen, es ist eine sehr gefährliche Lehre aus Alexandria. Und die Griechen sind Heiden.Du solltest das nicht sagen, es ist eine sehr gefährliche Lehre aus Alexandria. Und die Griechen sind Heiden.
5. JudeFünfter Jude.
Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Wir können nur unser Haupt unter seinen Willen beugen, denn Gott ist sehr stark.Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Wir können nur unser Haupt unter seinen Willen beugen, denn Gott ist sehr stark.
1. JudeErster Jude.
Du sagst die Wahrheit. Fürwahr, Gott ist furchtbar. Aber was diesen Menschen angeht, der hat Gott nie gesehn. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehn. Er war der letzte, er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. In unsren Tagen zeigt sich Gott nicht. Gott verbirgt sich. Gott verbirgt sich. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen. Darum ist grosses Übel über das Land gekommen. Darum ist grosses Übel, grosses Übel über das Land gekommen. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut.Du sagst die Wahrheit. Fürwahr, Gott ist furchtbar. Aber was diesen Menschen angeht, der hat Gott nie gesehn. Seit dem Propheten Elias hat niemand Gott gesehn. Er war der letzte, der Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut. In unsren Tagen zeigt sich Gott nicht. Gott verbirgt sich. Darum ist großes Übel über das Land gekommen. Er war der letzte usw.
2. JudeZweiter Jude.
In Wahrheit weiss niemand, ob Elias in der Tat Gott gesehen hat. Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten, möglicherweise, möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah. In Wahrheit weiss niemand, ob Elias auch wirklich Gott gesehen hat. Gott ist furchtbar, er bricht den Starken in Stücke, den Starken wie den Schwachen, denn jeder gilt ihm gleich. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes …In Wahrheit weiß niemand, ob Elias in der Tat Gott gesehen hat. Möglicherweise war es nur der Schatten Gottes, was er sah. In Wahrheit weiß niemand, ob Elias auch wirklich Gott gesehen hat. Gott ist furchtbar, er bricht den Starken in Stücke, den Starken wie den Schwachen, denn jeder gilt ihm gleich. Möglicherweise usw.
3. JudeDritter Jude.
Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten. Er zeigt sich an allen Orten. Gott ist im Schlimmen ebenso wie im Guten. Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Gott zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist im Guten ebenso wie im Bösen …Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Er zeigt sich zu allen Zeiten. Er zeigt sich an allen Orten. Gott ist im schlimmen ebenso wie im guten. Gott ist zu keiner Zeit verborgen. Gott zeigt sich zu allen Zeiten und an allen Orten. Gott ist im guten ebenso wie im bösen …
4. JudeVierter Jude
(zum dritten)(zum dritten).
Du solltest das nicht sagen es ist eine sehr gefährliche Lehre aus Alexandria. Und die Griechen sind Heiden. Sie sind nicht einmal beschnitten. Die Griechen sind Heiden, sie sind nicht einmal beschnitten. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt, denn Gott ist sehr stark. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Gott ist sehr stark. Er bricht den Starken wie den Schwachen in Stücke. Gott ist stark.Du solltest das nicht sagen, es ist eine sehr gefährliche Lehre aus Alexandria. Und die Griechen sind Heiden. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt, denn Gott ist sehr stark. Er bricht den Starken wie den Schwachen in Stücke. Gott ist stark.
5. JudeFünfter Jude.
Niemand kann sagen, wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Niemand kann sagen, wie Gott wirkt, seine Wege sind sehr dunkel. Es kann sein, dass die Dinge, die wir gut nennen, sehr schlimm sind, und die Dinge, die wir schlimm nennen, sehr gut sind. Wir wissen von nichts etwas. Wir wissen von nichts etwas, von nichts etwas …Niemand kann sagen wie Gott wirkt. Seine Wege sind sehr dunkel. Es kann sein, daß die Dinge, die wir gut nennen, sehr schlimm sind, und die Dinge, die wir schlimm nennen, sehr gut sind. Wir wissen von nichts etwas …
HerodiasHerodias
(zu Herodes)(zu Herodes, heftig).
(heftig)
Heiss sie schweigen. Sie langweilen mich!Heiß’ sie schweigen, sie langweilen mich.
HerodesHerodes.
Doch hab’ ich davon sprechen hören, Jochanaan sei in Wahrheit euer Prophet Elias.Doch hab’ ich davon sprechen hören, Jochanaan sei in Wahrheit euer Prophet Elias.
1. JudeErster Jude.
Das kann nicht sein, seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen.Das kann nicht sein. Seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen.
Ein NazarenerErster Nazarener.
Mir ist sicher, dass er der Prophet Elias ist.Mir ist sicher, daß er der Prophet Elias ist.
Erster Jude.
Das kann nicht sein. Seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen …
Zweiter, dritter, vierter und fünfter Jude.
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
2. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
3. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
1. Jude
Das kann nicht sein. Seit den Tagen des Propheten Elias sind mehr als dreihundert Jahre vergangen …
5. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
4. Jude
Keineswegs, er ist nicht der Prophet Elias.
HerodiasHerodias.
Heiss sie schweigen!Heiß’ sie schweigen!
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
Siehe, der Tag ist nahe, der Tag des Herrn, und ich höre auf den Bergen die Schritte Dessen, der sein wird der Erlöser der Welt.Siehe, der Tag ist nahe, der Tag des Herrn, und ich höre auf den Bergen die Schritte Dessen, der sein wird der Erlöser der Welt.
HerodesHerodes.
Was soll das heissen, der Erlöser der Welt?Was soll das heißen, der Erlöser der Welt?
1. NazarenerErster Nazarener
(emphatisch)(emphatisch).
Der Messias ist gekommen.Der Messias ist gekommen.
1. JudeErster Jude
(schreiend)(schreiend).
Der Messias ist nicht gekommen.Der Messias ist nicht gekommen.
1. NazarenerErster Nazarener.
Er ist gekommen, und allenthalben tut er Wunder. (sehr ruhig) Bei einer Hochzeit in Galiläa hat er Wasser in Wein verwandelt. Er heilte zwei Aussätzige von Capernaum.Er ist gekommen, und allenthalben tut er Wunder. Bei einer Hochzeit in Galiläa hat er Wasser in Wein verwandelt. Er heilte zwei Aussätzige von Capernaum.
2. NazarenerZweiter Nazarener.
Durch blosses Berühren!Durch bloßes Berühren!
1. NazarenerErster Nazarener.
Er hat auch Blinde geheilt. Man hat ihn auf einem Berge im Gespräch mit Engeln gesehn!Er hat auch Blinde geheilt. Man hat ihn auf einem Berge im Gespräch mit Engeln gesehn!
HerodiasHerodias.
Oho! Ich glaube nicht an Wunder, ich habe ihrer zu viele gesehn!Oho! Ich glaube nicht an Wunder, ich habe ihrer zu viele gesehn!
1. NazarenerErster Nazarener.
Die Tochter des Jairus hat er von den Toten erweckt.Die Tochter des Jairus hat er von den Toten erweckt.
HerodesHerodes
(erschreckt)(erschreckt).
Wie, er erweckt die Toten?Wie, er erweckt die Toten?
1. / 2. NazarenerErster und zweiter Nazarener.
Jawohl. Er erweckt die Toten.Jawohl. Er erweckt die Toten.
HerodesHerodes.
Ich verbiete ihm, das zu tun. Es wäre schrecklich, wenn die Toten wiederkämen! Wo ist der Mann zur Zeit?Ich verbiete ihm, das zu tun. Es wäre schrecklich, wenn die Toten wiederkämen! Wo ist der Mann zurzeit?
1. NazarenerErster Nazarener.
Herr, er ist überall, aber es ist schwer, ihn zu finden.Herr, er ist überall, aber es ist schwer, ihn zu finden.
HerodesHerodes.
Der Mann muss gefunden werden.Der Mann muß gefunden werden.
2. NazarenerZweiter Nazarener.
Es heisst, in Samaria weile er jetzt.Es heißt, in Samaria weile er jetzt.
1. NazarenerErster Nazarener.
Vor ein paar Tagen verliess er Samaria, ich glaube, im Augenblick ist er in der Nähe von Jerusalem.Vor ein paar Tagen verließ er Samaria, ich glaube, im Augenblick ist er in der Nähe von Jerusalem.
HerodesHerodes.
So hört: Ich verbiete ihm, die Toten zu erwecken! Es müsste schrecklich sein, wenn die Toten wiederkämen!So hört: Ich verbiete ihm, die Toten zu erwecken! Es müßte schrecklich sein, wenn die Toten wiederkämen!
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
O über dieses geile Weib, die Tochter Babylons. So spricht der Herr, unser Gott:O über dieses geile Weib, die Tochter Babylons. So spricht der Herr, unser Gott: Eine Menge Menschen wird sich gegen sie sammeln, und sie werden Steine nehmen und sie steinigen!
HerodiasHerodias
(wütend)(wütend).
Befiehl ihm, er soll schweigen.Befiehl ihm, er soll schweigen! Wahrhaftig, es ist schändlich!
Stimme des Jochanaan
Eine Menge Menschen wird sich gegen sie sammeln, und sie werden Steine nehmen und sie steinigen!
Herodias
Wahrhaftig, es ist schändlich!
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
Die Kriegshauptleute werden sie mit ihren Schwertern durchbohren, sie werden sie mit ihren Schilden zermalmen!Die Kriegshauptleute werden sie mit ihren Schwertern durchbohren, sie werden sie mit ihren Schilden zermalmen!
HerodiasHerodias.
Er soll schweigen, er soll schweigen!Er soll schweigen!
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
Es ist so, dass ich alle Verruchtheit austilgen werde, dass ich alle Weiber lehren werde, nicht auf den Wegen ihrer Greuel zu wandeln!Es ist so, daß ich alle Verruchtheit austilgen werde, daß ich alle Weiber lehren werde, nicht auf den Wegen ihrer Greuel zu wandeln!
HerodiasHerodias.
Du hörst, was er gegen mich sagt, du duldest es, dass er die schmähe, die dein Weib ist.Du hörst, was er gegen mich sagt, du duldest es, daß er die schmähe, die dein Weib ist.
HerodesHerodes.
Er hat deinen Namen nicht genannt.Er hat deinen Namen nicht genannt.
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan
(sehr feierlich)(sehr feierlich).
Es kommt ein Tag, da wird die Sonne finster werden wie ein schwarzes Tuch. Und der Mond wird werden wie Blut, und die Sterne des Himmels werden zur Erde fallen wie unreife Feigen vom Feigenbaum. Es kommt ein Tag, wo die Kön’ge der Erde erzittern.Es kommt ein Tag, da wird die Sonne finster werden wie ein schwarzes Tuch. Und der Mond wird werden wie Blut, und die Sterne des Himmels werden zur Erde fallen wie unreife Feigen vom Feigenbaum. Es kommt ein Tag, wo die Kön’ge der Erde erzittern.
HerodiasHerodias.
Haha! Dieser Prophet schwatzt wie ein Betrunkener … aber ich kann den Klang seiner Stimme nicht ertragen, ich hasse seine Stimme. Befiehl ihm, er soll schweigen.Ha ha! Dieser Prophet schwatzt wie ein Betrunkener … Aber ich kann den Klang seiner Stimme nicht ertragen, ich hasse seine Stimme. Befiehl ihm, er soll schweigen.
HerodesHerodes.
Tanz für mich, Salome.Tanz für mich, Salome.
HerodiasHerodias
(heftig)(heftig).
Ich will nicht haben, dass sie tanzt.Ich will nicht haben, daß sie tanzt.
SalomeSalome
(ruhig)(ruhig).
Ich habe keine Lust, zu tanzen, Tetrarch.Ich habe keine Lust, zu tanzen, Tetrarch.
HerodesHerodes.
Salome, Tochter der Herodias, tanz für mich!Salome, Tochter der Herodias, tanz für mich!
SalomeSalome.
Ich will nicht tanzen, Tetrarch.Ich will nicht tanzen, Tetrarch.
HerodiasHerodias.
Du siehst, wie sie dir gehorcht.Du siehst, wie sie dir gehorcht.
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
(mächtig)
Er wird auf seinem Throne sitzen, er wird gekleidet sein in Scharlach und Purpur. Und der Engel des Herrn wird ihn darnieder schlagen. Er wird von den Würmern gefressen werden.Er wird auf seinem Throne sitzen, er wird gekleidet sein in Scharlach und Purpur. Und der Engel des Herrn wird ihn darniederschlagen. Er wird von den Würmern gefressen werden.
HerodesHerodes.
Salome, Salome, tanz für mich, ich bitte dich. Ich bin traurig heute Nacht, drum tanz für mich. Salome, tanz für mich! Wenn du für mich tanzest, kannst du von mir begehren, was du willst. Ich werde es dir geben.Salome, Salome, tanz für mich, ich bitte dich. Ich bin traurig heute nacht, drum tanz für mich. Salome, tanz für mich! Wenn du für mich tanzest, kannst du von mir begehren, was du willst. Ich werde es dir geben.
SalomeSalome
(aufstehend)(aufstehend).
Willst du mir wirklich alles geben, was ich von dir begehre, Tetrarch?Willst du mir wirklich alles geben, was ich von dir begehre, Tetrarch?
HerodiasHerodias.
Tanze nicht, meine Tochter!Tanze nicht, meine Tochter!
HerodesHerodes.
Alles, alles, was du von mir begehren wirst, und wär’s die Hälfte meines Königreichs.Alles, was du von mir begehren wirst, und wär’s die Hälfte meines Königreichs.
SalomeSalome.
Du schwörst es, Tetrarch?Du schwörst es, Tetrarch?
HerodesHerodes.
Ich schwör es, Salome.Ich schwör’ es, Salome.
SalomeSalome.
Wobei willst du das beschwören, Tetrarch?Wobei willst du das beschwören, Tetrarch?
HerodesHerodes.
Bei meinem Leben, bei meiner Krone, bei meinen Göttern.Bei meinem Leben, bei meiner Krone, bei meinen Göttern. O Salome, Salome, tanz für mich!
HerodiasHerodias.
Tanze nicht, meine Tochter!Tanze nicht, meine Tochter!
Herodes
O Salome, Salome, tanz für mich.
SalomeSalome.
Du hast einen Eid geschworen, Tetrarch.Du hast einen Eid geschworen, Tetrarch.
HerodesHerodes.
Ich habe einen Eid geschworen.Ich habe einen Eid geschworen!
HerodiasHerodias.
Meine Tochter, tanze nicht.Meine Tochter, tanze nicht!
HerodesHerodes.
Und wärs die Hälfte meines Königreichs. Du wirst schön sein als Königin, unermesslich schön. (erschauernd) Ah, es ist kalt hier. Es weht ein eis’ger Wind, und ich höre … Warum höre ich in der Luft dieses Rauschen von Flügeln? Ah! Es ist doch so, als ob ein ungeheurer, schwarzer Vogel über der Terrasse schwebte? Warum kann ich ihn nicht sehn, diesen Vogel? Dieses Rauschen ist schrecklich. Es ist ein schneidender Wind. Aber nein, er ist nicht kalt, er ist heiss. Giesst mir Wasser über die Hände, gebt mir Schnee zu essen, macht mir den Mantel los. Schnell, schnell, macht mir den Mantel los! Doch nein! Lasst ihn! Dieser Kranz drückt mich. Diese Rosen sind wie Feuer. (Er reisst sich das Kranzgewinde ab und wirft es auf den Tisch.) Ah! Jetzt kann ich atmen. Jetzt bin ich glücklich (matt) Willst du für mich tanzen, Salome?Und wär’s die Hälfte meines Königreichs. Du wirst schön sein als Königin, unermeßlich schön. (Erschauernd) Ah! es ist kalt hier. Es weht ein eis’ger Wind und ich höre … Warum höre ich in der Luft dieses Rauschen von Flügeln? Ah! Es ist doch so, als ob ein ungeheurer, schwarzer Vogel über der Terrasse schwebte? Warum kann ich ihn nicht sehn, diesen Vogel? Dieses Rauschen ist schrecklich. Es ist ein schneidender Wind. Aber nein, er ist nicht kalt, er ist heiß. Gießt mir Wasser über die Hände, gebt mir Schnee zu essen, macht mir den Mantel los. Schnell, schnell, macht mir den Mantel los! Doch nein! Laßt ihn! Dieser Kranz drückt mich. Diese Rosen sind wie Feuer. (Er reißt sich das Kranzgewinde ab und wirft es auf den Tisch.) Ah! Jetzt kann ich atmen. Jetzt bin ich glücklich. (Matt) Willst du für mich tanzen, Salome?
HerodiasHerodias.
Ich will nicht haben, dass sie tanze!Ich will nicht haben, daß sie tanze!
SalomeSalome.
Ich will für dich tanzen.Ich will für dich tanzen.
(Sklavinnen bringen Salben und die sieben Schleier und nehmen Salome die Sandalen ab.)(Sklavinnen bringen Salben und die sieben Schleier und nehmen Salome die Sandalen ab.)
Stimme des JochanaanDie Stimme des Jochanaan.
Wer ist Der, der von Edom kommt, wer ist Der, der von Bozra kommt, dessen Kleid mit Purpur gefärbt ist, der in der Schönheit seiner Gewänder leuchtet, der mächtig in seiner Grösse wandelt, warum ist dein Kleid mit Scharlach gefleckt?Wer ist Der, der von Edom kommt, wer ist Der, der von Bosra kommt, dessen Kleid mit Purpur gefärbt ist, der in der Schönheit seiner Gewänder leuchtet, der mächtig in seiner Größe wandelt, warum ist dein Kleid mit Scharlach gefleckt?
HerodiasHerodias.
Wir wollen hineingehn. Die Stimme dieses Menschen macht mich wahnsinnig. (immer heftiger) Ich will nicht haben, dass meine Tochter tanzt, während er immer dazwischen schreit. Ich will nicht haben, dass sie tanzt, während du sie auf solche Art ansiehst. Mit einem Wort: ich will nicht haben, dass sie tanzt.Wir wollen hineingehn. Die Stimme dieses Menschen macht mich wahnsinnig. (Immer heftiger) Ich will nicht haben, daß meine Tochter tanzt, während er immer dazwischenschreit. Ich will nicht haben, daß sie tanzt, während du sie auf solche Art ansiehst. Mit einem Wort: ich will nicht haben, daß sie tanzt.
HerodesHerodes.
Steh nicht auf, mein Weib, meine Königin. Es wird dir nichts helfen, ich gehe nicht hinein, bevor sie getanzt hat. Tanze, Salome, tanz für mich!Steh nicht auf, mein Weib, meine Königin. Es wird dir nichts helfen, ich gehe nicht hinein, bevor sie getanzt hat. Tanze, Salome, tanz für mich!
HerodiasHerodias.
Tanze nicht, meine Tochter!Tanze nicht, meine Tochter!
SalomeSalome.
Ich bin bereit, Tetrarch.Ich bin bereit, Tetrarch.
Salomes TanzSalomes Tanz.
(Die Musikanten beginnen einen wilden Tanz.)Die Musikanten beginnen einen wilden Tanz. Salome, zuerst noch bewegungslos, richtet sich hoch auf und gibt den Musikanten ein Zeichen, worauf der wilde Rhythmus sofort abgedämpft wird und in eine sanft wiegende Weise überleitet. Salome tanzt sodann den »Tanz der sieben Schleier«.
(Salome noch bewegungslos)
(Jetzt richtet sich Salome hoch auf und gibt den Musikanten ein Zeichen, worauf der wilde Rhythmus sofort abgedämpft wird und in eine sanft wiegende Weise überleitet.)
(Salome tanzt den Tanz der sieben Schleier.)
(Salome scheint einen Augenblick zu ermatten, jetzt rafft sie sich wie neubeschwingt auf.)Sie scheint einen Augenblick zu ermatten, jetzt rafft sie sich wie neubeschwingt auf. Sie verweilt einen Augenblick in visionärer Haltung an der Cisterne, in der Jochanaan gefangen gehalten wird; dann stürzt sie vor und zu Herodes’ Füßen.
(Salome verweilt einen Augenblick in visionärer Haltung an der Cisterne, in der Jochanaan gefangen gehalten wird, – dann stürzt sie vor und zu Herodes’ Füssen.)
HerodesHerodes.
Ah! Herrlich! Wundervoll, wundervoll! (zu Herodias) Siehst du, sie hat für mich getanzt, deine Tochter. Komm her, Salome, komm her, du sollst deinen Lohn haben. Ich will dich königlich belohnen. Ich will dir alles geben, was dein Herz begehrt. Was willst du haben? Sprich!Ah! Herrlich! Wundervoll, wundervoll! (Zu Herodias) Siehst du, sie hat für mich getanzt, deine Tochter. Komm her, Salome, komm her, du sollst deinen Lohn haben. Ich will dich königlich belohnen. Ich will dir alles geben, was dein Herz begehrt. Was willst du haben? Sprich!
SalomeSalome
(süss)(süß).
Ich möchte, dass sie mir gleich in einer Silberschüssel …Ich möchte, daß sie mir gleich in einer Silberschüssel …
HerodesHerodes
(lachend).
In einer Silberschüssel – gewiss doch – in einer Silberschüssel … Sie ist reizend, nicht? Was ist’s, das du in einer Silberschüssel haben möchtest, o süsse, schöne Salome, du, die schöner ist als alle Töchter Judäas? Was sollen sie dir in einer Silberschüssel bringen? Sag es mir! Was es auch sein mag, du sollst es erhalten. Meine Reichtümer gehören dir. Was ist es, das du haben möchtest, Salome?In einer Silberschüssel – gewiß doch – in einer Silberschüssel … Sie ist reizend, nicht? Was ist’s, das du in einer Silberschüssel haben möchtest, o süße, schöne Salome, du, die schöner ist als alle Töchter Judäas? Was sollen sie dir in einer Silberschüssel bringen? Sag es mir! Was es auch sein mag, du sollst es erhalten. Meine Reichtümer gehören dir. Was ist es, das du haben möchtest, Salome?
(Salome steht auf.)
SalomeSalome
(lächelnd)(steht auf, lächelnd).
Den Kopf des Jochanaan.Den Kopf des Jochanaan.
HerodesHerodes
(fährt auf)(fährt auf).
Nein, nein.Nein, nein!
HerodiasHerodias.
Ah! Das sagst du gut, meine Tochter, das sagst du gut!Ah! Das sagst du gut, meine Tochter. Das sagst du gut!
HerodesHerodes.
Nein, nein, Salome; das ist es nicht, was du begehrst. Hör’ nicht auf die Stimme deiner Mutter. Sie gab dir immer schlechten Rat. Achte nicht auf sie.Nein, nein, Salome; das ist es nicht, was du begehrst! Hör’ nicht auf die Stimme deiner Mutter. Sie gab dir immer schlechten Rat. Achte nicht auf sie.
SalomeSalome.
Ich achte nicht auf die Stimme meiner Mutter. Zu meiner eignen Lust will ich den Kopf des Jochanaan in einer Silberschüssel haben. Du hast einen Eid geschworen, Herodes. Du hast einen Eid geschworen, vergiss das nicht!Ich achte nicht auf die Stimme meiner Mutter. Zu meiner eignen Lust will ich den Kopf des Jochanaan in einer Silberschüssel haben. Du hast einen Eid geschworen, Herodes. Du hast einen Eid geschworen, vergiß das nicht!
HerodesHerodes
(hastig)(hastig).
Ich weiss, ich habe einen Eid geschworen. Ich weiss es wohl. Bei meinen Göttern habe ich geschworen. Aber ich beschwöre dich, Salome, verlange etwas andres von mir. Verlange die Hälfte meines Königreichs. Ich will sie dir geben. Aber verlange nicht von mir, was deine Lippen verlangten.Ich weiß, ich habe einen Eid geschworen. Ich weiß es wohl. Bei meinen Göttern habe ich es geschworen. Aber ich beschwöre dich, Salome, verlange etwas andres von mir. Verlange die Hälfte meines Königreichs. Ich will sie dir geben. Aber verlange nicht von mir, was deine Lippen verlangten.
SalomeSalome
(stark)(stark).
Ich verlange von dir den Kopf des Jochanaan.Ich verlange von dir den Kopf des Jochanaan!
HerodesHerodes.
Nein, nein, ich will ihn dir nicht geben.Nein, nein, ich will ihn dir nicht geben.
SalomeSalome.
Du hast einen Eid geschworen, Herodes.Du hast einen Eid geschworen, Herodes.
HerodiasHerodias.
Ja, du hast einen Eid geschworen. Alle haben es gehört.Ja, du hast einen Eid geschworen. Alle haben es gehört.
HerodesHerodes.
Still, Weib, zu dir spreche ich nicht.Still, Weib, zu dir spreche ich nicht.
HerodiasHerodias.
Meine Tochter hat recht daran getan, den Kopf des Jochanaan zu verlangen. Er hat mich mit Schimpf und Schande bedeckt. Man kann sehn, dass sie ihre Mutter liebt. Gib nicht nach, meine Tochter, gib nicht nach. Er hat einen Eid geschworen.Meine Tochter hat recht daran getan, den Kopf des Jochanaan zu verlangen. Er hat mich mit Schimpf und Schande bedeckt. Man kann sehn, daß sie ihre Mutter liebt. Gib nicht nach, meine Tochter, gib nicht nach! Er hat einen Eid geschworen.
HerodesHerodes.
Still, sprich nicht zu mir! Salome, ich beschwöre dich: Sei nicht trotzig. Sieh, ich habe dich immer lieb gehabt! Kann sein, ich habe dich zu lieb gehabt. Darum verlange das nicht von mir. Der Kopf eines Mannes, der vom Rumpf getrennt ist, ist ein übler Anblick. Hör’, was ich sage! Ich habe einen Smaragd. Er ist der schönste Smaragd der ganzen Welt. Den willst du haben, nicht wahr? Verlang’ ihn von mir, ich will ihn dir geben, den schönsten Smaragd.Still, sprich nicht zu mir! Salome, ich beschwöre dich: Sei nicht trotzig! Sieh, ich habe dich immer lieb gehabt. Kann sein, ich habe dich zu lieb gehabt. Darum verlange das nicht von mir. Der Kopf eines Mannes, der vom Rumpf getrennt ist, ist ein übler Anblick. Hör’, was ich sage! Ich habe einen Smaragd. Er ist der schönste Smaragd der ganzen Welt. Den willst du haben, nicht wahr? Verlang’ ihn von mir, ich will ihn dir geben, den schönsten Smaragd.
SalomeSalome.
Ich fordre den Kopf des Jochanaan.Ich fordre den Kopf des Jochanaan!
HerodesHerodes.
Du hörst nicht zu, du hörst nicht zu. Lass mich zu dir reden, Salome!Du hörst nicht zu, du hörst nicht zu. Laß mich zu dir reden, Salome!
SalomeSalome.
Den Kopf des Jochanaan.Den Kopf des Jochanaan.
HerodesHerodes.
Das sagst du nur, um mich zu quälen, weil ich dich so angeschaut habe. Deine Schönheit hat mich verwirrt. Oh! Oh! Bringt Wein! Mich dürstet. Salome, Salome, lass uns wie Freunde zueinander sein! Bedenk’ dich! Ah! Was wollt ich sagen? Was war’s? … Ah! Ich weiss es wieder! … Salome, du kennst meine weissen Pfauen, meine schönen, weissen Pfauen, die im Garten zwischen den Myrten wandeln. Ich will sie dir alle, alle geben. In der ganzen Welt lebt kein König, der solche Pfauen hat. Ich habe bloss hundert. Aber alle will ich dir geben.Das sagst du nur, um mich zu quälen, weil ich dich so angeschaut habe. Deine Schönheit hat mich verwirrt. Oh! Oh! Bringt Wein! Mich dürstet! Salome, Salome, laß uns wie Freunde zu einander sein! Bedenk’ dich! Ah! Was wollt ich sagen? Was war’s? … Ah! Ich weiß es wieder! … Salome, du kennst meine weißen Pfauen, meine schönen weißen Pfauen, die im Garten zwischen den Myrten wandeln … Ich will sie dir alle, alle geben. In der ganzen Welt lebt kein König, der solche Pfauen hat. Ich habe bloß hundert. Aber alle will ich dir geben.
(Er leert seinen Becher.)
SalomeSalome.
Gib mir den Kopf des Jochanaan!Gib mir den Kopf des Jochanaan!
HerodiasHerodias.
Gut gesagt, meine Tochter! (zu Herodes) Und du, du bist lächerlich mit deinen Pfauen.Gut gesagt, meine Tochter! (Zu Herodes) Und du, du bist lächerlich mit deinen Pfauen.
HerodesHerodes.
Still, Weib! Du kreischest wie ein Raubvogel. Deine Stimme peinigt mich. Still, sag’ ich dir. Salome, bedenk, was du tun willst. Es kann sein, dass der Mann von Gott gesandt ist. Er ist ein heilger Mann. Der Finger Gottes hat ihn berührt. Du möchtest nicht, dass mich ein Unheil trifft, Salome? Hör’ jetzt auf mich!Still, Weib! Du kreischest wie ein Raubvogel. Deine Stimme peinigt mich. Still sag’ ich dir! Salome, bedenk, was du tun willst. Es kann sein, daß der Mann von Gott gesandt ist. Er ist ein heil’ger Mann. Der Finger Gottes hat ihn berührt. Du möchtest nicht, daß mich ein Unheil trifft, Salome? Hör’ jetzt auf mich!
SalomeSalome.
Ich will den Kopf des Jochanaan.Ich will den Kopf des Jochanaan!
HerodesHerodes
(auffahrend)(auffahrend).
Ach! Du willst nicht auf mich hören. Sei ruhig, Salome. Ich siehst du, bin ruhig. Höre: (leise und heimlich) Ich habe an diesem Ort Juwelen versteckt, Juwelen, die selbst deine Mutter nie gesehen hat. Ich habe ein Halsband mit vier Reihen Perlen, Topase, gelb wie die Augen der Tiger. Topase, hellrot wie die Augen der Waldtaube, und grüne Topase, wie Katzenaugen. Ich habe Opale, die immer funkeln, mit einem Feuer, kalt wie Eis. Ich will sie dir alle geben, alle. (immer aufgeregter) Ich habe Chrysolithe und Berylle, Chrysoprase und Rubine. Ich habe Sardonyx- und Hyacinthsteine und Steine von Chalcedon. Ich will sie dir alle geben, alle und noch andre Dinge. Ich habe einen Krystall, in den zu schaun keinem Weibe vergönnt ist. In einem Perlenmutterkästchen habe ich drei wunderbare Türkise; wer sie an seiner Stirne trägt, kann Dinge sehn, die nicht wirklich sind. Es sind unbezahlbare Schätze. Was begehrst du sonst noch, Salome? Alles, was du verlangst, will ich dir geben, nur eines nicht. Nur nicht das Leben dieses einen Mannes. Ich will dir den Mantel des Hohenpriesters geben. Ich will dir den Vorhang des Allerheiligsten geben …Ach! Du willst nicht auf mich hören. Sei ruhig, Salome. Ich, siehst du, bin ruhig. Höre: (leise und heimlich) Ich habe an diesem Ort Juwelen versteckt, Juwelen, die selbst deine Mutter nie gesehen hat. Ich habe ein Halsband mit vier Reihen Perlen, Topase, gelb wie die Augen der Tiger. Topase, hellrot wie die Augen der Waldtaube, und grüne Topase, wie Katzenaugen. Ich habe Opale, die immer funkeln, mit einem Feuer, kalt wie Eis. Ich will sie dir alle geben, alle! (Immer aufgeregter) Ich habe Chrysolithe und Berylle, Chrysoprase und Rubine. Ich habe Sardonyx- und Hyazinthsteine und Steine von Chalcedon. Ich will sie dir alle geben, alle und noch andere Dinge. Ich habe einen Kristall, in den zu schaun keinem Weibe vergönnt ist. In einem Perlmutterkästchen habe ich drei wunderbare Türkise: Wer sie an seiner Stirne trägt, kann Dinge sehn, die nicht wirklich sind. Es sind unbezahlbare Schätze. Was begehrst du sonst noch, Salome? Alles, was du verlangst, will ich dir geben nur eines nicht: Nur nicht das Leben dieses einen Mannes. Ich will dir den Mantel des Hohenpriesters geben. Ich will dir den Vorhang des Allerheiligsten geben …
Die JudenDie Juden.
Oh, oh, oh!Oh, oh, oh!
SalomeSalome
(wild)(wild).
Gib mir den Kopf des Jochanaan!Gib mir den Kopf des Jochanaan!
(Herodes sinkt verzweifelt auf seinen Sitz zurück.)(Herodes sinkt verzweifelt auf seinen Sitz zurück.)
HerodesHerodes
(matt)(matt).
Man soll ihr geben, was sie verlangt! Sie ist in Wahrheit ihrer Mutter Kind.Man soll ihr geben, was sie verlangt! Sie ist in Wahrheit ihrer Mutter Kind!
(Herodias zieht dem Tetrarchen den Todesring vom Finger und gibt ihn dem ersten Soldaten, der ihn auf der Stelle dem Henker überbringt.)(Herodias zieht dem Tetrarchen den Todesring vom Finger und gibt ihn dem ersten Soldaten, der ihn auf der Stelle dem Henker überbringt.)
HerodesHerodes.
Wer hat meinen Ring genommen?Wer hat meinen Ring genommen?
(Der Henker geht in die Cisterne hinab.)(Der Henker geht in die Cisterne hinab.)
Herodes
Ich hatte einen Ring an meiner rechten Hand. Wer hat meinen Wein getrunken? Es war Wein in meinem Becher. Er war mit Wein gefüllt. Es hat ihn jemand ausgetrunken. (leise) Oh! Gewiss wird Unheil über einen kommen.Ich hatte einen Ring an meiner rechten Hand. Wer hat meinen Wein getrunken? Es war Wein in meinem Becher. Er war mit Wein gefüllt. Es hat ihn jemand ausgetrunken. (Leise) Gewiß wird Unheil über einen kommen.
HerodiasHerodias.
Meine Tochter hat recht getan!Meine Tochter hat recht getan!
HerodesHerodes.
Ich bin sicher, es wird ein Unheil geschehn.Ich bin sicher, es wird ein Unheil geschehn.
(Salome an der Cisterne lauschend)
SalomeSalome
(an der Cisterne lauschend).
Es ist kein Laut zu vernehmen. Ich höre nichts. Warum schreit er nicht, der Mann? Ah! Wenn einer mich zu töten käme, ich würde schreien, ich würde mich wehren, ich würde es nicht dulden! … Schlag’ zu, schlag’ zu, Naaman, schlag’ zu, sag’ ich dir … Nein, ich höre nichts. (gedehnt) Es ist eine schreckliche Stille! Ah! Es ist etwas zu Boden gefallen. Ich hörte etwas fallen. Es war das Schwert des Henkers. Er hat Angst, dieser Sklave. Er hat das Schwert fallen lassen! Er traut sich nicht, ihn zu töten. Er ist eine Memme, dieser Sklave. Schickt Soldaten hin! (zum Pagen) Komm hierher, du warst der Freund dieses Toten, nicht? Wohlan, ich sage dir: es sind noch nicht genug Tote. Geh zu den Soldaten und befiehl ihnen, hinabzusteigen und mir zu holen, was ich verlange, was der Tetrarch mir versprochen hat, was mein ist! Hierher, ihr Soldaten, geht ihr in die Cisterne hinunter und holt mir den Kopf des Mannes! (schreiend) Tetrarch, Tetrarch, befiehl deinen Soldaten, dass sie mir den Kopf des Jochanaan holen!Es ist kein Laut zu vernehmen. Ich höre nichts. Warum schreit er nicht, der Mann? Ah! Wenn einer mich zu töten käme, ich würde schreien, ich würde mich wehren, ich würde es nicht dulden! … Schlag zu, schlag zu, Naaman, schlag zu, sag ich dir … Nein, ich höre nichts. (Gedehnt) Es ist eine schreckliche Stille! Ah! Es ist etwas zu Boden gefallen. Ich hörte etwas fallen. Es war das Schwert des Henkers. Er hat Angst, dieser Sklave. Er hat das Schwert fallen lassen! Er traut sich nicht, ihn zu töten. Er ist eine Memme, dieser Sklave. Schickt Soldaten hin! (Zum Pagen) Komm hierher, du warst der Freund dieses Toten, nicht? Wohlan, ich sage dir: Es sind noch nicht genug Tote. Geh zu den Soldaten und befiehl ihnen, hinabzusteigen und mir zu holen, was ich verlange, was der Tetrarch mir versprochen hat, was mein ist!
(Der Page weicht zurück, sie wendet sich den Soldaten zu.)
Hierher, ihr Soldaten, geht ihr in die Cisterne hinunter und holt mir den Kopf des Mannes! (Schreiend) Tetrarch, Tetrarch, befiehl deinen Soldaten, daß sie mir den Kopf des Jochanaan holen!
(Ein riesengrosser, schwarzer Arm, der Arm des Henkers, streckt sich aus der Cisterne heraus, auf einem silbernen Schild den Kopf des Jochanaan haltend, Salome ergreift ihn.)(Ein riesengroßer schwarzer Arm, der Arm des Henkers, streckt sich aus der Cisterne heraus, auf einem silbernen Schild den Kopf des Jochanaan haltend. Salome ergreift ihn. Herodes verhüllt sein Gesicht mit dem Mantel. Herodias fächelt sich zu und lächelt. Die Nazarener sinken in die Knie und beginnen zu beten.)
SalomeSalome.
Ah! Du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan. Wohl, ich werde ihn jetzt küssen! Ich will mit meinen Zähnen hineinbeissen, wie man in eine reife Frucht beissen mag. Ja, ich will ihn jetzt küssen, deinen Mund, Jochanaan. Ich hab’ es gesagt. Hab’ ich’s nicht gesagt? Ja, ich hab’ es gesagt. Ah! Ah! Ich will ihn jetzt küssen … Aber warum siehst du mich nicht an, Jochanaan? Deine Augen, die so schrecklich waren, so voller Wut und Verachtung, sind jetzt geschlossen. Warum sind sie geschlossen? Öffne doch die Augen, erhebe deine Lider, Jochanaan! Warum siehst du mich nicht an? Hast du Angst vor mir, Jochanaan, dass du mich nicht ansehen willst? Und deine Zunge, sie spricht kein Wort, Jochanaan, diese Scharlachnatter, die ihren Geifer gegen mich spie. Es ist seltsam, nicht? Wie kommt es, dass diese rote Natter sich nicht mehr rührt? Du sprachst böse Worte gegen mich, gegen mich, Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa. Nun wohl! Ich lebe noch, aber du bist tot, und dein Kopf, dein Kopf gehört mir. Ich kann mit ihm tun, was ich will. Ich kann ihn den Hunden vorwerfen und den Vögeln der Luft. Was die Hunde übrig lassen, sollen die Vögel der Luft verzehren … Ah! Ah! Jochanaan, Jochanaan, du warst schön. Dein Leib war eine Elfenbeinsäule auf silbernen Füssen. Er war ein Garten voller Tauben in der Silberlilien Glanz. Nichts in der Welt war so weiss wie dein Leib. Nichts in der Welt war so schwarz wie dein Haar. In der ganzen Welt war nichts so rot wie dein Mund. Deine Stimme war ein Weihrauchgefäss, und wenn ich dich ansah, hörte ich geheimnissvolle [sic] Musik …Ah! Du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan! Wohl, ich werde ihn jetzt küssen! Ich will mit meinen Zähnen hineinbeißen, wie man in eine reife Frucht beißen mag. Ja, ich will ihn jetzt küssen, deinen Mund, Jochanaan. Ich hab’ es gesagt. Hab’ ich’s nicht gesagt? Ja, ich hab’ es gesagt. Ah! Ah! Ich will ihn jetzt küssen … Aber warum siehst du mich nicht an, Jochanaan? Deine Augen, die so schrecklich waren, so voller Wut und Verachtung, sind jetzt geschlossen. Warum sind sie geschlossen? Öffne doch die Augen, erhebe deine Lider, Jochanaan! Warum siehst du mich nicht an? Hast du Angst vor mir, Jochanaan, daß du mich nicht ansehen willst? Und deine Zunge, sie spricht kein Wort, Jochanaan, diese Scharlachnatter, die ihren Geifer gegen mich spie. Es ist seltsam, nicht? Wie kommt es, daß diese rote Natter sich nicht mehr rührt? Du sprachst böse Worte gegen mich, gegen mich, Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa. Nun wohl! Ich lebe noch, aber du bist tot, und dein Kopf, dein Kopf gehört mir! Ich kann mit ihm tun, was ich will. Ich kann ihn den Hunden vorwerfen und den Vögeln der Luft. Was die Hunde übrig lassen, sollen die Vögel der Luft verzehren … Ah! Ah! Jochanaan, Jochanaan, du warst schön. Dein Leib war eine Elfenbeinsäule auf silbernen Füßen. Er war ein Garten voller Tauben in der Silberlilien Glanz. Nichts in der Welt war so weiß wie dein Leib. Nichts in der Welt war so schwarz wie dein Haar. In der ganzen Welt war nichts so rot wie dein Mund. Deine Stimme war ein Weihrauchgefäß, und wenn ich dich ansah, hörte ich geheimnisvolle Musik …
(Salome in den Anblick von Jochanaans Haupt versunken)(In den Anblick von Jochanaans Haupt versunken.)
Oh! Warum hast du mich nicht angesehn, Jochanaan? Du legtest über deine Augen die Binde Eines, der seinen Gott schauen wollte. Wohl! Du hast deinen Gott gesehn, Jochanaan, aber mich, mich, mich hast du nie gesehn. Hättest du mich gesehn, du hättest mich geliebt! Ich dürste nach deiner Schönheit. Ich hungre nach deinem Leib. Nicht Wein noch Äpfel können mein Verlangen stillen … Was soll ich jetzt tun, Jochanaan? Nicht die Fluten, noch die grossen Wasser können dieses brünstige Begehren löschen … Oh! Warum sahst du mich nicht an? Hättest du mich angesehn, du hättest mich geliebt. Ich weiss es wohl, du hättest mich geliebt. Und das Geheimnis der Liebe ist grösser als das Geheimnis des Todes …Ah! Warum hast du mich nicht angesehen, Jochanaan? Du legtest über deine Augen die Binde eines, der seinen Gott schauen wollte. Wohl! Du hast deinen Gott gesehn, Jochanaan, aber mich, mich hast du nie gesehn. Hättest du mich gesehn, du hättest mich geliebt! Ich dürste nach deiner Schönheit. Ich hungre nach deinem Leib. Nicht Wein noch Äpfel können mein Verlangen stillen … Was soll ich jetzt tun, Jochanaan? Nicht die Fluten, noch die großen Wasser können dieses brünstige Begehren löschen … Oh! Warum sahst du mich nicht an? Hättest du mich angesehn, du hättest mich geliebt. Ich weiß es wohl, du hättest mich geliebt. Und das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes …
HerodesHerodes
(leise zu Herodias)(leise zu Herodias).
Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter. Ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer!Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter. Ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer!
HerodiasHerodias
(stark)(stark).
Meine Tochter hat recht getan. Ich möchte jetzt hierbleiben.Sie hat recht getan. Ich möchte jetzt hier bleiben.
HerodesHerodes
(steht auf).
Ah! Da spricht meines Bruders Weib. (schwächer) Komm, ich will nicht an diesem Orte bleiben. (heftig) Komm, sag’ ich dir. Sicher, es wird Schreckliches geschehn. Wir wollen uns im Palast verbergen, Herodias, ich fange an, zu erzittern …Ah! Da spricht meines Bruders Weib! (Schwächer) Komm, ich will nicht an diesem Orte bleiben. (Heftig) Komm, sag’ ich dir! Sicher, es wird Schreckliches geschehn. Wir wollen uns im Palast verbergen, Herodias, ich fange an zu erzittern …
(Der Mond verschwindet.)(Der Mond verschwindet.)
(auffahrend) Manasseh, Issachar, Ozias, löscht die Fackeln aus. Verbergt den Mond, verbergt die Sterne!(Auffahrend) Manassah, Issachar, Ozias, löscht die Fackeln aus. Verbergt den Mond, verbergt die Sterne! Es wird Schreckliches geschehn.
(Es wird ganz dunkel.)
Es wird Schreckliches geschehn …
(Die Sklaven löschen die Fackeln aus. Die Sterne verschwinden. Eine große Wolke zieht über den Mond und verhüllt ihn völlig. Die Bühne wird ganz dunkel. Der Tetrarch beginnt die Treppe hinaufzusteigen.)
SalomeSalome
(matt)(matt).
Ah! Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan. Ah! Ich habe ihn geküsst, deinen Mund, es war ein bitterer Geschmack auf deinen Lippen Hat es nach Blut geschmeckt? Nein! Doch es schmeckte vielleicht nach Liebe … Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke … Allein was tut’s? Was tut’s? Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan. Ich habe ihn geküsst, deinen Mund.Ah! Ich habe deinen Mund geküßt, Jochanaan. Ah! Ich habe ihn geküßt deinen Mund, es war ein bitterer Geschmack auf deinen Lippen. Hat es nach Blut geschmeckt? Nein! Doch es schmeckte vielleicht nach Liebe … Sie sagen, daß die Liebe bitter schmecke … Allein, was tut’s? Was tut’s? Ich habe deinen Mund geküßt, Jochanaan. Ich habe ihn geküßt, deinen Mund.
(Der Mond bricht wieder hervor und beleuchtet Salome.)(Der Mond bricht wieder hervor und beleuchtet Salome.)
HerodesHerodes
(sich umwendend)(sich umwendend).
Man töte dieses Weib!Man töte dieses Weib!
(Die Soldaten stürzen sich auf Salome und begraben sie unter ihren Schilden.)(Die Soldaten stürzen sich auf Salome und begraben sie unter ihren Schilden.)
(Der Vorhang fällt schnell.)Der Vorhang fällt schnell.
verantwortlich für diesen Datensatz: Claudia Heine

Quellennachweis

Edierter Gesangstext
Richard Strauss: Salome op. 54: Deutsche Fassung, hrsg. von Claudia Heine und Salome Reiser †, Wien: Verlag Dr. Richard Strauss 2019 (= Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe, I/3a)
Textvorlage bei Komposition
Salome, Tragoedie in einem Akt von Oscar Wilde, Übertragung von Hedwig Lachmann, Zeichnungen von Marcus Behmer, Leipzig: Insel-Verlag 1903 (Richard-Strauss-Archiv, Signatur TrV_215_q00520, Handexemplar Richard Strauss)
Textbuch
Salome: Drama in einem Aufzuge nach Oskar Wilde’s gleichnamiger Dichtung in deutscher Übersetzung von Hedwig Lachmann: Musik von Richard Strauss, Berlin: Adolph Fürstner 1905 (Bayerische Staatsbibliothek, Signatur St.th.1319,12,1, Exemplar gestempelt als Nr. 6)

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/t10413 (Version 2019‑05‑27).